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Bisherige Vorschläge zur Flüchtlingskrise - barbarisch und undurchführbar!

von Alexander Hartmann

Im Vorfeld des Sondertreffens mit mehreren europäischen Regierungschefs, das von Bundeskanzlerin Angela Merkel für den 24. Juni angeregt wurde, um eine „europäische Lösung für die Flüchtlingskrise“ zu finden, kritisierte die Gründerin und Vorsitzende des Schiller-Instituts, Helga Zepp-LaRouche, nachdrücklich die bisher vorgeschlagenen Ansätze, über die bei diesem Treffen diskutiert werden soll. In ihrem internationalen, englischsprachigen Internetforum vom 21. Juni1 sagte sie: „Das, was von der Europäischen Union und von verschiedenen Fraktionen in der deutschen Regierung vorgeschlagen wird – alle diese Vorschläge sind vollkommen undurchführbar, und sie sind brutal.“

Die Idee, Lager außerhalb der Grenzen der Europäischen Union in nordafrikanischen Ländern anzulegen, um die Flüchtlinge abzufangen und davon abzuschrecken, nach Europa zu kommen, sei barbarisch. „Alle diese Leute, die sich so sehr über Trump ereifern, er reiße Babies von der Mütter Brust – das sind die gleichen Leute, die keinerlei Probleme damit haben, Lager für Länder vorzuschlagen, in denen es keine klare Kontrolle der Regierung gibt, und es gibt viele Berichte darüber, daß die Menschen in diesen Lagern versklavt, verkauft, vergewaltigt und gefoltert werden; es sind absolut schreckliche Zustände. Und damit tut man auch nichts gegen die eigentliche Ursache, warum die Menschen nach Europa kommen, nämlich, daß die Zustände in vielen Teilen Afrika so sind, daß die Menschen dort kaum leben können. Das ist also offensichtlich keine Lösung.“

Sie verwies daher nochmals auf ihr Memorandum vom 16. Juni,2 in dem sie vorgeschlagen hatte, die Tagesordnung für den bevorstehenden EU-Gipfel zu ändern und eine einzige Frage auf die Tagesordnung zu setzen, nämlich eine wirkliche Entwicklung Afrikas. „Ladet Präsident Xi Jinping ein, denn er hat in Afrika eine enorme Glaubwürdigkeit, weil er dort in Eisenbahnen und Industrieparks, in Wasserkraft und viele, viele andere Projekte investiert hat, und ladet einige afrikanische Staatsoberhäupter ein, die durch die Kooperation mit China in diesen Projekten bereits großartige Resultate erreicht haben. Wenn die europäischen Führungen, Xi Jinping und ein halbes Dutzend maßgebliche Afrikaner, die für den Kontinent sprechen, gemeinsam ein Crash-Programm zur Infrastrukturentwicklung Afrikas ankündigen würden, dann wäre dies nicht nur glaubwürdig aufgrund der Beteiligung Xi Jinpings, es wäre auch ein Signal an alle diese Regierungen und alle die jungen Menschen in Afrika, daß es eine großartige Gelegenheit geben wird, beim Aufbau ihrer eigenen Länder mitzuarbeiten, sodaß sie sich nicht mehr gezwungen fühlen, durch die Sahara zu reisen, nur um dort zu verdursten oder im Mittelmeer zu ertrinken oder von den Frontex- Grenzschutztruppen aufgegriffen zu werden, um sie in etwas zu stecken, was sogar der Papst als Konzentrationslager bezeichnet hat.“

Es sei zwar nicht sehr wahrscheinlich, daß die EU das tun werde, denn „die sind nun einmal so, wie sie sind“, aber „das ist absolut die richtige Idee. Und wenn der EU-Gipfel diese Gelegenheit verpaßt, dann kann man jederzeit ein solches Gipfeltreffen veranstalten, im Juli oder August, oder man kann sogar die UN-Vollversammlung im September nehmen und diese Frage zum einzigen Punkt auf der Tagesordnung machen.“

Es sei äußerst unwahrscheinlich, daß Angela Merkel ihr Ziel einer „europäischen Lösung“ für die Flüchtlingskrise erreichen werde. „Selbst die Mainstream-Medien machen sich darüber lustig, daß die Chancen äußerst gering sind, daß Merkel eine solche europäische Lösung zustandebringt, angesichts der Tatsache, daß sich mindestens acht Länder konsequent weigern, irgendwelche Flüchtlinge aufzunehmen, und sich weigern, eine Quote zu akzeptieren.“

Als Beispiel zitierte sie die Wochenzeitung Die Zeit, die auf die Ironie hingewiesen hatte, daß Merkel bei dem kommenden EU-Gipfel insbesondere die Unterstützung Griechenlands und Italiens brauchen wird: „Ausgerechnet Italien und Griechenland sollen Angela Merkel aus der Patsche helfen – zwei Länder, in denen sich die Sympathien für die Kanzlerin, zurückhaltend formuliert, in Grenzen halten. Zu hart, zu unnachgiebig, zu wenig solidarisch waren die Deutschen ihnen in der Euro-Krise begegnet, so jedenfalls hatte es eine Mehrheit der Italiener und der Griechen empfunden. Und nun braucht Merkel ebendiese beiden Länder, um ihre Kanzlerschaft zu retten – was für eine Pointe! Und was für eine Gelegenheit – für die Italiener und die Griechen.“3

Im weiteren Verlauf ihres Forums kam Helga Zepp-LaRouche auf die Rolle Italiens in der gegenwärtigen Lage zurück und sagte: „Die Italiener haben offensichtlich gelernt aus dem, was mit Griechenland geschah. Denn als die Regierung Tsipras gewählt wurde, ging sie nach Brüssel und versuchte, die ganzen Abläufe dort zu revolutionieren, und sie wurden abgeschmettert. Sie wurden von einer Kombination der EU, der europäischen Regierungen und der Europäischen Zentralbank zerschmettert, und ich denke, die Italiener werden vorsichtiger vorgehen. Ich glaube nicht, daß sich etwas ähnliches abspielen wird wie im Falle Griechenlands.“

Denn Italien sei nicht Griechenland. „Italien ist die drittgrößte Volkswirtschaft in Europa, und es gibt auch alle diese anderen Regierungen, die eine andere Richtung wollen, wie Spanien, Portugal, die Balkanstaaten, die ost- und mitteleuropäischen Länder, Österreich, die Schweiz sie alle sind auf einem anderen Kurs. Ich denke nicht, daß die Politik von Macron und Merkel, einen Haushalt für die Eurozone einzuführen, eine Mehrheit finden wird. Markus Söder, der neue Ministerpräsident der bayrischen Landesregierung, hat bereits gesagt, daß er diese Idee vollkommen ablehnt – das bedeute nur, daß man noch mehr bezahlen müsse, wenn man einen weiteren Haushalt einführe, von dem Deutschland offensichtlich einen großen Teil bezahlen müßte.“

Es könne sein, daß Merkel „was immer sie erreicht, als eine europäische Lösung anpreisen wird“, und aller Wahrscheinlichkeit nach werde es auch „bilaterale Deals geben, mit dieser schrecklichen Idee, Lager außerhalb der EU anzulegen“. Aber wenn keine Vereinbarung erreicht werde, sei es möglich, daß Seehofer am Ende des zweiwöchigen Ultimatums in seiner Eigenschaft als Innenminister einseitig Grenzkontrollen einführt, was in dem Fall eine Insubordination gegenüber dem Kanzleramt wäre. „Wenn Merkel davor kapituliert, dann ist es mit ihrer Macht vorbei – und wenn sie es nicht tut, dann bleibt ihr nur die Möglichkeit, Seehofer hinauszuwerfen, der dann die ganze CSU aus der Koalition herausnehmen könnte. Und es gibt bereits Umfragen, daß die CSU bei einer Wahl 18% der Stimmen in Deutschland erhalten würde, wenn sie über Bayern hinaus expandieren würde, um eine bundesweite Partei zu werden.“ Aber all das könne nicht funktionieren. „Egal, welche Kombination man anschaut – die könnten die Grünen in die Regierung aufnehmen oder die FDP, aber wenn sie an dieser Politik festhalten, dann wird das die Krise nur verlängern und gar nichts lösen.“

Statt dessen müsse man sich mit der Tatsache auseinandersetzen, „daß der Westen offensichtlich auseinanderbricht“. In diesem Zusammenhang verwies sie auf einen Kommentar der liberalen österreichischen Zeitung Der Standard vom 18. Juni mit dem Titel „Der Westen hat seine Chance gehabt“.4 Darin schreibt der Autor, Ortwin Rosner:

„Nach dem Mauerfall 1989 und der Auflösung der Sowjetunion 1991 hatte der Westen selbst alle Karten in der Hand. Die USA waren als einzige Supermacht übergeblieben. Der Westen hatte damit alle Chancen auf dem Planeten Erde. Und er verspielte sie in den folgenden Jahren nach und nach alle...

Die Kriege, Konflikte und Desaster, wie wir sie zur Zeit überall auf der Welt erleben und die den Westen in Bedrängnis bringen, sind ein langgezogenes Echo auf die Politik, wie sie in den Jahren nach dem Zusammenbruch der Sowjetunion vom Westen selbst vorangetrieben wurde. Es stellt die Konsequenz einer Politik dar, die, anstatt die historische Stunde zu nutzen, um Frieden auf der Welt zu schaffen, sich in Arroganz, Hochmut und Dummheit verschanzte. Die auch nach dem Ende des Kalten Krieges weiter Krieg spielen wollte und damit die Gewaltspirale immer weiter drehte.“

Helga Zepp-LaRouche verglich das Verhalten des Westens in der nachsowjetischen Ära mit dem Märchen vom „Mann und Frau im Essigkrug“. Sie leben in einem armseligen Essigkrug, bis eines Tages ein kleiner Vogel zu ihnen kommt, der ihnen einen Wunsch freigibt. Sie wünschen sich ein schönes, großes Bauernhaus mit vielen Äckern, dann wünschen sie sich ein Schloß, dann wollen sie König und Kaiser sein und schließlich sogar Gott. „Und da verschwindet alles, und sie sind wieder in ihrem alten Essigkrug. Die Moral von der Geschichte ist, daß der Westen nach dem Ende der Sowjetunion die Chance hatte, die Welt wirklich zum besseren zu ändern. Aber mit ihrer grenzenlosen Gier und ihrem grenzenlosen Streben nach Macht haben sie alles verpfuscht.“

Deshalb sollte der Westen wirklich darüber nachdenken, „was mit dem neoliberalen, linksliberalen, neokonservativen, geopolitischen Modell falsch läuft. Und warum ist das asiatische Modell für so viele Länder attraktiver, und warum sorgt es sich viel mehr um das Gemeinwohl der Menschen?“ Hier lägen die Gründe für Chinas Aufstieg, und dafür, daß die Gürtel- und Straßen-Initiative das mit Abstand größte Infrastrukturprojekt der Geschichte ist. „Wir müssen einige nachdenkende Menschen im Westen finden, die bereit sind, in eine Debatte einzutreten, einen Diskurs darüber, was notwendig ist, um die gegenwärtige Politik zu korrigieren. Es wird viel zu wenig darüber nachgedacht, was da abläuft. Wenn die Menschen nur darauf bestehen, den Status quo des neoliberalen Establishments zu erhalten, dann wird der Westen vor die Wand fahren.“


Anmerkungen

1. Siehe http://newparadigm.schillerinstitute.com/schiller-institute-weekly-webcast/

2. „Geschichte wird jetzt in Asien geschrieben: EU-Gipfel muß dem Beispiel
von Singapur folgen!“, Neue Solidarität 25/2018, https://solidaritaet.com/neuesol/2018/25/hzl.htm

3. „Neue Formel gesucht“, Die Zeit, 20.6. 2018, siehe https://www.zeit.de/2018/26/fluechtlingsverteilung-europa-angela-merkel-italien-griechenland-asylstreit

4. Siehe „Der Westen hat seine Chance gehabt”, Der Standard, 18.6.
2018, https://derstandard.at/2000081608243/Der-Westen-hat-seine-Chance-gehabt

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