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NSA-Untersuchungsausschuß: Oberflächliches Geplänkel oder wirkliche Aufarbeitung

Nach mehrmonatiger Verzögerung (weil die Regierung Merkel eine öffentliche Debatte möglichst vermeiden und vor allem eine direkte Befragung Edgar Snowdens verhindern wollte) begann am 3. Juli der Untersuchungsausschuß des Deutschen Bundestages zum NSA-Skandal in Berlin mit seinen Anhörungen. Die ersten Aussagen machten der frühere technische Direktor des elektronischen US-Nachrichtendienstes, William Binney, sowie ein weiter ehemaliger hochrangiger NSA-Beamter, Thomas Drake.

Drake nannte die Behauptung des deutschen Auslandsnachrichtendienstes BND, nichts von der NSA-Spionage in Deutschland gewußt zu haben, „mehr als unglaubwürdig“. Damit wolle man nur den Menschen „verschlüsselten Sand in die Augen streuen“, um die geheime Zusammenarbeit zwischen den beiden Diensten zu verschleiern. Die Dienste umgingen die gesetzlichen Beschränkungen der Überwachung deutscher Staatsbürger, indem sie Nichtdeutsche damit beauftragen, das sei inzwischen mehr oder weniger Routine. „Die schwachen Kontrollen in Deutschland sind eine Zeitbombe“, sagte er. „Man sollte nicht warten, bis ein Edward Snowden den Schleier wegzieht.“ Als Reaktion auf Drakes Äußerungen kündigte der Ausschußvorsitzende Kiesewetter an, der Ausschuß werde im September auch die Rolle des BND untersuchen. Als pikanter Nebenaspekt könnte dabei die Rolle des gerade am Tage vor den Anhörungen verhafteten US-Spions im BND auf die Tagesordnung kommen.

Damit stellt sich die Frage nach der Art der Zusammenarbeit zwischen dem BND - die beiden US-Zeugen nannten ihn den „Wurmfortsatz“ der NSA - und den sogenannten „Fünf Augen“ (Five Eyes), d.h. der globalen Kooperation zwischen den Diensten in den USA, Großbritannien, Kanada, Australien und Neuseeland. Ihr Abkommen ermöglicht es, jenseits jeder parlamentarischen Kontrolle gemeinsam die Bürger und Institutionen dieser Länder intensiv auszuspionieren und die Daten auszutauschen.

Binney erklärte vor dem Ausschuß, er habe die NSA 2001 verlassen, weil die Regierung Bush - angeblich als Reaktion auf die Angriffe des 11. September - sämtliche Beschränkungen beim Ausspionieren von US-Bürgern aufgehoben hatte. Die USA hätten sich in die Richtung entwickelt, die ihre Gründerväter gerade verhindern wollten, nämlich in einen oligarchischen Staat, der Daten über seine Bürger sammelt und gegen sie verwendet. Das verstoße gegen die Verfassung. Binney lobte Snowdens Mut und betonte, dessen Dokumente seien alle authentisch.

Die mehr als verständliche breite Empörung (nicht nur in Deutschland) über die Abhörpraktiken der NSA ist durch den Fall des erwähnten US-Spions beim BND noch gesteigert worden, zumal er, wie berichtet wurde, wohl auch die Arbeit des NSA-Ausschusses im Bundestag für die Amerikaner ausgeforscht hat. Der Skandal schlug hohe Wellen bis nach China, wo die Bundeskanzlerin zum Wochenbeginn zu Besuch war und sich genötigt sah, diese erneute Belastung des deutsch-amerikanischen Verhältnisses durch die US-Dienste als nicht hinnehmbar zu kritisieren. In Berlin mußte der amerikanische Botschafter sogar in Auswärtigen Amt vorsprechen, um den offiziellen Protest der Bundesregierung entgegen zu nehmen, und wegen eines weiteren Falls von US-Spionage über einen Mitarbeiter des Bundesverteidigungsministeriums, der wenige Tage darauf aufgedeckt wurde, wurde der Botschafter erneut ins Auswärtige Amt einbestellt. Das hat es bisher im diplomatischen Umgang zwischen den USA und Deutschland nicht gegeben – frühere Spionageaffären, an die der langjährige Koordinator für deutsch-amerikanische Beziehungen Karsten Voigt in einem Radio-Interview erinnerte, wurden gewöhnlich in aller Stille abgewickelt. Allein das zeigt schon, daß reichlich Porzellan zwischen Washington und Berlin zerschlagen ist, und in der Bundeshauptstadt war jetzt sogar zu hören, man überlege, die Amerikaner zum neuen Ziel für deutsche Spionage zu erklären. Innenminister de Maiziere hat intern gefordert, Deutschland müsse in der aufklärungsdienstlichen Arbeit einen „360-Grad-Blick“ entwickeln – also auch die USA ausspionieren. Man kann hier übrigens daran erinnern, daß vor einem Jahr, als die ersten Enthüllungen Snowdens über NSA-Aktionen in Deutschland in die Medien gelangten, der BND einen Hubschrauber über dem amerikanischen Konsulat in Frankfurt kreisen und Fotos machen ließ, um die auf dem umfangreichen Gebäudekomplex installierten Antennenanlagen genauer unter die Lupe zu nehmen. Den Amerikanern gefiel das damals natürlich gar nicht.

Bei den Debatten in Deutschland fällt allerdings der starke anti-amerikanische Aspekt auf, obwohl die Spionagetätigkeit des englischen GCHQ in und gegen Deutschland nach Angaben von Experten vermutlich noch intensiver als die der amerikanischen CIA und NSA sein soll. Auch sollen die Briten verschiedentlich eingesprungen sein, als die USA einige ihrer Aktionen auf deutschem Boden in den vergangenen Monaten mit Blick auf die negativen Schlagzeilen eingestellt haben. Es wird nur erneut deutlich, wie wenig Respekt die „Freunde“ der Bundesrepublik im Westen vor der deutschen Souveränität haben – eine Haltung, die man offenbar auch trotz der starken offiziellen Proteste von deutscher Seite nicht ändern will. Die allererste Schlußfolgerung hieraus für Berlin sollte sein, endlich technisch durchaus mögliche Schritte zum Schutz deutscher Telephone und Internetgeräte vor dem Abzapfen durch ausländische Dienste in die Wege zu leiten. Außerdem ist es dringlich, den Kontakt zwischen BND und ausländischen Diensten unter schärfere Kontrolle zu stellen.

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