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Britischer Labour-Chef Corbyn: EU verlassen, aber in Zollunion bleiben

In einer Rede in Coventry, dem industriellen Kernland in den englischen West Midlands, hat der britische Labour-Vorsitzende Jeremy Corbyn am 26.2. die Brexit-Politik seiner Partei erläutert. Insbesondere forderte er, eine Zollunion mit der Europäischen Union auszuhandeln. Ein Austritt aus der EU und ihrem Binnenmarkt sei notwendig, da die derzeitigen Mitgliedschaftsbedingungen Labour daran hinderten, ihr eigenes Programm umzusetzen. Er rief auch dazu auf, daß Großbritannien in der Europäischen Atomgemeinschaft Euratom verbleibe, aus der die konservative Regierung unter Theresa May ebenfalls austreten will.

Corbyn warf der Regierung vor, ihre Brexit-Politik sei nicht nur festgefahren, sondern „ihre Uneinigkeit, ihre Inkompetenz und ihr Deregulierungswahn setzt Arbeitsplätze und den Lebensstandard aufs Spiel, wenn wir die EU verlassen.“

Er umriß die Grundprinzipien, auf denen Labour ein neues Abkommen aushandeln wolle: „Wir respektieren das Ergebnis des [Brexit-]Referendums. Unsere Priorität ist, das beste Ergebnis für die Arbeitsplätze, den Lebensstandard und die Wirtschaft der Menschen zu erreichen. Wir lehnen eine Abwärtsspirale bei den Arbeitnehmerrechten, dem Umweltschutz, dem Verbraucherschutz oder den Lebensmittelsicherheitsstandards ab.“ Und er sagte weiter, da „44% unserer Exporte in EU-Länder gehen und 50% unserer Importe aus der EU kommen,“ sei es notwendig, zwischen Großbritannien und der EU eine Zollunion zu vereinbaren.

„Jedes Land, das geographisch in der Nähe der EU liegt, ohne ein EU-Mitgliedsstaat zu sein, wie die Türkei, die Schweiz oder Norwegen, hat eine enge Beziehung zur EU, für einige vorteilhafter als für andere... Labour will eine neue und starke Beziehung mit dem Binnenmarkt aushandeln, die einen vollen zollfreien Zugang und eine Untergrenze bei bestehenden Rechten, Standards und Schutzvorschriften vorsieht. Diese neue Beziehung wird dafür sorgen müssen, daß wir unser ehrgeiziges Wirtschaftsprogramm umsetzen können.

Deswegen streben wir auch an, Schutzmaßnahmen, Klarstellungen oder wo nötig Ausnahmen bei Privatisierungen und öffentlichen Ausschreibungen, staatlichen Beihilfen und Vergabevorschriften und bei dem Entsendegesetz zu erreichen...

Wir werden uns innerhalb oder außerhalb der EU nicht davon abhalten lassen, notwendige Schritte zu ergreifen, um zukunftsweisende Industriezweige und örtliche Betriebe zu unterstützen, die Privatisierungs- und Auslagerungswelle zu stoppen oder Arbeitgeber daran zu hindern, billige Arbeitskräfte aus dem Ausland anzuheuern, um das bestehende Lohn- und Leistungsniveau zu unterlaufen.“

Corbyn sagte weiter, Labour sei „unerbittlich dagegen“, daß öffentliche Versorgungsbetriebe in irgendwelche Handelsabkommen im Rahmen eines wiederbelebten Transatlantischen Freihandelsabkommens (TTIP) mit der EU oder den USA einbezogen würden, „was die Tore zu einer Flut weiterer Privatisierungen öffnete. Eine Deregulierungsspirale würde die Arbeitsplätze und den Lebensstandard der Menschen gefährden.

Labour hat dargelegt, wie wir eine Nationale Investitionsbank schaffen werden, um über eine Netz regionaler Entwicklungsbanken Investitionen in jede Kommune zu lenken, so daß jede Gegend eine eigene Industriestrategie auf Grundlage von Investitionen in eine Wirtschaft mit hohen Fertigkeiten, hohen Löhnen und hoher Produktivität verfolgen kann.
Und über unseren 500 Mrd. £ großen Nationalen Transformationsfonds werden wir in ein zehnjähriges Erneuerungsprogramm investieren, so daß Britannien eine Infrastruktur erhält, die der anderer großer Volkswirtschaften ebenbürtig, wenn nicht überlegen ist...

Innerhalb oder außerhalb der Europäischen Union müssen wir uns dieser Realität stellen, der Realität des Marktversagens und der Austerität. Der freie Markt hat im Bankensektor nicht funktioniert. Er hat in der Wasserwirtschaft nicht funktioniert. Er hat bei den Energieversorgern nicht funktioniert. Er ist beim Outsourcing abgestürzt und hat bei unseren zersplitterten Eisenbahnen versagt. Und er hat zu einem Arbeitsmarkt geführt, auf dem Mißbrauch gang und gäbe ist.“

Corbyns Position könnte sich positiv auf die gesamte EU-Debatte in Europa auswirken, da er im Grunde die EU auffordert, zu ihrer ursprünglichen Idee eines gemeinsamen Marktes zurückzukehren und sich nicht als supranationale Einrichtung aufzuspielen, die die interne Wirtschaftspolitik der Mitglieder bestimmt.

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