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Angst vor einer „post-westlichen“ Weltordnung: Die transatlantischen Eliten verfallen in Panik

[b]Von Alexander Hartmann[/b]

„Post-Truth, Post-West, Post-Order?” – auf Deutsch in etwa: „Was kommt nach der Wahrheit, dem Westen und der Ordnung?“ – lautet der Titel eines neuen Berichts der Stiftung Münchner Sicherheitskonferenz, der unmittelbar vor der diesjährigen Konferenz (17.-19. Februar) in München als „Diskussionsimpuls“ vorgelegt wurde, und dieser Titel bringt die panische Angst der bisherigen westlichen Eliten vor der Zukunft – vor einer Weltordnung, die nicht mehr vom „Westen“ und seinen „Wahrheiten“ beherrscht ist – tatsächlich auf den Punkt. „Wir könnten vor einem post-westlichen Zeitalter stehen, in dem nicht-westliche Akteure die internationalen Angelegenheiten gestalten, oft parallel oder sogar zum Schaden genau jener multilateralen Rahmen, die seit 1945 das Fundament der liberalen internationalen Ordnung bildeten“, sagte der Vorsitzende der Konferenz, Wolfgang Ischinger, bei der Vorstellung des Berichtes.

Dabei entbehrt es nicht der Ironie, daß eine der liebsten rhetorischen Fragen der westlichen Liberalen nun eben die nach der Wahrheit ist. „Was ist Wahrheit?“ fragte zynisch schon Pontius Pilatus, und Hannah Ahrendt, die Säulenheilige der „68er“, jubelte gar darüber, daß es gar keine Wahrheit gebe. Und genau daran haben sich die Führer der nun so herzlich betrauerten westlichen Weltordnung in der Vergangenheit schon oft gehalten, wie die späten Enthüllungen über die tatsächlich gar nicht existierenden Massenvernichtungswaffen Saddam Husseins und über die lange vertuschte Rolle Saudi-Arabiens im internationalen Terrorismus gezeigt haben, und sie tun es immer noch, wie die fadenscheinigen Behauptungen über angebliche Eingriffe der russischen Regierung in den amerikanischen Präsidentschaftswahlkampf zeigen.

Ebenso relativ ist offensichtlich auch der Begriff „Ordnung“ zu verstehen. Wenn tatsächlich Ordnung das Ziel der westlichen Politik gewesen ist, warum muß sich dann die Sicherheitskonferenz so intensiv mit dem Chaos auseinandersetzen, das durch die westlichen Militärinterventionen und vom Westen gesteuerten „Farbenrevolutionen“ in Somalia, im Irak, in Libyen, in der Ukraine, im Jemen und vielen anderen Ländern geschaffen wurde und sich von dort aus immer weiter ausbreitet?

Oder meint Ischinger nur jene liberale „Marktordnung“, die im Grunde gar keine ist, weil ja das von den Liberalen gepredigte Ziel gerade der möglichst ungeregelte und ungeordnete Freihandel für alle ist – jedenfalls für alle, die nicht durch Sanktionen oder vorgebliche „Freihandelsabkommen“ wie die gegen China gerichtete Transpazifische Partnerschaft (TPP) von eben diesen Märkten vertrieben und ferngehalten werden?

Oder ist jene Gesellschaftsordnung gemeint, in der nach alter feudaler Art eine schön geordnete und beständige Schichtung zwischen „denen da oben“ und „denen da unten“ besteht – durchlässig eher für jene, die von oben absteigen, als für jene, die von unten aufzusteigen versuchen – und in der, wie in praktisch allen Ländern der transatlantischen Welt, die breite Masse immer ärmer und eine Handvoll Reiche immer reicher wird?

Tatsächlich ist eine so ungerechte Weltordnung wie die der transatlantischen Welt gegen ihre Opfer nur mit Gewalt oder durch die Drohung mit Gewalt durchzusetzen und auf Dauer aufrechterhalten. Das ist den Herren dieser Weltordnung in den Jahrzehnten seit dem Mord an Präsident John F. Kennedy auch gelungen, solange die Vereinigten Staaten dieser Weltordnung als Polizist dienten – sehr zur Freude der britischen Elite, in der das hämische Wort vom „British brain and American brawn“ die Runde machte, womit gemeint war: Die Richtung der Politik bestimmen wir in der Londoner City, und Washington ist unser Büttel.

Genau deshalb ist die sich in Washington mit dem Antritt der neuen Regierung Trump andeutende Änderung so fatal für das transatlantische Empire: Ohne den amerikanischen Muskel, der die übrige Welt zwingt, sich zu unterwerfen, muß das britische Gehirn des Empire auch seine letzten Hoffnungen begraben, der Welt auch weiterhin seine Ordnung aufzwingen zu können.

Tatsächlich gehen schon jetzt wesentliche Impulse zur Schaffung einer neuen Weltordnung von „nicht-westlichen“ Akteuren aus – insbesondere von Rußland und China, und das ist auch gut so. Mit ihren neuen Finanzinstituten wie der Neuen Entwicklungsbank der BRICS-Staaten oder der Asiatischen Infrastruktur-Investitionsbank (AIIB) wirken sie tatsächlich parallel zu den vom Westen beherrschten Einrichtungen wie der Weltbank und dem Weltwährungsfonds, die dazu benutzt wurden, den unterentwickelten Ländern eine Politik der Nichtentwicklung aufzuzwingen, und eröffnen dadurch ganzen Kontinenten – Afrika, Asien, Lateinamerika – den Aufbruch ins 21. Jahrhundert. Sogar dem Westen selbst eröffnet dies die Möglichkeit, aus der wirtschaftlichen Sackgasse, in die uns die westliche Politik geführt hat, wieder herauszufinden, indem er sich dem neuen Paradigma der Zusammenarbeit zum beiderseitigen Vorteil („Win-Win“) in einer „Schicksalsgemeinschaft für die gemeinsame Zukunft der Menschheit“, wie es Chinas Präsident Xi nennt, anschließt. [url:"http://www.solidaritaet.com/neuesol/2017/8/leitartikel.htm"]weiterlesen[/url]