Alexander Hartmann hielt am 21. September 2024 bei einer Anti-NATO-Kundgebung in Frankfurt die folgende Rede.
Liebe Freunde, ich möchte meinen Vortrag unter das Motto stellen: Sind die noch bei Trost? Denn diese Frage muß sich jeder unvoreingenommene Beobachter stellen, wenn man die Politik des Westens betrachtet.
Das fängt mit unserer eigenen Bundesregierung an. Unser Verteidigungsminister Pistorius geht überall hausieren mit der Forderung, Deutschland müsse sich „kriegsbereit“ machen und bis 2029 so aufstellen, daß wir in einem Krieg gegen Rußland bestehen können. Nun, logischerweise wäre das nicht notwendig, wenn wir bereits jetzt kriegsbereit wären. Wir sind es aber nicht, und wir werden es auch auf Jahre hinaus nicht sein. Und das ist unserer Regierung offenbar sehr bewußt. Es gibt sogar namhafte Experten, die darauf hingewiesen haben, daß ein dichtbesiedeltes Land wie Deutschland gar nicht kriegsbereit gemacht werden kann.
Das wirft jedoch die Frage auf: Warum unterstützen sie dann eine Politik, die uns schon in den kommenden Monaten oder gar den nächsten Wochen in einen Konflikt gegen Rußland zu verwickeln droht, wenn wir noch gar nicht auf einen solchen Krieg vorbereitet sind? Wollen sie ihn unbedingt verlieren? Sind die noch bei Trost?
Nun, innerhalb der Bundesregierung gibt es schon noch gewisse Abstufungen des Wahnsinns. Es scheint, als ob unser Herr Bundeskanzler irgendwo spürt, daß der jetzige Kurs nicht ganz ungefährlich ist. Deshalb hat er sich jüngst dafür eingesetzt, daß die Ukraine mit Rußland über eine Lösung für den Konflikt verhandeln sollte. Und er will offenbar auch keine Taurus-Raketen an die Ukraine liefern, damit Deutschland nicht offiziell als Kriegspartei in Erscheinung tritt.
Andererseits hält Bundeskanzler Scholz es für vollkommen in Ordnung, daß die US-Regierung - offenbar über unsere Köpfe hinweg - einfach beschließt, in Deutschland gegen Rußland gerichtete Mittelstreckenraketen zu stationieren, die uns im Fall eines Konfliktes mit Rußland unvermeidlich zum Ziel russischer Gegenangriffe machen würden.
Dazu muß man wissen: Diese Raketen ähneln den Pershing-II-Raketen, gegen die Anfang der 1980er Jahre in Deutschland große Massendemonstrationen stattfanden, weil man damals noch begriffen hat: In einem Atomkrieg würde von Deutschland nicht viel übrigbleiben. Nicht zuletzt deshalb, weil - wie etliche, die dabei waren, berichtet haben - die US-Kommandeure bei den zahlreichen Stabsmanövern, in denen ein Nuklearkrieg „geübt“ wurde, keine Hemmungen zeigten, auch von ihrer Seite Nuklearwaffen gegen Ziele in Deutschland einzusetzen, gegen eingedrungene feindliche Truppen.
In den 1980er Jahren war der Beschluß, die Pershing-II-Raketen zu stationieren, verbunden mit einem Angebot an die Sowjetunion, auf die Pershing-II zu verzichten, wenn die Sowjetunion ihrerseits auf die Stationierung ihrer SS-20-Raketen verzichtet. Darüber wurde dann tatsächlich verhandelt, und 1987 trat der INF-Vertrag, in dem beide Seiten auf die Stationierung derartiger Waffen verzichteten, in Kraft.
Der Protest gegen diese Raketenstationierung gilt als die Geburtsstunde der „grünen“ Bewegung. Die NATO-Olivgrünen von heute scheinen aber keine Vorbehalte gegen die Nuklearraketen zu haben, sie haben sich von ihren Wurzeln inzwischen radikal abgenabelt und sind jetzt begeisterte Unterstützer der NATO-Politik. Aber auch die anderen „etablierten“ Parteien sind nicht besser. Die Kriegsbegeisterung von Frau Strack-Zimmermann von der FDP erinnert fatal an die Figur des Dr. Seltsam in dem Film „Wie ich lernte, die Bombe zu lieben“. Auch die CDU unter Friedrich Merz ist klar auf NATO-Linie. Sind die noch bei Trost?
In den letzten Jahren haben die USA alle Rüstungsbegrenzungsabkommen mit Rußland gekündigt, und die USA und Großbritannien lehnen es rundheraus ab, darüber zu verhandeln, es gibt faktisch gar keine Kontakte mehr zwischen Moskau und Washington. Nun hat die US-Regierung ihre Strategie darauf ausgerichtet, im Fall eines Konfliktes die Nuklearwaffen Rußlands und Chinas und Nordkoreas durch präventive Überraschungsangriffe auszuschalten. Als Reaktion darauf hat Rußland angekündigt, seine eigene Nukleardoktrin zu überarbeiten, die Rußland den Einsatz von Atomwaffen bisher nur dann gestattet, wenn das Land mit Nuklearwaffen angegriffen wird oder Rußlands Existenz auf dem Spiel steht.
Unter solchen Umständen werden die Nukleartruppen auf beiden Seiten nicht mit dem „Gewehr bei Fuß“ bereitstehen, sondern mit dem „Gewehr im Anschlag“. Im Fall eines Raketenangriffs der anderen Seite bliebe keine Zeit mehr für eine Prüfung, ob die Meldung korrekt oder ein Irrtum ist, bevor zu entscheiden ist, ob man seinerseits mit einem Zweitschlag antwortet. Sind die noch bei Trost?
Aber die größte Gefahr kommt nicht erst in zwei Jahren, wenn die neuen US-Raketen in Deutschland stationiert werden sollen. Die Gefahr ist schon jetzt da, und sie wird mindestens bis zur Präsidentschaftswahl in den USA und bis zum Antritt des nächsten Präsidenten weiterbestehen. Denn es wird nicht nur über Mittelstreckenraketen in Deutschland geredet, sondern auch über amerikanische und britische Langstreckenraketen, die bereits an die Ukraine geliefert wurden, die aber bisher nicht gegen Ziele tief im Innern von Rußland eingesetzt werden. Nun fordern das US-Außenministerium, die britische Regierung und das Europa-Parlament, daß diese Langstreckenraketen jetzt gegen Rußland eingesetzt werden, was von Rußland als Kriegserklärung der NATO verstanden würde. Sind die noch bei Trost?
Der bekannte Antikriegsaktivist und ehemalige UN-Waffeninspekteur Scott Ritter erklärte beim jüngsten Treffen der Internationalen Friedenskoalition zu dieser Debatte: „Wer sich jetzt nicht zu Tode erschreckt, der ist Teil des Problems.“ Er fuhr fort:
„Letzte Woche wäre es beinahe zu einem Atomkrieg gekommen, als der derzeitige Frontmann des britischen Empire, Keir Starmer, am 13. September in Washington Präsident Biden traf und eine Liste mit Zielen in Rußland vorlegte, die zerstört werden sollen. Wenn Biden unterschrieben hätte, dann hätte der Krieg noch in derselben Nacht begonnen“, und schon am Samstag wären vielleicht Atomwaffen eingesetzt worden. Die Russen wüßten, daß solche Langstreckenwaffen nur von der NATO gesteuert und bedient werden können, also wäre das eine Kriegserklärung der NATO an Rußland. Wir alle wären am Samstag fast gestorben!“
Ritter erklärte; „Ich habe die Sowjetunion und Rußland fast mein ganzes Leben lang studiert, Rußland blufft nicht. Sie wissen, was Krieg ist, und sie werden nicht zulassen, daß die USA und die NATO die Existenz Rußlands aufs Spiel setzen.“
Zum Glück, und das will ich Ihnen hier nicht verschweigen, gibt es nicht nur schlechte Nachrichten. Die Bürgerrechtsbewegung Solidarität, das Schiller-Institut und die Internationale Friedenskoalition sind schon lange aktiv, um den Marsch in den nuklearen Selbstmord aufzuhalten. Seit 68 Wochen warnt und mobilisiert die von Helga Zepp-LaRouche initiierte Internationale Friedenskoalition, an deren Online-Treffen inzwischen jede Woche Hunderte von Friedensaktivisten aus aller Welt teilnehmen, gegen die akute Gefahr eines Atomkrieges, der das Überleben der Menschheit bedroht.
Jetzt ist diese zentrale Frage von Atomkrieg oder Frieden, auf der Zielgeraden des Präsidentschaftswahlkampfs, endlich auch auf der Bühne der amerikanischen Politik angekommen, und es gibt namhafte Stimmen der Vernunft, die den Irrsinn der Konfrontationspolitik gegen Rußland offen ansprechen.
In einer Wahlkampfveranstaltung am 17. September in Flint (Michigan) sagte der republikanische Präsidentschaftskandidat Donald Trump: „Für mich gibt es eine große Bedrohung: Das sind Atomwaffen.
Sie sind die größte Bedrohung für die Welt, nicht nur für Michigan, sondern für die ganze Welt, und Sie werden hier wohl kaum mehr mit der Produktion von Autos beschäftigt sein, wenn das der Fall ist.“
Es war bereits das dritte Mal innerhalb einer Woche, daß Trump die Gefahr eines Atomkrieges betont. Am 10. September warnte er in seiner Fernsehdebatte mit Kamala Harris: „Rußland hat Atomwaffen, (aber) niemand denkt daran.“ Drei Tage später rief er bei einer Wahlkampfveranstaltung in Las Vegas aus: „Ihr werdet im Dritten Weltkrieg enden, ihr werdet einen nuklearen Holocaust erleben, wenn wir nicht aufpassen.“
Man sollte das nicht als Parteipolitik und Wahlkampfgerede abtun, denn nicht nur bei Trump schrillen die Alarmglocken. Am 13. September erklärte der ehemalige demokratische Kongreßabgeordnete und jetzige unabhängige Präsidentschaftskandidat Dennis Kucinich: „Die Biden-Administration, die die Ukraine als Stellvertreter benutzt, diskutiert darüber, ob sie den Dritten Weltkrieg auslösen soll, indem sie der Ukraine erlaubt, Offensivraketen einzusetzen, um tief in Rußland einzudringen... [Das würde] die Bedingungen für einen unvermeidlichen nuklearen Schlagabtausch mit Rußland schaffen... Das ist Wahnsinn! Keine Regierung, ob demokratisch oder republikanisch, hat das Recht, uns in einen Krieg zu führen, der nicht nur unser Land, sondern die ganze Welt zerstören kann.“
Ebenfalls am 13. September sprach die ehemalige demokratische Kongreßabgeordnete Tulsi Gabbard bei Trumps Wahlkampfveranstaltung in Las Vegas und warnte: „Wir sind heute näher am Rande eines Dritten Weltkrieges und eines Atomkrieges als je zuvor, und das unmittelbar wegen der Außenpolitik der Harris-Biden-Administration.“
Und der ehemalige Präsidentschaftskandidat Robert Kennedy Junior, der Neffe von Präsident John F. Kennedy, veröffentlichte am 13. September ein Kurzvideo über das gefährliche „Abrutschen in einen Atomkrieg... Die Neokonservativen drängen auf eine ,maximale Konfrontation‘ mit Rußland. Haben Sie eine Ahnung, wie gefährlich das ist? Rußland ist die größte Atommacht der Welt. Wenn Rußland in die Enge getrieben wird, wird es Atomwaffen einsetzen.“
In einem gemeinsamen Gastkommentar der Washingtoner Zeitung The Hill erinnern Trump jr. und Kennedy jr. an die weisen Worte John F. Kennedys, der 1963 sagte: „Atommächte müssen Konfrontationen vermeiden, die einen Gegner vor die Wahl stellen, entweder einen demütigenden Rückzug zu machen oder einen Atomkrieg zu führen.“
Diese Warnungen sind sehr nützlich, denn wir müssen die Menschen aufrütteln. In seinem Vortrag rief Scott Ritter die US-Bürger auf: „Unabhängig davon, ob Sie Trump unterstützen oder nicht, Sie müssen sicherstellen, daß Ihr Kandidat auf die Forderung reagiert, daß er oder sie einen Krieg ablehnt. [Die grüne Kandidatin] Jill Stein muß unter Druck gesetzt werden; Kamala Harris muß unter Druck gesetzt werden. Alle Kandidaten müssen reagieren.“
Auch hier müssen wir die Menschen aufrütteln, damit sie sich gegen den Marsch in den nuklearen Selbstmord auflehnen. Wir müssen die Politiker der etablierten Parteien zur Rede stellen und wir brauchen wieder Massenproteste wie in den 1980er Jahren, damit sie wieder zur Vernunft kommen.
Das ist es, was ich Ihnen heute sagen wollte.
Alexander Hartmann ist Landesvorsitzender der BüSo Hessen und Mitglied des Bundesvorstands.
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