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Hinter den Volkserhebungen in Nordafrika: Hungerunruhen und Hyperinflation

[i]Der folgende Hintergrundbericht stammt von Karel Vereycken, Paris. Er erschien auf der französischen Webseite [url:"http://www.solidariteetprogres.org/]Solidarite et Progres[/url] am 30. Januar 2011[/i]

[i]Le Temps[/i], eine der größten Tageszeitungen Algeriens verwies am 30.1. auf den Slogan „Brot, Freiheit und Würde" der ägyptischen Demonstranten als eine Parole, die die Menschen von den Tunesiern übernommen hätten. [i]Le Monde[/i] zufolge stieg in Ägypten, das 50% seines Getreidebedarfs durch Einfuhren deckt und somit größter Getreideimporteur der Welt ist, seit Ende letzten Jahres der Brotpreis jeden Monat um 10%. Die Gesamtinflation 2010 betrug 12,8%. Schon 2008 hatte es in Ägypten Hungerunruhen gegeben.

Ende Januar erreichte der Weltmarktpreis für Weizen, der im letzten Jahr um 100% stieg, und für Mais derartige Höhen, dass viele Länder „Panikkäufe" tätigten. Algerien z.B. kaufte noch einmal zusätzlich 600 000 Tonnen Weizen, nachdem es bereits einen Notkauf von 1 Million Tonnen Weizen getätigt hatte. Die französischen Weizenexporte nach Algerien stiegen im Januar um 30%. Marokko, auch Stammkunde Frankreichs, kaufte 900 000 Tonnen zusätzlich. Das von russischen Weizenverkäufen abhängige Ägypten wurde von Frankreich bereits mit zusätzlich 700 000 Tonnen Weizen beliefert und kaufte im vergangenen Jahr 10,2 Mio. Tonnen anstelle der üblichen 8 Mio. Tonnen. Im Januar war in [i]Le Figaro[/i] zu lesen, dass bei einem Anstieg des Ölpreises auf über 80$ pro Barrel die „Investoren" ihr Geld in Biosprit anlegten, dessen Gewinnträchtigkeit ab dieser Marke von marginal auf maßgeblich springe. Dieses Raffen von potentiellen Nahrungsmitteln für die Produktion von Biosprit leert den Tisch der Ärmsten und treibt, zusammen mit den unbegrenzten Finanzmitteln der Zentralbanken für bankrotte Banken und Spekulanten, die Preise in die Höhe.

In Ägypten, Marokko, Tunesien, Jemen und Algerien sind die Preise für Grundnahrungsmittel und Energie bis zu 40% staatlich subventioniert. In Marokko, zehntgrößter Weizenimporteur der Welt, würden sich die Preise über Nacht verdoppeln, wenn die Subventionen vollkommen abgeschafft würden. Ende Januar sagte Khalid Naciri, marokkanischer Minister für Kommunikation und Sprecher der Regierung, dass „subventionierte Preise wie die für Treibstoffe, Gas, Mehl, Zucker usw. auf den internationalen Märkten stark anziehen." Um mit der gegenwärtigen Krise umgehen zu können, wird Marokko 10% seines Haushalts, die für öffentliche Investitionen vorgesehen waren, in die Aufrechterhaltung der Subventionen für den Grundbedarf umleiten müssen.

In Algerien kostete 1 Kilo Sardinen, der preiswerteste Fisch im Land, in der letzten Januarwoche 350 Dinar. Das war sechsmal so viel wie vor einem Jahr. Morad Benachenou, in den 90er Jahren Wirtschaftsminister Algeriens, veröffentlichte am 7.Januar in der Tageszeitung  Le [i]Quotidien d'Oran[/i] einen Artikel mit der Überschrift „Schluss mit dem Teufelskreis von Inflation und Aufständen". Darin schreibt er, dass seit 2001 die Inflation in Algerien anschwoll und die Bevölkerung sich sehr ruhig verhielt. Heute jedoch stünden die Dinge auf der Kippe, da „die negativen Auswirkungen der Inflation untragbar geworden sind und nicht länger mehr akzeptiert werden oder akzeptierbar sind, welche Repressionsmaßnahmen auch immer von den öffentlichen Autoritäten ergriffen oder in Betracht gezogen werden. Der 'auslösende' Grund für kollektive Reaktionen ist dabei nicht wichtig, da das Übel Schritt für Schritt die algerische Gesellschaft, den Geist und den Körper des Volkes infiltrierte, bis der Punkt erreicht war, dass die einzig vorstellbare Lösung für sie war, auf die Straße zu gehen und zu demonstrieren, dass sie genug haben."

François Heisbourg von der Französischen Stiftung für Strategische Forschung erklärte, dass sich die Menschen zwischen dem „Konsensus von Washington"[britischer Freihandel nach IWF-Muster und Privatisierungen] und dem „Konsensus von Peking"[Wirtschaftswachstum, das Millionen die Armut überwinden lässt] sehen. „Die Menschen der arabischen Welt vergleichen sich nicht mehr mit denjenigen, die in den ehemaligen Kolonialmächten leben, sondern mit den Nationen, die sich wirtschaftlich entwickelten und in denen Millionen Nutzen aus ihrer Entwicklung zogen. [In der arabischen Welt] lautet die Frage: Warum sind wir das nicht?"

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