Nach dem historischen Gipfel von Johannesburg, auf dem sechs neue Länder der BRICS beigetreten sind und 20-30 weitere für eine Mitgliedschaft anstehen, wollen die Londoner City und die Wall Street offenbar ein blutiges Exempel an Argentinien statuieren, das gerade in die BRICS aufgenommen wurde. Ein Beitritt Argentiniens zum 1. Januar 2024 soll verhindert werden, indem die Wirtschaft des Landes durch Schuldeneintreibung und Kapitalflucht ruiniert wird. Auf diese Weise soll die derzeitige Regierung von Präsident Alberto Fernández und der Pro-BRICS-Kandidat, Wirtschaftsminister Sergio Massa, diskreditiert und der Sieg dem Oppositionskandidaten Javier Milei überlassen werden.
Der von den Bankern favorisierte Milei, den manche als "argentinischen Selenskyj" bezeichnen, hat bereits zugesichert, daß er Argentinien im Falle eines Wahlsiegs noch vor dem Beitritt aus den BRICS-Staaten herauslösen, die argentinische Währung (und damit die Souveränität des Landes) abschaffen und durch den Dollar der Spekulanten ersetzen, die Beziehungen zu China, Rußland und den meisten iberoamerikanischen Nachbarn Argentiniens abbrechen und auch sonst eine extreme neoliberale Politik umsetzen werde, die der Wirtschaft des Landes den Todesstoß versetzen würde.
Die Wirtschaftskrise in Argentinien ist bereits so gravierend, daß Massa, der derzeit mit dem IWF um Notkredite verhandeln muß, bei den Vorwahlen im letzten Monat eine herbe Niederlage einsteckte. Die drei Spitzenkandidaten (Massa, Milei und die neoliberale Patricia Bullrich) erhielten jeweils etwa ein Drittel der Stimmen – ein bitterer Rückschlag für Massa, der ein weitaus besseres Ergebnis erwartet hatte.
Wenn Argentinien von den Bankern übernommen wird, wird sein Nachbar und Verbündeter Brasilien – eines der fünf Gründungsmitglieder der BRICS – als nächstes dran sein. Und die Botschaft wird in die Welt hinausgehen: "Wenn ihr versucht, mit unserem System zu brechen, werden wir euch finanziell 'waterboarden' und von der Landkarte tilgen."
Die patriotischen Kräfte in Argentinien sind sich des Plans der Banker und seiner Bedeutung bewußt, aber die meisten sind ratlos, was sie tun sollen. Der langjährige peronistische Aktivist, Autor und Medienkommentator Carlos Pereyra Mele, der die Online-Publikation Dossier Geopolitico leitet, sprach am 30. August eine treffende Warnung aus: "Dies ist eine historische Chance. Der Beitritt (zu den BRICS) bedeutet die Integration in das neue Weltsystem... Wenn Argentinien den BRICS nicht beitritt, werden die nächsten 50 Jahre verloren sein. In diesem Fall können die kommenden Generationen die Möglichkeit von Wachstum und Entwicklung vergessen. Die andere Seite – zu der die Opposition gehört – hat uns bisher nur Verschuldung, eine größere Krise und weitere (vom IWF diktierte) Anpassungen beschert".
Diese Schlacht kann gewonnen werden, aber nur auf internationaler Ebene, indem die Kräfte innerhalb und außerhalb Argentiniens für ein gemeinsames Ziel zusammengeführt werden.
Das Schiller-Institut kündigte am 1. September an, in Kürze ein "Notfallprogramm zur Rettung Argentiniens, des jüngsten BRICS-Mitglieds" zu veröffentlichen. Darin sind die Sofortmaßnahmen aufgeführt, die von der Regierung Fernández und dem Kandidaten Massa noch vor den Präsidentschaftswahlen am 22. Oktober ergriffen werden müssen. Zu diesen Maßnahmen, die nicht nur für Argentinien, sondern auch als Beispiel für die übrige Welt gelten, gehören:
1) Erklärung eines sofortigen Schuldenmoratoriums auf die Bedienung der Auslandsschulden, einschließlich der 46 Milliarden Dollar, die Argentinien dem IWF schuldet – was das Land zum größten Schuldner des Internationalen Währungsfonds macht. Einseitiger Abbruch aller Verhandlungen mit dem IWF.
2) Einführung von Kapital- und Devisenkontrollen sowie die obligatorische Umwandlung aller Exporteinnahmen in Pesos zur Einzahlung in argentinische Banken. Diese Maßnahmen werden der freien Konvertierbarkeit von Pesos in Dollar und der dadurch geförderten Spekulation und Kapitalflucht ein Ende setzen.
3) Einführung einer festen Parität zwischen dem Peso und dem Dollar, die von der argentinischen Regierung souverän festgelegt wird, für den genehmigten internationalen Handel, den Reiseverkehr und andere Verwendungszwecke von Devisen. Spekulative internationale Banktransaktionen fallen nicht in die genehmigte Kategorie.
4) Einrichtung von staatlichen Soforthilfen und Subventionen für die ärmsten Argentinier (die Hälfte lebt heute in Armut) und für Unternehmen, die sonst auf den Bankrott zusteuern. Massa hat bereits Maßnahmen in dieser Richtung angekündigt, aber was die Regierung heute verteilt, wird den Argentiniern am nächsten Tag gestohlen, weil die Banker Argentinien eine Inflation von 108% und Zinssätze von 118% verordnet haben und eine massive Kapitalflucht stattfindet.
5) Verstaatlichung der "autonomen" Zentralbank (BCRA) und Wiedergründung einer Nationalbank, die Peso-Produktivkredite zu Zinssätzen von 1-2% ausgibt.
6) Weitere Eindämmung der galoppierenden Inflation, indem strenge Preiskontrollen für wichtige Konsum- und Produktionsgüter eingeführt werden.
7) Die neue Mitgliedschaft Argentiniens in den BRICS und der Zugang zur Neuen Entwicklungsbank (NEB) müssen genutzt werden, um den Handel in nationalen Währungen mit den BRICS-Mitgliedern und befreundeten Nationen auszuweiten und sich darüber Nicht-Dollar-Kreditlinien zu sichern. Die BRICS-Staaten müssen reagieren, als ob ihre eigene Existenz davon abhinge.
8) Die bi-ozeanischen Hochgeschwindigkeits-Eisenbahnkorridore, die die Atlantik- und Pazifikküste Südamerikas verbinden, müssen gebaut werden. Einberufung einer internationalen Konferenz, die Mitte Oktober in Buenos Aires stattfinden soll, um die Projekte schnell zu genehmigen und auf den Weg zu bringen. Daran sollten hochrangige Regierungsvertreter zumindest aus Brasilien, Peru, Bolivien und China teilnehmen (dem Land, das über die erforderliche Eisenbahntechnologie verfügt und seit Jahren angeboten hat, solche Projekte im Rahmen seiner Belt and Road Initiative zu bauen).
9) Argentinien muß sich den Raumfahrtnationen der Welt anschließen, wie es Indien gerade mit seiner spektakulären Mondlandung gelungen ist. Das brasilianische Alcantara-Raumfahrtzentrum in der Nähe des Äquators ist der perfekte Ort für eine südamerikanische Zusammenarbeit, zusammen mit internationalen Verbündeten aus den BRICS-Staaten und anderen. Dies kann auf der gleichen internationalen Konferenz Mitte Oktober erörtert werden, mit der entscheidenden Ergänzung durch Indien als teilnehmende Nation.
Ein solches Maßnahmenbündel kann Argentinien davor bewahren, zu einem „gescheiterten Staat“ zu werden, und die Rolle der BRICS-Staaten für die zukünftigen Kämpfe strategisch stärken. Argentinien wird ohne die BRICS nicht überleben, aber auch die BRICS können ohne Argentinien nicht überleben.
Wie der brasilianische Präsident Lula kürzlich erklärte: "Ich kann nicht akzeptieren, daß es normal ist, daß ein Bürger arm geboren wird und arm stirbt, daß seine Kinder arm geboren werden und arm sterben, daß seine Enkelkinder arm geboren werden und arm sterben... Wir haben nicht das Recht, arm zu bleiben.... Wir haben nicht das Recht, weiterhin als Dritte Welt bezeichnet zu werden."
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