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Europäische Ärztekammern protestieren gegen Totsparpolitik der Troika

Die Ärztekammern von Portugal, Griechenland, Spanien und Irland veröffentlichten Mitte Januar einen „Offenen Brief an die politische Führung und Gesundheitsbehörden Europas“. Darin beklagen sie die verheerenden Auswirkungen der von der „Troika“ aus EU, EZB und IWF erzwungenen Austerität für Leben und Gesundheit der Menschen in ihren Ländern. Sie fordern, bei der Gestaltung der Finanzpolitik die Folgen für die Gesundheit der Bevölkerung und das öffentliche Gesundheitswesen angemessen zu berücksichtigen. Der Brief ist von den Präsidenten der vier Organisationen und weiteren renommierten Medizinern und Fachleuten unterzeichnet und wurde am 15. Januar in Lissabon von der portugiesischen Ärztekammer der Öffentlichkeit vorgestellt.

Ein solcher Aufruf etablierter Ärzteorganisationen aus vier Nationen ist ein beispielloser Schritt, auch wenn die Formulierungen angesichts einer Politik, die zum Massenmord führt, noch sehr höflich sind. Derartige Appelle an die Moral sind sicherlich sinnvoll, reichen aber in dieser Krise nicht aus. Nur wenn die Regierungen durch ein striktes Trennbankensystem die Spekulanten ruinieren, kann die Bevölkerung geschützt werden.

Griechenland ist das schlimmste, aber längst nicht das einzige Beispiel für die Haltung der Troika, daß wir uns ein funktionierendes öffentliches Gesundheitswesen „nicht mehr leisten“ könnten. So verkündete das portugiesische Gesundheitsministerium im vergangenen Herbst auf Druck der Troika, Medikamente gegen HIV, Krebs und bestimmte Rheumamittel zu rationieren, weil diese „in einer Weltfinanzkrise“ zu teuer seien. Inzwischen hat der IWF der Regierung neue Empfehlungen übermittelt, um im Haushalt weitere 4 Mrd. Euro einzusparen. Portugiesischen Medien zufolge schlägt der IWF vor, daß das Land trotz einer offiziellen Arbeitslosigkeit von über 16% den Krankenkassenbeitrag erhöht und Befreiungen davon, etwa für Schwangere und Kinder, abschafft, 10-20% der Staatsbediensteten entläßt und die Renten um 10% kürzt.

Offensichtlich will der IWF nichts daraus lernen, daß sein eigener Chefökonom Olivier Blanchard kürzlich zugegeben hat, daß die Kürzungspolitik schädlich ist und vom IWF selbst völlig falsch eingeschätzt wurde

In dem Offenen Brief der Ärzte wird gleich zu Anfang betont, es sei „inakzeptabel“, daß „bei Entscheidungen von bedeutender Tragweite für die Wirtschaft und die Sozialsysteme..., besonders den von der EU, der EZB, dem IWF und nationalen Regierungen in den letzten zwei Jahren getroffenen Entscheidungen, die Folgen für die nationalen Gesundheitssysteme nicht angemessen berücksichtigt werden“.

Weiter heißt es:
„Es ist wohlbekannt, daß soziale und wirtschaftliche Krisen des Ausmaßes, das jetzt in vielen europäischen Ländern erlebt wird, Folgen für die Gesundheit haben:
* Verlust der Selbstachtung, Depression und Selbstmord;
* erhöhte Anfälligkeit für übertragbare Krankheiten;
* stärkere Neigung zu riskantem Verhalten, sowohl in Bezug auf Suchtabhängigkeit als auch in Hinsicht auf Risikofaktoren bei chronischen Leiden...;
Öffentlichen Gesundheitseinrichtungen werden die notwendigen Mittel für angemessene Behandlung vorenthalten, obwohl der Bedarf an Krankenversorgung zunimmt;
Das geschieht heute: verbreitetes, tiefes menschliches Leid und immer mehr Situationen, die gegen die grundlegendste ethische Vorstellung der Menschenwürde verstoßen;
Die Verschlechterung der Gesundheitsversorgung wird - zusammen mit Auswanderung der qualifiziertesten jungen Menschen, langfristiger Arbeitslosigkeit und sinkender Geburtenrate - höchstwahrscheinlich langfristige Folgen haben, die zukünftige Generationen beeinträchtigen.“

Dann werden die folgenden Forderungen gestellt:

„Die Unterzeichner dieses Offenen Briefes fordern die internationalen und nationalen politischen Stellen und Gesundheitsbehörden auf:
... sicherzustellen, daß die Erkenntnis der gesundheitlichen Folgen der in letzter Zeit getroffenen finanziellen und wirtschaftlichen Entscheidungen zu einer umgehenden Revision dieser Entscheidungen führt, um eine weitere Verschlechterung der Gesundheit und der Krankenversorgung in unseren Gemeinwesen unbedingt zu verhindern.
... das außergewöhnliche Potential an Intelligenz, Wissen und Innovation der heutigen Gesellschaften zu mobilisieren und auf das Gemeinwohl auszurichten, statt die Fähigkeit des Gesundheitswesens zu untergraben, sich zu entfalten, zu verändern, seine Funktion besser zu erfüllen, bürgernäher zu werden und auf aktuelle und zukünftige Herausforderungen zu reagieren.“

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