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Das Finanzsystem ist bereits bankrott: Rettung nur durch Glass-Steagall-Gesetz

Die Optionen, wie wir aus der Krise herauskommen, für die Griechenland nur das Etikett ist, haben sich auf zwei reduziert: Wenn so weitergemacht wird, wie Schäuble, Merkel, Cameron und Obama es bisher vorexerziert haben, ist ein sehr kurzfristiger, vollständiger Kollaps des Finanzsystems der transatlantischen Region das sichere Resultat, der zudem aller Voraussicht nach zu einem thermonuklearen Weltkrieg und damit der Auslöschung der menschlichen Gattung führen wird. Die einzige Chance, diese beispiellose Gefahr abzuwenden, ist die sofortige weltweite Einführung eines Glass-Steagall-Trennbankengesetzes, wofür es seit der Einbringung dementsprechender Gesetzesvorlagen in beiden Kammern des amerikanischen Kongresses eine realistische Möglichkeit gibt.

Sowohl das mörderische Abkommen, das dem griechischen Premierminister Tsipras beim jüngsten EU-Gipfel aufgezwungen wurde, als auch der sogenannte „Überbrückungskredit“ von 7 Mrd. Dollar, die sofort wieder an den IWF und die EZB zurückfließen, sind reines Theater. Denn in Wirklichkeit weiß das gesamte Finanzestablishment, daß das gesamte Bankensystem der USA und Europa – die Banken, die angeblich zu groß sind, um sie untergehen zu lassen oder ihre Vorstände ins Gefängnis zu schicken – unrettbar bankrott ist. Eine bedeutende Fraktion dieses Establishments versucht mit diesen Maßnahmen lediglich, Zeit zu gewinnen und eine von ihnen erwartete Abwertung der Märkte um 50% kontrolliert vorzunehmen – gemäß der alten Doktrin einer „kontrollierten Desintegration“, bei der sie aber die politische Kontrolle behalten. Wie ein englisches Sprichwort sagt: Dieser Plan hat in der wirklichen Welt genau so viele Chancen auf Erfolg wie „ein Schneeball in der Hölle“.

In verschiedenen europäischen Hauptstädten spricht man in diesem Zusammenhang von einer Achse Merkel-Schäuble-Cameron. Daß Schäuble selbst nach dem EU-Gipfel immer noch vom „Grexit“ als bevorzugter Option spricht, was in der Koalition zu erheblichen Irritationen geführt hat, überrascht nicht. Das „Europa der zwei Geschwindigkeiten“, bei dem Deutschland, Frankreich und die europäischen Nordstaaten zu einem Kern-Europa mit völliger politischer Integration zusammengefaßt und die südeuropäischen Staaten praktisch in die Wüste geschickt werden, gehört schon lange zu Schäubles Lieblingsprojekten. In der Praxis bedeutet dieser Plan für Nordeuropa einen föderalen Staat, bei dem jegliche Souveränität und damit die Zustimmung der Regierten aus dem Fenster geworfen und einem Leviathan-Monster geopfert werden.

Dazu müßten allerdings die europäischen Verträge geändert werden, und die Annahme, daß dies angesichts der völligen Zerrüttung der Verhältnisse in Europa noch möglich sei, ist ein weiterer Hinweis auf die völlige Abgehobenheit dieser Machtgruppierung, die die „europäische Idee“ soeben endgültig und brutal zertrampelt hat.

Vom ersten Tag an, an dem die SYRIZA-Regierung in Athen die Amtsgeschäfte übernommen hatte, setzte die Troika einen Prozeß der Strangulierung in Gang, der nur ein Ziel kannte: diese Regierung so schnell wie möglich aus dem Amt zu befördern und ihr zu diesem Zweck die Verantwortung für alle Fehler aufzubürden, die die Troika selbst gemacht hatte. Dazu gehören insbesondere die gezinkte Aufnahme Griechenlands in die Eurozone mit Hilfe von Statistiken, die durch die Wallstreet-Bank Goldman Sachs gefälscht worden waren, sowie die Vergabe spekulativer Kredite an Griechenland, das vor fünf Jahren bereits insolvent war und dessen Bankensystem nur einer von vielen Mechanismen war, um die Blase der Kasinowirtschaft weiter aufzublähen. Über 90% der Kredite und „Rettungspakete“ sind nicht in Griechenland geblieben, sondern sofort an die europäischen Banken zurückgeflossen, die dabei ebenso satte Profite machten wie die EZB mit den griechischen Anleiheverkäufen oder wie es jetzt EZB und IWF beim sogenannten „Überbrückungskredit“ vorhaben.

Für Griechenland tut das nichts – außer, den Schuldenberg zu erhöhen, der inzwischen auf irgendwo zwischen 220-250% des BIP angewachsen ist. Und nicht zuletzt das ist der Grund, warum der IWF in einem Papier, das u.a. von der [i]New York Times[/i] veröffentlicht wurde, in seiner Analyse zu dem Resultat kam, daß die griechischen Schulden nicht aufrechterhalten werden können und daß es einen Schuldenschnitt sowie eine 30jährige Stundungsperiode geben muß, in der Griechenland weder Zinsen noch Zahlungen auf das Schuldkapital zahlen muß.

Was also ist der tiefere Grund, warum Schäuble, Merkel und Co. eine Politik verfolgen, von der alle Beteiligten wissen, daß sie unhaltbar ist? Eine Politik, die in Griechenland Menschenleben kostet, die die Versorgung von Krankenhäusern mit lebensnotwendigen Medikamenten und Ausrüstung abgeschnitten hat und demzufolge zu vermeidbaren Todesfällen führt, die ganze Familien in tiefste Armut und Verzweiflung stürzt und die in ihrer Gesamtwirkung zu einem Genozid gegenüber ganzen Bevölkerungsgruppen führt? Eine Politik, die – wie ganze Heerscharen von internationalen Ökonomen und Kommentatoren nach diesem fatalen EU-Wochenende befinden – die gesamte Nachkriegsdiplomatie Deutschlands der letzten 70 Jahre zerstört hat, also die deutsche Politik wieder an 1945 anknüpfen läßt(!), und in der uns das häßliche Gesicht der Inquisition, so wie sie Friedrich Schiller am Schluß von [i]Don Carlos[/i] beschrieben hat, entgegenstarrt?

Diese Ursache enthüllt sich nicht denjenigen unter unseren Zeitgenossen, die den Sinn ihres Lebens in der maximalen Anzahl von Annehmlichkeiten für sich selber sehen, die ihnen die Unterstützung des gegenwärtigen Systems der globalen Kasinowirtschaft bringt. Diese Menschen fühlen sich durch Merkel, Schäuble und Co. bestens repräsentiert und haben eine bemerkenswerte Fähigkeit entwickelt, alles auszublenden, was diese Illusion gefährden könnte. Sie haben es auf perfide Art geschafft, das Mitgefühl für das Schicksal von Millionen von Menschen abzutöten und den Zusammenhang zwischen dem Turbofinanzkapitalismus der Londoner City, der Wall Street und der Degeneration der transatlantischen Kultur, wie sie nicht zuletzt in der zunehmenden Gewalt in Medien und Alltagsleben zum Ausdruck kommt, einfach auszublenden.

Aber diese Ursache ist offensichtlich für die – leider kleine – Anzahl von denkenden Menschen in unserer Gesellschaft, die sich mit den langen Bögen der Geschichte befaßt haben. Schäuble repräsentiert nicht das Gemeinwohl der europäischen Völker und schon gar nicht der deutschen Bevölkerung, sondern er ist der Statthalter des imperialen Systems, zu dem die EU erklärtermaßen seit dem Maastrichter Vertrag verkommen ist. Dieses Imperium ist seit dem Römischen Reich in immer neuen Verkleidungen hervorgetreten: als Römisches Reich Deutscher Nation, als Venezianisches Imperium, als Holländisch-Britisches Imperium, als Anglo-Amerikanisches Imperium oder eben als die regionale Repräsentation desselben in Form der EU.

Gegen eben diese imperiale Tradition richteten sich die Amerikanische Revolution und Unabhängigkeitserklärung vor 239 Jahren. In dieser Tradition, der Tradition des Amerikanischen Systems von Alexander Hamilton, befindet sich die derzeitige Kampagne der Washingtoner Kongreßabgeordneten und Senatoren, die sich für die Wiedereinführung des Glass-Steagall-Trennbankensystems in der Tradition Franklin D. Roosevelts einsetzen, das 1933 zusammen mit dem [url:"kreditsystem"]Kreditsystem[/url] der Reconstruction Finance Corporation die Vorraussetzung dafür geschaffen hatte, die USA aus der Depression herauszuführen. Die Wiedereinführung des Glass-Steagall-Gesetzes, für das sich vier von fünf demokratischen Präsidentschaftskandidaten offen einsetzen, ist gegenwärtig das heißeste Thema in den USA. Das Weiße Haus hat sich soeben gegen Glass-Steagall ausgesprochen.

Es gibt eine Lösung für die Krise. Die Kasinowirtschaft des transatlantischen Imperiums muß beendet werden. Die Einführung eines globalen Glass-Steagall-Systems ist dafür der unerläßliche erste Schritt. Eine internationale Schuldenkonferenz muß dann die illegitimen von den legitimen Schulden trennen und abschreiben. Das Kreditsystem souveräner Staaten, wie es von Alexander Hamilton verwirklicht worden ist, muß dann die Basis eines neuen internationalen Kreditsystems werden, wie es heute im Prinzip bei den neuen Banken der BRICS-Staaten bereits existiert. Die europäischen Staaten müssen ihre Souveränität über ihre Wirtschaft und Währung zurückerlangen und dann als Europa der Vaterländer im Sinne de Gaulles mit den BRICS-Staaten in einer „Win-Win-Perspektive“ beim Ausbau der Neuen Seidenstraße zusammenarbeiten.

Für den Fall, daß sich nicht genug intelligente und moralische Kräfte finden, die diese unmittelbar vorhandene Alternative verwirklichen, ist der Weg leider vorgezeichnet: Die geopolitisch orientierten Kräfte der NATO, der USA und der EU werden die Konfrontation gegenüber Rußland und China um so schneller eskalieren, je mehr sie das transatlantische Finanzsystem kollabieren sehen. Die Modernisierung der taktischen US-Atomwaffen in Europa ist eine gute Neuigkeit für alle diejenigen, die sich einem transatlantischen ISIS-Selbstmordkommando anschließen wollen.

Es ist keine Zeit mehr zu verlieren. Glass-Steagall muß jetzt auch in Europa umgesetzt werden. Gegen die Schäubles dieser Welt haben wir alles zu verteidigen – vor allem aber unsere Menschlichkeit und die humanistische Kultur Europas.