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Covid-19 in Deutschland besiegen – mit Massentests wie in China und der Slowakei

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Dr. Wolfgang Lillge

Ziel einer nationalen Strategie gegen die Coronapandemie muß die vollständige Kontrolle der Virusausbreitung sein. Voraussetzung dafür ist, daß alle Infizierten ausfindig gemacht und unter strenge Quarantäne gestellt werden – wie es die slowakische Regierung jetzt praktiziert. Nur wenn man weiß, wer tatsächlich infiziert ist, kann eine unkontrollierte Ausbreitung in Herbst und Winter verhindert werden. Ansonsten droht ein Zusammenbruch unseres Gesundheitssystems, dem Krankenschwestern, Ärzte und Pflegepersonal diesmal nicht mehr gewachsen sein werden.

Darüber hinaus brauchen wir einen dirigistischen Plan mindestens auf europäischer, besser auf globaler Ebene, um eine Umkehr der bisherigen, sich aus der Verantwortung ziehenden Politik zu erreichen. Unser aller Ziel muß es sein, das SARS-CoV-2-Virus insgesamt zu eliminieren und nicht „mit dem Virus zu leben“. Deshalb verschärft die gegenwärtige zögerliche Politik des partiellen Lockdowns und föderaler Alleingänge die wirtschaftliche, finanzielle und soziale Krise der Gesellschaft in fahrlässiger Weise.

Dafür brauchen wir schnell einen Überblick über das Ausmaß des Pandemiegeschehens und über die tatsächliche Zahl der Infizierten, um effektiv gegensteuern zu können. Das läßt sich nur durch Massentests erreichen, die schnell, effektiv und zuverlässig durchgeführt werden müssen. Das Mittel der Wahl dafür sind die inzwischen verfügbaren Schnelltests.

Die Teilnahme daran ist freiwillig, wobei davon auszugehen ist, daß sich der Großteil der Bevölkerung aus eigenem Interesse beteiligen wird. Wer den Test ablehnt, muß in eine 14tägige Quarantäne gehen.

Das für die Durchführung der Tests erforderliche Personal muß rekrutiert und fachlich eingewiesen werden.

Die logistischen Voraussetzungen für Massentests müssen auf kommunaler Ebene mit Unterstützung von Bund und Ländern geschaffen werden, notfalls auch über die deutschen Grenzen hinaus.

Das gesamte Vorhaben muß der Bevölkerung überzeugend vermittelt werden, um ein möglichst einheitliches Vorgehen zu erreichen.

Bisherige Strategie gescheitert

An diesen Vorgaben gemessen, ist die bisher vom RKI verfolgte nationale Teststrategie völlig unzureichend, bei der als übergeordnetes Ziel lediglich „die Versorgung symptomatischer Covid-19-Fälle, der Schutz vulnerabler Gruppen sowie die Verhütung der Verbreitung des Coronavirus SARS-CoV-2“ vorgesehen ist. Jeder weiß, daß es für den einzelnen extrem schwierig und zeitaufwendig ist, im Falle eines Infektionsverdachtes einen Test zu bekommen. Es gibt viel zu wenige Teststellen, und die Vorgaben, wer tatsächlich getestet wird und wer die Kosten trägt, sind regional und teilweise von Gesundheitsamt zu Gesundheitsamt unterschiedlich, so daß allein aufgrund dieses bürokratischen Wirrwarrs viele wirklich angezeigte Tests unterbleiben und Infizierte unwissentlich das Virus weiterverbreiten.

Überdies ist die Corona-Politik der Regierung von Anfang an inkompetent gewesen. Krisenbevorratung wurde als überholt abgelehnt; in Berlin ist diese Politik des „Sparens bis es quietscht“ des damaligen Bürgermeisters Wowereit und seines Finanzsenators Sarrazin noch in böser Erinnerung. In den 1990er Jahren wurde der Zivilschutz aus reinen Kostengründen praktisch aufgelöst, Lagerbestände an Gesichtsmasken und Schutzkleidung verschwanden. Gesundheitsminister Jens Spahns Äußerung zu dem eklatanten Mangel an Masken zu Beginn des Coronaausbruchs zeigt die ganze Kurzsichtigkeit dieses Kosten-Nutzen-Denkens: „Wir hätten uns doch nie vorstellen können, daß so ein Cent-Produkt auf einmal so einen Mangel hat!“.

In ihrer Inkompetenz laufen Regierung und andere staatliche Stellen den Pandemieentwicklungen ständig hinterher und schieben letztlich die Verantwortung auf die Bevölkerung ab, insbesondere seit die Infiziertenzahlen Anfang Oktober wieder massiv angestiegen sind. In Berlin kapitulierte der Senat, anstatt Verantwortung zu übernehmen, und ordnete an, positiv auf das Coronavirus Getestete sollten ihre Kontaktpersonen doch bitte selber benachrichtigen, weil die kaputtgesparten Gesundheitsämter völlig überlastet sind und mit der Nachverfolgung nicht mehr nachkommen.

Es gibt Alternativen

Daß es auch anders geht, sieht man in Ländern, die eine konsequente Teststrategie verfolgen und den Schutz der Bevölkerung zur obersten Priorität erklären.

Beispiel China: Mitte Oktober 2020 wurden in fünf Tagen alle neun Millionen Einwohner der Metropole Qingdao getestet, nachdem zwölf Neuinfektionen in einem Krankenhaus der Millionenstadt entdeckt worden waren. Eine Woche später war klar: Kein einziger weiterer Infizierter wurde unter den neun Millionen Einwohnern gefunden. Beim Ausbruch der Pandemie waren in Wuhan bereits Massentests und strenge Isolationsmaßnahmen angeordnet worden, die zur erfolgreichen Eindämmung des Virus geführt haben.

Im Juni waren auch in der Hauptstadt Peking Massentests auf das Virus vorgenommen worden, nachdem es einen Ausbruch des Erregers in einem Lebensmittelmarkt gegeben hatte.

Beispiel Slowakei: Am 26. Oktober 2020 wurde die erste Testphase fast der gesamten slowakischen Bevölkerung auf das Coronavirus abgeschlossen. Innerhalb von drei Tagen wurden unter der Regie des Verteidigungsministeriums in vier besonders stark betroffenen Bezirken an der Grenze zu Polen alle mehr als zehn Jahre alten Bewohner einem Antigen-Schnelltest unterzogen. An den nächsten Wochenenden soll der Rest des Landes folgen – und damit Tests von insgesamt fünf Millionen Menschen. Schon in dieser ersten Phase sind etwa 6000 potentielle Verbreiter des Virus entdeckt worden, die unter normalen Umständen gar nicht aufgefallen wären.

An diesen Beispielen müßte sich Deutschland orientieren und ebenfalls die gesamte Bevölkerung im Alter über zehn Jahren testen, und das ggf. sogar mehrmals, um nicht nur eine Momentaufnahme der Infektionstätigkeit zu erfassen.

Natürlich ist ein Massentest von über 80 Mio. Menschen in Deutschland eine organisatorische und logistische Mammutaufgabe, aber nur so läßt sich die unkontrollierte Ausbreitung des Virus unter Kontrolle bringen. Was in China gewirkt hat und in der Slowakei möglich ist, sollte auch bei uns durchführbar sein. Das Tragen eines Mund-Nasen-Schutzes und die Einhaltung aller anderen Hygieneregeln sind natürlich weiterhin zwingend notwendig, bis das Virus tatsächlich eliminiert ist.

Folgendes Vorgehen ist denkbar: Massentests beginnen in den Corona-Hotspots wie den Großstädten Berlin, Hamburg, München, Düsseldorf usw. Danach wird systematisch das ganze Land erfaßt, insbesondere auch die Grenzregionen zu den oft viel stärker betroffenen Nachbarländern. Auch an den Grenzen und an Flughäfen müssen nach Deutschland Einreisende getestet werden. Die gleiche Strategie müßte in ganz Europa gleichzeitig verfolgt werden.

Zum Einsatz kommen vorzugsweise Corona-Schnelltests, die nach 15 Minuten ein Ergebnis zeigen. Jeder dabei positiv Getestete erhält einen zusätzlichen PCR-Test zur Bestätigung des nicht ganz so zuverlässigen Schnelltests. Eine große Hilfe werden dabei auch mobile Corona-Labore sein, Kleinbusse so groß wie ein Rettungswagen, die vor Ort sofort Abstriche auswerten können. Jeder, der positiv getestet wird, wird in eine zweiwöchige häusliche oder andere Quarantäne geschickt, damit die Infektketten unterbrochen werden. Die Versorgung der sich in Quarantäne befindlichen Menschen mit Lebensmitteln und anderen wichtigen Gegenständen muß sichergestellt werden.

Nachfolgend auftretende einzelne Infektionsherde müssen in der gleichen Weise bekämpft werden.

Um die Massentests durchführen zu können, sind hohe Investitionen in die Personalausstattung und Logistik der Gesundheitsämter erforderlich. Auch die Testlabore müssen verstärkt und die Produktion der Schnelltests muß massiv gesteigert werden. Die Bundeswehr muß zur Unterstützung herangezogen werden – ein viel sinnvollerer Einsatz, als im Rahmen der NATO an den Grenzen zu Rußland provokative Militärmanöver abzuhalten.

Orientiert man sich an dem slowakischen Modell, wo 50.000 Helfer aus staatlichen Bereichen wie Polizei, Feuerwehr, Behörden usw. zur Durchführung der Tests eingesetzt wurden, muß man in Deutschland ca. 1,2 Mio. Helfer mobilisieren. Arbeitslose, Studenten, aus dem aktiven Dienst ausgeschiedene Menschen aus dem medizinischen und sozialen Bereich müssen in Schnellkursen ausgebildet werden, um die Strukturen der Gesundheitsämter und Kommunen aufzufüllen.

Die Investitionen in eine Massentest-Strategie werden nicht nur dazu beitragen, die Strukturen unseres Gesundheitswesen dauerhaft zu verbessern, sondern sind auch sehr viel produktiver und zielführender als andauernde und steigende staatliche Aufwendungen zur Unterstützung notleidender Wirtschaftsbranchen, die als Folge von Lockdowns als Beihilfen oder Kredite, die nie zurückgezahlt werden können, die Staatskasse massiv belasten.

Überdies sind viele Bürger verunsichert und verärgert über den Wirrwarr an Verordnungen, Verschärfungen der Coronamaßnahmen und das uneinheitliche Vorgehen in den Bundesländern. Ein weiterer Lockdown würde einen weiteren dramatischen Schlag in die meisten Bereiche unserer Volkswirtschaft bedeuten, ein konsequentes Testen der gesamten Bevölkerung kann dagegen den verbreiteten Zukunftsängsten vorbeugen und den Weg frei machen für eine Rückkehr zu normalen Verhältnissen.

Umfangreiche Investitionen zum Infektionsschutz sind vor allem auch in den Schulen erforderlich. Anstelle des vielfach vorgeschlagenen einfachen Lüftens, das in vielen Gebäuden gar nicht möglich ist, sollten in allen Klassenräumen mobile Luftreinigungsgeräte zum Einsatz kommen, die zuverlässig fast alle Viren aus der Luft herausfiltern. Vorzugsweise sollten solche Geräte zum Einsatz kommen, die gleichzeitig auch die Luftfeuchtigkeit in den Zimmern erhöhen, wodurch das Ansteckungsrisiko weiter minimiert wird.

Wie die ARD-Sendung Monitor feststellte, würde es maximal 1 Milliarde Euro kosten, um alle Klassenzimmer in Deutschland – und nicht nur die, in denen nicht gut gelüftet werden kann – mit guten Geräten auszurüsten. Im Vergleich zu den übrigen Corona-Hilfen, die in diesem Jahr mehrere hundert Milliarden Euro ausmachen, ist das ein Minibetrag, würde aber neben dem obligatorischen Tragen von Masken für die Schüler und Lehrer einen wichtigen zusätzlichen Schutz bewirken.

Fazit

Mit der skizzierten Strategie gegen die Coronapandemie ist eine nachhaltige Wirtschaftsbelebung wieder möglich, und das Vertrauen der Bevölkerung in die Kompetenz und die moralischen und am Gemeinwohl orientierten Absichten der Regierung, das dringend notwendig ist, um diese große Krise zu bewältigen, kann wiedergewonnen werden. Besondere Aufmerksamkeit und Fürsorge muß der jungen Generation gelten, die die Zukunft unserer Gesellschaft bedeuten, und den älteren, teilweise vorerkrankten Generationen, die den Fortbestand unserer jetzigen Gesellschaft ermöglicht haben.

Der Autor ist Landesvorsitzender und Spitzenkandidat der Bürgerrechtsbewegung Solidarität für die Wahl des Berliner Abgeordnetenhauses. 

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