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Der Ausweg aus der vertrackten Weltlage? Ein völlig neues Paradigma des Denkens!

Von Helga Zepp-LaRouche

Die Anzahl der immer komplexer werdenden und direkt oder indirekt miteinander zusammenhängenden Krisen nimmt zu: Nach der Verlagerung der US-Botschaft nach Jerusalem, dem mörderischen Vorgehen der israelischen Streitkräfte gegen die palästinensischen Demonstranten im Gazastreifen und Militärschlägen gegen Einrichtungen der Hamas droht im schlimmsten Fall ein Krieg zwischen Israel und dem Iran, der das Potential hätte, sich auszuweiten. Gleichzeitig wurde die hoffnungsvolle Perspektive auf eine friedliche Lösung der Korea-Krise vom Nationalen Sicherheitsberater der USA John Bolton mit seinem provokativen Verweis auf das Libyen-Modell als Blaupause für Nordkorea frontal torpediert. Das einseitige Aufkündigen des Nuklearabkommens mit dem Iran seitens der Trump-Administration hat natürlich einen Effekt auf Nordkorea; die potentiellen Sekundärsanktionen gegen europäischen Firmen, die im Iran tätig sind, zusätzlich zu denen, die von den Rußland-Sanktionen betroffen sind, drohen eine Eskalation der Sanktionsspirale auszulösen und das transatlantische Verhältnis weiter zu zerrütten - und über alle dem hängt das Damoklesschwert eines neuen transatlantischen Finanzkrachs, die „tickende Zeitbombe“ der Derivate, vor der nun auch Papst Franziskus in einem neuen Dokument warnt.

Im Falle der Nordkorea-Situation fällt es schwer, an ein Versehen Boltons zu glauben: Nach dem sehr erfolgreichen Gipfel zwischen den Präsidenten Nord- und Südkoreas in Panmunjom am 27. April und der gleichfalls produktiven Reise des US-Außenministers Pompeo nach Pjöngjang standen die Zeichen sehr gut für den geplanten Gipfel zwischen Präsident Trump und Präsident Kim Jung-un am 12. Juni. Boltons Behauptung, die Trump-Administration folge in ihrer Politik gegenüber Nordkorea dem Libyen-Modell, nachdem das gesamte Nuklearwaffenprogramm Kim Jung-uns das Ziel hatte, dem Schicksal Saddam Husseins und Gaddafis zu entgehen, wirkte erwartungsgemäß wie eine Handgranate.

Bolton bezog sich anscheinend auf das Abkommen von 2003, mit dem Gaddafi sein noch in den Anfängen steckendes Nuklearprogramm aufgab, während Trump sich wohl eher auf die Intervention der NATO 2011 bezog, die letztlich mit der Ermordung Gaddafis durch von den USA unterstützte Rebellen endete. Aber auch Trumps Korrektur der Aussage Boltons, das Libyen-Modell sei nur eine Option, falls Nordkorea sein Nuklearprogramm nicht aufgebe, ist ebenso wie die derzeit stattfindenden US-südkoreanischen Militärmanöver drei Wochen vor dem geplanten Gipfel - die zwar etwas in ihrem Umfang reduziert sind, aber eben dennoch stattfinden - wenig geeignet, das Vertrauen wieder herzustellen. Der Verlauf dieser Geschichte ist typisch für die Art und Weise, wie immer wieder versucht wird, Trump in die Tagesordnung des Establishments „einzuhegen“.

Ob man den USA bezüglich ihrer abgeschlossenen Verträge trauen kann, ist angesichts der einseitigen Aufkündigung des Nuklearabkommens mit dem Iran eine dieser Tage viel debattierte Frage. Erst 2017 veröffentlichte das Washingtoner National Security Archive neu freigegebene Dokumente aus der Zeit des Endes der Sowjetunion, die glasklar dokumentieren, daß damals dem sowjetischen Staatschef Gorbatschow eindeutige Zusagen gemacht wurden, die NATO „nicht einen Zentimeter nach Osten zu verlagern“, wie der damalige Außenminister James Baker es ausgedrückt hatte. Nun ist Trump anders als Baker kein Neokonservativer, sondern er hat seinen Wahlsieg gerade gegen das amerikanische Establishment gewonnen, und er hat versprochen, den aufgekündigten Iran-Deal durch einen besseren zu ersetzen. Wie aber müßte so ein Abkommen aussehen, damit es für die Lage in Südwestasien wirklich eine Lösung darstellen könnte?

Ein weiterer Aspekt dieser zusammenhängenden komplizierten Gemengelage ist die Androhung von Sanktionen gegen europäische Firmen, die im Iran investiert haben oder Handel treiben. Die EU ist nun dabei, in einer Gegenoffensive das 1996 verabschiedete „Abwehrgesetz“ zu aktivieren, ein Gesetz, das Unternehmern aus EU-Staaten verbietet, sich unilateral verhängten Sanktionen seitens der USA zu beugen. Falls ein Unternehmen sich etwa aus seinem Geschäft im Iran zurückzieht, weil es sonst in den USA belangt werden kann, wenn es gleichzeitig dort engagiert ist, müßte es dann mit juristischen Folgen seitens der EU rechnen. Ebenfalls unter gewaltigem Druck stehen deutsche und andere europäische Firmen, die als Folge der ebenfalls einseitig durch die US-Administration verhängten jüngsten Sanktionen vom 6. April gegen Rußland betroffen sind. Trump hat faktisch keinerlei Einfluß auf diese Sanktionen, sein verfassungsmäßiges Recht auf die Formulierung der amerikanischen Außenpolitik wurde ihm durch eine frühere Abstimmung im Senat genommen, die sein Vetorecht überstimmt hatte. Dies wird von den Mainstream-Medien jedoch nie mehr berichtet, sondern in der täglichen Anti-Trump-Propaganda instrumentalisiert.

Von diesen Sanktionen sind circa 60 Prozent aller in Rußland engagierten Firmen betroffen. So liefert z.B. Rusal, der Aluminiumkonzern des russischen Oligarchen Oleg Deripaska, der auf dieser Liste steht, fast 40% des Primäraluminiums, das in Europa verarbeitet wird. Innerhalb von etwa zehn Tagen stieg der Preis für Aluminium auf dem Weltmarkt um fast 30%, was für etliche Firmen ans Eingemachte geht. Rußland wiederum begann mit Gegenmaßnahmen, indem es Strafen gegen die Firmen verhängt, die amerikanische oder generell ausländische Sanktionen befolgen. Bundeswirtschaftsminister Altmeier äußerte sich äußerst kritisch bezüglich des von EU-Kommissionspräsident Juncker aktivierten „Abwehrgesetzes“, bei dem er die Gefahr sieht, daß es zu einem „Sanktionswettlauf“ führen könne. Bundeskanzlerin Merkel warnte ihrerseits vor Ilusionen, daß die betroffen Firmen finanziell entschädigt werden könnten.

Der neue US-Botschafter in Berlin, Richard Grenell, brauchte nur wenige Stunden in seinem Amt, um schon in der Manier eines imperialen Statthalters den deutschen Unternehmen anzuordnen, sich umgehend aus dem Iran zurückzuziehen. Und die Leiterin des Büros für Energieressourcen im US-Außenministerium Sandra Oudkirk stellte klar, daß die USA alles tun werden, um die Erdgaspipeline Nordstream II von Rußland nach Europa zu verhindern. Sie versprach, daß die USA ihre ganze Überzeugungskraft dafür einsetzen werden. Trotz aller zur Schau gestellten Konfrontation gegenüber Trump beeilten sich die Staatschefs der EU beim jüngsten Gipfel in Sofia in Bulgarien, den USA den beschleunigten Import von Flüssiggas aus dem Schiefer-Fracking anzubieten, was natürlich als Alternative zu den Erdgaslieferungen mit der Pipeline Nordstream II ausgebaut werden soll. Weiteres geopolitisches Thema des Sofia-EU-Gipfels: Wie man die West-Balkan-Staaten davon abhalten könnte, ihren wirtschaftlichen und politischen Vorteil in der engeren Anbindung an Rußland, China und die Türkei zu sehen.

Angesichts dieser vertrackten Lage, die hier nur in knappen Strichen skizziert werden kann, gibt es da überhaupt die Möglichkeit einer Lösung, einen Weg, der nicht notwendigerweise in einem großen Krieg des Westens gegen Rußland und China mündet? Die von geopolitischen Überlegungen getragene Position, die auf dem jüngsten EU-Gipfel in Sofia zum Ausdruck kam, es müsse unbedingt verhindert werden, daß sich die Staten des Westbalkans zu Rußland und der Türkei (und natürlich China, die Verf.) orientierten, bietet jedenfalls keinerlei Ansatz dafür.

Wie Lyndon LaRouche schon vor vielen Jahren betont hat, kann das unübersichtliche Gestrüpp diverser geopolitischer Spiele nur überwunden werden, wenn eine höhere Ebene der gemeinsamen Ziele der Menschheit etabliert wird, auf der die wichtigsten Nationen der Welt, d.h. vor allem die USA, China, Rußland und Indien, zusammenarbeiten. Deshalb ist der angekündigte Gipfel zwischen Trump und Putin der dringendste Schritt, um die zahlreichen Krisen anzugehen. Wie der chinesische Vizepremier und Staatsrat Liu He bei seinem aktuellen Besuch in Washington betonte, ist die enge persönliche Freundschaft zwischen Trump und Xi Jinping von höchster Bedeutung. Die enge strategische Partnerschaft zwischen Rußland und China und die ersten Schritte einer Neuausrichtung Indiens gegenüber China sind weitere Bausteine für die Überwindung der Geopolitik.

Der Schlüssel für die Überwindung aller hier genannten Krisen - von Nordkorea und Südwestasien bis zum drohenden Handels- und Sanktionskrieg und zu der Gefahr eines neuen Finanzkrachs - liegt in der Kooperation der europäischen Nationen und der USA mit der Neuen Seidenstraßen-Initiative Chinas. Wie der chinesische Außenminister Wang Yi soeben in einer gemeinsamen Pressekonferenz mit seinem französischen Kollegen Le Drian betonte, hat das Handelsvolumen dieser Initiative in den knapp fünf Jahren seit ihrem Beginn vier Billionen Dollar überschritten. „Angesichts der internationalen Situation, die von Unsicherheit gekennzeichnet ist, bietet die Wirtschaftsgürtel-Initiative einen neuen Weg für die gemeinsame Entwicklung und den Wohlstand, und hat eine enorme Dynamik und Erfolgsaussichten bewiesen“, unterstrich Wang Yi.

Die Idee der Neuen Seidenstraße ist bewußt daraufhin ausgelegt, die geopolitischen Rivalitäten zu überwinden und durch die Kooperation zum gegenseitigen Vorteil zu ersetzen. Es wird sehr viel, vielleicht alles davon abhängen, ob sich in Europa und den USA genügend viele Menschen finden, die sich von der Vorstellung befreien können, daß die Politik immer ein Nullsummenspiel ist, bei dem der eine gewinnt und der andere verliert. Wir werden nur dann eine positive Zukunft haben, wenn wir eine neue Ära der internationalen Kooperation einläuten, die dem Charakter der Menschheit als der einzig bisher bekannten kreativen Gattung entspricht.