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Brandenburg braucht die Neue Seidenstraße!

Aus Anlaß des Landesparteitags der Bürgerrechtsbewegung Solidarität Brandenburg am 27.11. 2021 hielt die Landesvorsitzende Ulrike Lillge den folgenden Vortrag.

Ich möchte mich heute mit der Geschichte des Bundeslandes Brandenburgs beschäftigen und darstellen, welche Dynamik hier zu Wirtschaftsaufbau oder -niedergang führte. Vieles davon ist vielleicht nicht mehr in unmittelbarer Erinnerung und vieles ist verschwunden, aber es war da.

Ich möchte auch betonen, daß ich bewußt keinen Wert auf Vollständigkeit lege, und ich werde große Bögen schlagen, denn es kommt mir auf die Betonung einiger Prinzipien an. Nämlich, daß in existentiellen Krisenzeiten immer das voluntaristische Prinzip zu Entwicklung, Fortschritt und Verbesserung der Ausweg war, denn ohne eine prosperierende Bevölkerung hat kein Staat eine Zukunft. Projekte größten Ausmaßes verhalfen dem Land zu Weltgeltung, weil sie auf länderübergreifende Kooperation und die Beteiligung Aller angewiesen waren und immer noch sind. Wenn Sie so wollen, eine Win-Win-Situation, aber nicht nur das. Ein in der Welt vorbildliches Erziehungs- und Bildungssystem stellte den Menschen und die Verbesserung des Charakters in den Mittelpunkt. Eine Kultur, orientiert an den besten klassischen Phasen ihrer Geschichte stärkte die schöpferische Antriebskraft und das Gute im Menschen.

Alle diese Aspekte finden Sie in der Entwicklungsgeschichte auch dieses Landes wieder.

Bis Anfang der 90er Jahre gab es eine vielfältige Industrie in Brandenburg mit dementsprechenden Industriekernen, und ich nenne nur einige davon: Maschinen- und Lokomotivenbau, Elektrotechnik rund um Berlin, Stahl- und Walzwerke (Eisenhüttenstadt, Brandenburg/Havel), Petrochemie (Schwedt), Optik (Rathenow - „Stadt der Optik“), der Industriestandort Wittenberge am Anschluß der Eisenbahnlinie Berlin-Hamburg, Braunkohlekraftwerke (Lausitz), ein Kernkraftwerk in Rheinsberg. Jeweils Tausende Menschen finden hier Arbeit und einiges davon ist noch heute vorhanden.

Natürlich seit jeher auch die Landwirtschaft, sie macht ca. die Hälfte der Landesfläche aus.

Besonders betonen möchte ich die Kultur und Wissenschaft. Hier wirkten u.a. die großen Baumeister wie Friedrich Gilly und besonders dessen Schüler Karl Friedrich Schinkel (1781-1841), geboren im brandenburgischen Neuruppin. Man kann sagen, Schinkel war ein künstlerisches Universalgenie, vom Architekten bis zum Maler, dessen Bauwerke die Ideen der griechischen und italienischen Klassik mit moderner Technologie vereinen und der seine Spuren zusammen mit den großen Gartenbauarchitekten, wie Peter Joseph Lenné, im ganzen Land hinterlassen hat. Beispielhaft dafür steht das Ensemble im Potsdamer „Sanssouci“.

Nur am Rande muß natürlich erwähnt werden, daß das Wirken von Gottfried Wilhelm Leibniz (1646-1716) und die Gründung der Ecole Polythechnique 1794 durch den Wissenschaftler und Politiker Gaspard Monge für die kameralistische Wissenschaftsentwicklung insgesamt von entscheidender Bedeutung waren.

Gestatten Sie mir aber an dieser Stelle einen kleinen Abstecher in das Beziehungsgeflecht Schinkels. Er stand mit den besten Männern des damaligen Preußens in enger Verbindung, die die Industrialisierung und technische Entwicklung in Gewerbe und Landwirtschaft auch über die Landesgrenzen hinaus maßgeblich förderten. Dies ging einher mit der Erziehung und dem Menschenbild der Weimarer Klassik um Friedrich Schiller.

Es handelt sich zunächst um Wilhelm von Humboldt (1767-1835). Humboldts Beziehungen zu Schiller sind bekannt. Mit Humboldt zusammen entwarf Schinkel das „Alte Museum“ in Berlin nach neuen pädagogischen Konzepten.

Humboldts Erzieher und väterlicher Freund war Gottlob Johann Christian Kunth (1757-1829) aus dem brandenburgischen Baruth, der 1810 die Technische Deputation für Handel und Gewerbe in Berlin ins Leben rief und enger Mitarbeiter des Freiherrn vom Stein war.

Dann Albrecht Daniel Thaer (1752-1828), Begründer der Agrarwissenschaft. In seiner Funktion als Leiter der Sektion für Kultus und öffentlichen Unterricht holte Humboldt ihn 1810 als Professor für Ackerbau an die Universität Berlin.

Und schließlich Peter Christian Wilhelm Beuth (1781-1853), Ministerialbeamter und sog. „Vater der preußischen Gewerbeförderung“. Er war eng mit Schinkel befreundet und entwarf mit ihm das Gebäude des von ihm (Beuth) gegründeten Gewerbeinstituts, der späteren berühmten Berliner Bauakademie, in der schließlich Schinkel selbst seine Wohnung hatte.

Aber zurück zum weiteren Geschichtsverlauf.

Seit der geologischen Urzeit gibt es in Brandenburg bekanntermaßen viel Sand und karge Böden und aufgrund seiner geographischen Lage zwischen Elbe und Oder viel Wasser. Überschwemmungen, weite Moor- und Sumpflandschaften waren hier die Folge. Armut, ungesunde Lebensverhältnisse und geringe Bevölkerungsdichte die Konsequenz - alles andere als günstige Voraussetzungen für Entwicklung.

Große Kriege überzogen immer wieder das Land, dezimierten die Bevölkerung, zerstörten die Städte, vernichteten identitätsstiftendes Kulturgut und machten allen Fortschritt zunichte. Ich will nur den Dreißigjährigen Krieg nennen, den der Westfälische Friede beendete, die Wirren nach der gescheiterten Französischen Revolution, die schließlich durch Freiherr vom Steins entscheidende Bemühungen und anderer maßgeblicher preußischer Reformer in den siegreichen Befreiungskriegen gegen Napoleon 1815 endeten, und schließlich die Kriege im 20. Jahrhundert.

Aber Brandenburg hat auch ein anderes Gesicht, und auch wenn es in einem absolutistischen Umfeld geschah, gezielte Maßnahmen der jeweils Herrschenden, zunehmend orientiert an der merkantilistischen Herangehensweise, führten hinaus aus der Rückständigkeit.

Dazu gehörte zunächst die planmäßige Kolonisierung, die Anwerbung von Siedlern.

Den Anfang im großen Stil machte schon im Mittelalter der alte Markgraf von Brandenburg, Albrecht der Bär oder Albrecht I. von Brandenburg (1100-1170). Er zählt zu den Gründern der Mark. Er und seine Nachfolger holten damals die Menschen aus Sachsen, Schwaben, Westfalen. Es kamen Thüringer, Friesen, Holländer, Flamen. Schätzungsweise waren das 200.000 Menschen. Holländer waren immer besonders begehrt, sie verfügten über Kenntnisse von Wasserschutzmaßnahmen. Dörfer und Städte wurden gegründet, z.B. die Schwesterstädte Berlin/Cölln, Bernau, Angermünde, Frankfurt/Oder.

Es kam der Dreißigjährige Krieg - 50% der Bevölkerung in der Region hatten ihr Leben verloren, 8000 Dörfer waren zerstört.

Nun regiert der Große Kurfürst, auch bekannt als Friedrich Wilhelm I. (reg. 1640-1688). Er macht eine ähnliche Politik, und seine Siedlungspolitik nannte er „Peuplierung“. Er nutzte dabei vorteilhaft die Aufhebung des Ediktes von Nantes (1685), das die Religionsfreiheit beendete, und warb die französischen Glaubensflüchtlinge an, die Hugenotten. Wieder erhielten die Siedler vorteilhafte Bedingungen, und wieder kamen Zehntausende, und auch wieder Holländer (siehe das „Holländisches Viertel“ in Potsdam). Sie konnten sich ansiedeln und für ihre Existenz sorgen. Neben ihren beruflichen Erfahrungen brachten sie aber auch Kultur und Bildung mit.

So wurde nach und nach das Land urbar gemacht. Diese Menschen waren also nicht Flüchtlinge, Ausländer, hin- und hergeschoben und schließlich notdürftig in Unterkünften untergebracht, oder wie heute für die Zeit der Ernte beschäftigt, sondern Teil der gesamten Anstrengung und damit zugleich vor schwere Aufgaben gestellt. Und das waren schwerpunktmäßig Wasserprojekte, Entwässerung von Mooren und Sümpfen.

Dann kamen erste Kanalbauten, die dabei halfen und Flüsse verbanden, z.B. der Müllroser Kanal zwischen Oder und Spree. Manufakturen werden gegründet, Industriekomplexe entstehen, das sind Eisenhämmer-, Kupfer- und Glashütten. Nach der fast 50jährigen Regierungszeit des Großen Kurfürsten, die 1688 zu Ende ging, hatte sich die Einwohnerzahl um die Hälfte erhöht, die Staatseinkünfte um das Dreifache.

Dies setzte sich unter der Regierungszeit seiner Nachfolger - zunächst Friedrich III. (reg. 1688-1713, ab 1701 als Friedrich I. König in Preußen, dann der „Soldatenkönig“ Friedrich Wilhelm I (reg. 1713-1740) - fort. Nun haben sich Glaubensflüchtlinge aus aller Herren Länder angesiedelt. Die Wasserprojekte nehmen immer größeres Ausmaß an, es werden die sumpfreichen Gebiete rings um Berlin, um die Flüsse Rhin, Havel, und Oder urbar gemacht. Unter seinem Nachfolger, Friedrich II., dem Großen (reg. 1740-1786), finden allein im Oderbruch an der heutigen Grenze zu Polen, dessen Trockenlegung ein einziges wasserbauliches Kunstwerk ist, 50.000 Kolonisten ein neues Zuhause.

Mit der Erfindung der Dampfmaschine und der Möglichkeit, Energie in immer höherer Dichte zu erzeugen, wurde eine neue Stufe erreicht. Nun sind der Bau von Eisenbahnverbindungen (z.B. Berlin-Stettin) und großer Kanalprojekte möglich. Die Entwicklung in allen möglichen Bereichen explodiert, und mit weiteren Erfindungen folgen Fabrikgründungen Schlag auf Schlag.

Nach und nach wurde nach holländischem Vorbild ein Polder-Deichsystem geschaffen, die Seenketten durch ein weitverzweigtes Kanalsystem an die großen Flüsse - im Osten über die Spree an die Oder, im Westen an Havel und Elbe - angebunden. Dadurch wiederum entstand der Anschluß im Osten zu Stettin und damit zur Ostsee, den Steinkohlerevieren Polens (ehem. Oberschlesien), im Westen über den Mittellandkanal zum Kohlerevier des Ruhrgebiets aber auch über die Elbe zur Nordsee. Diese Maßnahmen, möglich geworden durch einmalige ingenieurtechnische Leistungen, reflektieren eine ganz andere Sichtweise: Brandenburg, eingebunden in den großen Wirtschaftsraum von Ost nach West und vom Norden in den Süden.

Möglich machen das 2000 Kilometer Wasserwege, hunderte Seen, durch schiffbare Kanäle und Flüsse verbunden.

Erinnern wir uns doch an einige heute existierende Highlights in der Region:

- Die Stadt Schwedt nahe der deutsch-polnischen Grenze ist einer der größten Erdölverarbeitungsstandorte Europas, die PCK-Raffinerie, die zu 95% die Räume Berlin und Brandenburg mit Kraftstoffen versorgt.

- Vor den Toren Berlins liegt der Ort Rüdersdorf, die Wiege der deutschen Kalk- und Zementindustrie. Der dort abgebaute Muschelkalk ist 240 Mill. Jahre alt und diente als Baumaterial für z.B. das Brandenburger Tor und Schloß Sanssouci. Mit der CEMEX Deutschland AG ist der Standort bis heute von zentraler Bedeutung für die Bauwirtschaft im Nordosten Deutschlands.

- Neben dem traditionsreichen Eisenhüttenstadt sind noch die Niederlausitzer Braunkohle-Vorkommen im Tageabbau zu erwähnen. Er stellte seit jeher die Energieversorgung der ehemaligen DDR und heute Brandenburgs sicher. Die dort eingesetzten noch vier Förderbrücken F60 mit einer Länge bis ca.500 Metern und 11.000 Tonnen Gewicht gehören zu den größten beweglichen Technikanlagen der Welt. Zusammen mit verschiedenen Baggersystemen erreichen sie eine Förderleistung von 34.000 m³/h.

Die Frage, wo die Energie herkommen soll, wenn möglicherweise schon 2030 die Kohleförderung eingestellt und die modernisierten Kraftwerke Jänschwalde und Schwarze Pumpe geschlossen werden, ist ebenso unbeantwortet, wie die Sicherung von vielen tausend Arbeitsplätzen.

- Die berühmten Schiffshebewerke in Niederfinow sind Europas größte „Schiff-Fahrstühle“ und ingenieurtechnische Meisterleistungen. Das erste von ihnen wurde als Senkrechthebewerk 1934 in Betrieb genommen und überwindet einen Höhenunterschied von 36 Metern im Zuge des Oder-Havel-Kanals. Da es an seine Grenze gekommen ist, wurde 1997 ein paralleler Neubau beschlossen und gegenwärtig läuft der Probebetrieb. Innerhalb von nur drei Minuten mit Gegengewichtsausgleich kann es ein Troggewicht von ca. 10.000 Tonnen bewegen.

Die deutsche Wiedervereinigung mit allen berechtigten Hoffnungen einer einmaligen historischen Chance wurde bekanntermaßen mit der brutalen Abwicklungspolitik der Treuhand unter ihrer Vorsitzenden Birgit Breuel beantwortet. Ich glaube, Brandenburgs ehemaliger Ministerpräsident Matthias Platzeck war es, der diesen tiefen Einschnitt mit den Nachkriegsereignissen des Zweiten Weltkrieges verglichen hat. Der sogenannte Strukturwandel ist nichts anderes als Industriedemontage, die Politik der Dekarbonisierung wird uns zur mittelalterlichen Mangelwirtschaft zurückführen, verschleiert durch Begriffe wie „Great Reset“ oder „Green Deal“. Das Ergebnis dieser Transformation sehen wir schon lange und sehr viel schneller werden wir es auch bei der vermutlich neuen Regierung sehen.

Die Zukunft für Bandenburg und Deutschland insgesamt liegt heute im Anschluß an die Seidenstraße. Es gibt auch in Brandenburg Anfangsprojekte dafür, und wir müssen weiter dafür kämpfen.

Noch ein abschließendes Wort zum Zukunftsprojekt in Grünheide, wo Elon Musk E-Autos im großen Stil bauen will: Dieses Vorhaben gewänne sicher noch mehr Zustimmung, wenn er auf den Vorschlag David Beasleys vom Welternährungsprogramm eingehen und 5% seines Vermögens abgeben würde, um die unmittelbare Hungerkatastrophe in Afghanistan zu entschärfen.

Der neue Vorstand: Ulrike Lillge (Landesvorsitzende), Pia Schlanger (1. stellv. Vorsitzende), Jörg Muderack (2. stellv. Vorsitzender)