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Deutsche Städte in der Globalisierungsfalle

[i]Angesichts der gegenwärtigen Debatte über "Cross-Border-Geschäfte" der deutschen Kommunen und den Ausfall des amerikanischen Versicherungsgiganten AIG ist der folgende Hintergrundbericht der BüSo von 2006 wieder sehr aktuell. Viele deutsche Städte waren seit spätestens 2000 mit der sog. "Transatlantischen Bürgermeisterinitiative" des synarchistischen Finanziers und LaRouche-Gegners Felix Rohatyns ermuntert worden, sich der Globalisierung (z. B. auch cross-Border-Geschäften) zu öffnen. Dieser Bericht erschien zuerst in Neue Solidarität, 30/2006 unter der Überschrift: "Felix Rohatyn, John Kornblum und die deutschen Städte"[/i].

"Die Geldnöte der Kommunen werden von internationalen privaten Finanzinteressen ausgenutzt, um die politischen Strukturen des souveränen Nationalstaates zu untergraben und das Prinzip des Gemeinwohls abzuschaffen. Ein Blick auf die sogenannte "Transnationale Bürgermeisterinitiative", die Felix Rohatyn als ehemals amerikanischer Botschafter in Frankreich auf den Weg brachte, mag dies verdeutlichen.

Rohatyn, entschiedener Gegner der von LaRouche verlangten Rückkehr zu einem New Deal, also der staatlichen Finanzierung notwendiger Infrastrukturaufgaben und anderer Ausgaben für das Gemeinwohl, ist in den USA der Hauptpropagandist der sogenannten "Public-Private Partnerships", ein etwas vornehmerer Ausdruck für den schleichenden Ausverkauf und die Übernahme des öffentlichen Sektors auf Kosten der Bürger. Seine Unterstützung des ITT-Militärputsches 1973 in Chile gegen Allende, dem die Rentenprivatisierung auf dem Fuße folgte, ist ein weiterer unrühmlicher Teil seiner Biographie. Kein Wunder, daß er heute auch die Privatisierung des Militärs befürwortet.

An der Bürgermeisterinitiative beteiligt sich auch sein Amtskollege John Kornblum, der damalige amerikanische Botschafter in Deutschland. Beide Herren könnte man wohl korrekter als "Lazard Frères"-Botschafter bezeichnen: für dieses historisch sehr belastete Investmenthaus war Felix Rohatyn von 1958-1997 tätig, während Kornblum die 1999 in Deutschland gegründete Niederlassung von Lazard - führend im Geschäft mit Fusionen und Firmenübernahmen - leitet. Kornblums Lazard Deutschland war u.a. 2004 mit dem Vorstoß beauftragt, die Stadtsparkasse der hoch verschuldeten Stadt Stralsund zu privatisieren - ein Pilotprojekt, das damals aufgrund massiven öffentlichen Protests fehlschlug. Besonderes Interesse zeigen Lazard Deutschland und Herr Kornblum übrigens auch für die Privatisierung des deutschen Rentensystems, auf deren festgelegte Geldströme private Anlegerfonds und Versicherungskonzerne seit langem ein begehrliches Auge geworfen haben.

Rohatyn hatte bei der Winterkonferenz der amerikanischen Bürgermeisterkonferenz 1999 in Washington die Rolle der Städte und ihrer Regionen für die Globalisierung der Weltwirtschaft gepriesen. Sein Credo: in der Zukunft müßten Bürgermeister mit dem privaten Sektor und dem freiwilligen Engagement der Bürger zusammenarbeiten, um sich so dem "internationalen Wettbewerb auf neue Weise zu stellen". Die erste der von ihm angestoßenen Konferenzen fand dann in Lyon vom 6.-8. April 2000 als sog. "Transatlantischer Bürgermeistergipfel" statt. Sie wurde von John Kornblum, dem Exekutivdirektor der amerikanischen Bürgermeisterkonferenz Thomas Cochran, den Aspeninstituten Frankreichs und Deutschlands sowie dem "New Traditions Network" der amerikanischen Botschaft in Berlin organisiert. Einer der Hauptsponsoren war Ondeo Services (Teil des weltweit agierenden französischen privaten Wassergiganten Suez, der auch in Deutschland als "Eurawasser" tätig ist; langjähriges Vorstandsmitglied bei Suez: F. Rohatyn).

Bei der Konferenz, an der etwa 30 amerikanische, französische und deutsche Bürgermeister teilnahmen, ging es vor allem um die Auswirkungen der "unvermeidlichen Globalisierung" in der städtischen Praxis, wobei die souveräne Verantwortung der gewählten nationalen Regierungen für das Gemeinwohl offen beiseite gelassen wurde. Felix Rohatyn betonte seine Erfahrung von zwei Jahrzehnten in New York City, die ihm die Idee zu diesem Kongreß in Lyon gegeben habe. Er wollte, wie er sagte, seine "Erfahrungen" aus New York City auch den Kommunen in Frankreich und Deutschland zugutekommen lassen.

Sehen wir uns diese "Städteplanung" à la Rohatyn genauer an. Ein von Rohatyn geführtes Bankenmanagement namens BIG MAC unterwarf New York City 1974 einer brutalen Schuldendiktatur, nachdem die Stadt zunächst von den Banken zur ungehinderten Kreditaufnahme ermuntert und ihr dann der Geldhahn zugedreht worden war. Die Folge: Zerstörung der produktiven Arbeitsplätze zugunsten des spekulativen Sektors und der sog. Dienstleistungen, massiver Abbau des Sozialsystems und der städtischen Infrastruktur, Verarmung der Bevölkerung, und die Kapitulation der Gewerkschaften. Ein großer Teil der gewerkschaftlichen und städtischen Pensionsfonds waren für den Ankauf von Anteilscheinen zur Begleichung der Schulden verwandt worden!

1991 schlug Rohatyn dann die Anwendung dieses Modells, und zwar unter obligatorischer Einbeziehung der großen öffentlichen Pensionsfonds, für die USA vor, um den Staatshaushalt zu sanieren. Zugleich ist er auch für den Verlust Zehntausender produktiver Arbeitsplätze durch den von ihm organisierten "Bankrott durch Globalisierung" des US-Autozulieferers Delphi verantwortlich!

[h3]Städte als Global Players[/h3]

John Kornblum, der die Oberbürgermeister von Kiel, Rostock, Dresden, Bonn, Düsseldorf und Stuttgart zur Konferenz in Lyon mitgebracht hatte, forderte die Teilnehmer auf, zu ihrem eigenen Nutzen "Global Players" zu werden. Sie sollten ihre eigene Außenpolitik betreiben - auch gegen den Willen ihrer Außenministerien! Die Oberbürgermeisterin von Tulsa, Susan Savage, unterstrich, daß die Globalisierung "neue Denkformen über die Frage von Grenzen und die nationale Souveränität von Nationen" zustande bringe.

Von französischer Seite lobte der Lyoner neokonservative Bürgermeister und frühere Premier Raymond Barre die "neuen Möglichkeiten des wachsenden Wettbewerbs" für die Städte, und sein Kollege Alain Juppé (Bürgermeister von Bordeaux und ebenfalls früherer Premierminister) meinte in sophistischer Manier, nationale Regierungen seien eben "zu klein für große Dinge und zu groß für kleine Dinge". Denvers Bürgermeister betonte ganz im Sinne Rohatyns die Notwendigkeit einer strikten Sparpolitik und die Einbindung des Privatsektors als einzige gangbare Alternative in Zeiten knapper Kassen. Er faßte die Absage an den souveränen Nationalstaat mit seiner Verpflichtung zum Gemeinwohl mit den Worten zusammen: "Wenn das 19. Jh. das Jahrhundert der Imperien war, und das 20. Jh. das der Nationalstaaten, dann wird das 21. Jh. das der Städte sein."

Natürlich hat dies alles nichts mit der Realität zu tun; denn die Kommunen mit ihrem unmittelbaren Versorgungsauftrag für das Wohlergehen der Bürger werden ja im Gegenteil immer handlungsunfähiger durch die wegbrechenden Steuereinnahmen und die immer größeren Verpflichtungen, die auf sie abgewälzt werden! Aber hier geht es ja nicht um das Wohlergehen der Kommunen und ihrer Bürger, sondern um den ungehinderten Zugriff globalisierter Finanzinteressen, denen für ihre Ausplünderungspolitik jedes Mittel recht ist. Und dabei stören natürlich parlamentarische Vertretungen und die gewählten Organe der kommunalen Selbstverwaltung - ein Modell, auf das Deutschland wirklich stolz sein kann.

So ging es bei der Konferenz in Lyon vor allem darum, wie die Städte "nicht standortgebundenes Kapital" - sprich: globalisierte Finanzinteressen - anlocken könnten. Da dieses bekanntlich nur dann kommt, wenn Sozialgesetzgebung und Lohnkosten auf Kosten der Arbeitnehmer entsprechend zusammengestrichen werden, ist klar, daß man die Städte und ihre Finanznöte als Hebel benutzt, um so eine dramatische Veränderung des politischen Systems von unten zu erzwingen.

[h3][/url]Pilotprojekte für die Privatisierung[/h3]

Die 2000 aus Deutschland angereisten Oberbürgermeister weisen auf die damals erfolgte ideologische Weichenstellung, auch wenn mittlerweile einige davon nicht mehr im Amt sind. Nehmen wir zum Beispiel den damaligen SPD-OB von Kiel (1997-2003), Norbert Gansel, der auch einmal sicherheitspolitischer Experte der SPD-Bundestagsfraktion war. Er ist dem Vernehmen nach ein persönlicher Freund des Lazard-Botschafters Kornblum, der seinerseits seit 2001 im Vorstand des norddeutschen Werftenverbunds sitzt. Gansel tat sich in seiner Amtszeit besonders dadurch hervor, daß er die Privatisierung der Kieler Stadtwerke einleitete und die Ostseehalle verkaufte. Dadurch avancierte Kiel zur Nummer Eins unter den deutschen Großstädten bei der Bezahlung der Schulden - die heutige Verschuldung Kiels ist jedoch enorm.

Gansels Parteifreund, der ursprünglich aus Schleswig-Holstein stammende Rostocker Oberbürgermeister Arno Pöker, nahm nach sich häufenden Skandalen über seine Privatisierungs- und Kürzungspolitik 2004 seinen Hut. Kurz zuvor war er noch vom französischen Botschafter in Berlin zum Ritter der Ehrenlegion geschlagen worden - wegen seiner Verdienste um zwei bundesweite Pilotprojekte: die Übernahme der städtischen Wasserversorgung durch die französische Suez-Tochter "Eurawasser" im Jahre 1993 und des ersten deutschen privaten Maut-Autotunnels, des 2003 eröffneten Warnowtunnels, der sich mittlerweile wegen mangelnder Einkünfte zum finanziellen Alptraum für die Stadt entwickelt hat.

Die französische Firma Bouygues und der international führende Macquarie-Konzern arbeiten bei privaten Infrastrukturprojekten eng mit Lazard Frères zusammen. Die Bank Macquarie kündigte im Mai dieses Jahres an, in Deutschland neben dem Immobiliensektor das Engagement bei Infrastrukturobjekten zu verstärken, und eine Menge Projekte seien in Vorbereitung! Auch sei man sehr am Kauf und Betrieb von Stadtwerken interessiert und "pflege den Dialog" mit Städten, Gemeinden und dem Bund. Macquarie hatte schon 2005 1,5 Milliarden Euro für einen europäischen Infrastrukturfonds gesammelt, mit dem nach eigenen Angaben Wasserversorger, Stromerzeuger, Autobahnen und Flughäfen gekauft werden sollen. Macquarie plant nun einen weiteren solchen Fonds.

Der heute noch amtierende CDU-Bürgermeister von Stuttgart, Wolfgang Schuster, spielte eine Vorreiterrolle bei den berüchtigten sog. "Cross Border Leasing"-Geschäften, bei denen deutsche Kommunen in den 90er Jahren städtische Bauten und Anlagen für 99 Jahre an einen US-Investor verleasten, um dadurch zu schnellen Cash-Einnahmen zu kommen. Schuster liegt auf gleicher Wellenlänge mit dem ausgesprochenen Privatisierungsbefürworter Lothar Späth, früher baden-württembergischer Ministerpräsident, heute deutscher Vizechef des Investmenthauses Merrill Lynch.

In Baden-Württemberg wurde u.a. 2001 die baden-württembergische Landeswasserversorgung verleast, 2002 das Stuttgarter Abwasserkanalnetz und im gleichen Jahr auch die Bodensee-Wasserversorgung mit ihrem gesamten Leitungsnetz und den Wasserwerken. Außerdem hat Stuttgart seine Strom-, Gas-, Fernwärme- und Wasserversorgung der Stadt an das seit 2000 privatwirtschaftlich arbeitende Unternehmen EnBW AG veräußert, das zu je 45% dem französischen Staatskonzern EdF (Electricité de France) und den Oberschwäbischen Elektrizitätswerken gehört, wobei jedoch die EdF aufgrund des Konsortialvertrages das Sagen hat. Es wird befürchtet, daß die Wasserversorgung im Zuge eines Börsengangs der EnBW AG, die sich auch in anderen Kommunen stark engagiert hat, an einen internationalen Wasserkonzern wie z.B. Suez oder Veolia verkauft werden könnte. Und die EU-Richtlinien für die sog. Liberalisierung des Wassermarktes lassen in dieser Hinsicht nichts Gutes erwarten.

Diese wenigen Beispiele sollen hier genügen, um das Problem deutlich zu machen.

Auch wenn sich viele Kommunalvertreter immer noch einreden, es bleibe ihnen ja nichts anderes übrig, als auf "Public Private Partnership" umzustellen, um eine völlige Privatisierung zu verhindern, und es sei gut, die Städte durch eine neue Finanzverwaltung betriebswirtschaftlich zu verwalten: das ist prinzipiell falsch, denn der Staat mit all seinen Untergliederungen leitet seine Existenzberechtigung nur aus der unbedingten Verpflichtung zum Gemeinwohl der Bürger her, und dabei können keine privatwirtschaftlichen Maßstäbe angelegt werden. Der Weg zur Hölle beginnt immer mit anscheinend kleinen Schritten in die falsche Richtung.

Wir brauchen wieder den politisch verantwortlichen Entscheidungsprozeß im Sinne des Gemeinwohls, sonst könnte es den Kommunen wieder so ergehen wie den deutschen Städten und Gemeinden 1929, als sie sich wegen der Finanzknappheit in Deutschland 1924-29 ebenso wie die deutsche Industrie ihre Gelder aus den USA geholt hatten - und damit in fatale Abhängigkeit von spekulativen Finanzinteressen gerieten.

Damals floß im Rahmen des Dawes-Plans vor allem kurzfristiges privates Spekulationskapital nach Deutschland, nachdem klar war, daß Hjalmar Schacht auf Weisung eine drakonische interne Sparpolitik zur Bezahlung der Reparationen durchsetzen würde. Die Reichsbank befand sich seit 1924 de facto unter internationaler Kontrolle, war nicht mehr befugt, souverän Kredit zu schöpfen, und drosselte für das Reich ihre Geldzirkulation dramatisch. Als die Spekulationsblase dann in den USA 1929 am Schwarzen Freitag platzte, kam es zur Weltwirtschaftskrise und der Millionenarbeitslosigkeit, die den Boden für die Nazi-Machtübernahme bereitete.

Damals profitierten globalisierte synarchistische Finanzinteressen von der Zwangslage der staatlichen Körperschaften und der Industrie und setzten in Europa ihre politische Lösung zur Befriedigung ihrer Interessen durch, nämlich Faschismus, während in den USA Franklin Delano Roosevelt diesen Kreisen mit seinem New Deal einen Strich durch die Rechnung machte.

Es ist in diesem Zusammenhang durchaus erwähnenswert, daß der Ziehvater Felix Rohatyns, der französische Lazard Frères-Bankier André Meyer, der später in die USA auswanderte, vom amerikanischen Militärgeheimdienst offiziell der Nazi-Kollaboration bezichtigt wurde.

Sorgen wir also jetzt durch eine völlige Umkehr in der Wirtschaftspolitik, einen neuen New Deal mit dem Einsatz bewährter, staatlicher Kreditschöpfung zur Ankurbelung der Produktion und des staatlichen Steueraufkommens dafür, daß es nicht noch einmal zu einer solchen Finanzdiktatur kommt!"

[i]Elke Fimmen, BüSo-Bundesvorstand[/i]

 

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