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Folge des umstrittenen Flüchtlingsabkommen: Hilfsorganisationen ziehen sich aus Griechenland zurück

Die Legalität des Abkommens zwischen der EU und der Türkei über den Umgang mit Flüchtlingen wird international von vielen Stellen nachdrücklich bestritten. Die Vereinbarung ist in der für die EU typischen zweideutigen Art formuliert und erlaubt sozusagen „zwischen den Zeilen“ Übertretungen der nationalen Gesetze und des Völkerrechts.

Der Vertrag sieht vor, daß in allen Fällen die EU-Richtlinie zur Regelung der Asylverfahren angewendet wird. „Migranten, die kein Asyl beantragen oder deren Antrag in Übereinstimmung mit dieser Richtlinie als unbegründet oder unzulässig eingestuft wird, werden in die Türkei zurückgeführt.“ Obwohl das Völkerrecht klare Verfahrensregeln enthält, die erfüllt werden müssen, bevor ein Flüchtling ausgewiesen werden kann, könnte diese „Richtlinie“ als Vorwand für Massenausweisungen dienen. Dem Vertrag zufolge erklärt sich die EU bereit, für jeden „illegalen“ Flüchtling, den sie zurückschickt, einen „legalen“ Flüchtling aufzunehmen.

Internationale Hilfsorganisationen ziehen sich wegen des Abkommens aus Griechenland zurück. Das [i]Flüchtlingshilfswerk der UN[/i] (UNHCR), die [i]Ärzte ohne Grenzen[/i], das [i]International Rescue Committee[/i], der [i]Norwegische Flüchtlingsrat[/i] und [i]Save the Children[/i] kündigten den Rückzug an, weil das rechtswidrige Abkommen gegen ihre Mandate verstoßen könnte - sie wollen nicht an einer Massenausweisung von Flüchtlingen beteiligt sein. Damit fällt die gesamte Last der Versorgung dieser Flüchtlinge Griechenland zu.

Der UN-Hochkommissar für Menschenrechte, Zeid Ra’ad Al Hussein, erklärte dazu am 24. März: „Das erklärte Ziel, alle Flüchtlinge und Migranten zurückzuschicken, widerspricht der Garantie einer individuellen Prüfung. Wenn die Schutzregelungen als reell betrachtet werden sollen, dann muß die individuelle Prüfung die Möglichkeit zulassen, daß die fragliche Person tatsächlich nicht zurückgeschickt wird. Ansonsten wäre es immer noch eine kollektive Massenausweisung.“

Es bestehe die konkrete Gefahr, daß Staaten infolge der Vereinbarung ihre Verpflichtung gemäß der Menschenrechtskonvention mißachten, auch Argumente gegen eine Rückkehr zu prüfen, die nicht ausdrücklich im Flüchtlingsgesetz festgehalten sind. Dies könne beispielsweise notwendig sein für Kinder, Opfer von Gewalt, Vergewaltigung, Trauma und Folter, Menschen mit besonderer sexueller Orientierung, Menschen mit Behinderungen sowie mit verschiedenen anderen legitimen individuellen Schutzbedürfnissen.

Der Abgeordnete Utko Cakirözer von der größten türkischen Oppositionspartei, der [i]Republikanischen Volkspartei[/i], erklärte bei einem Treffen der Parlamentarischen Versammlung des Europarates in Tiflis, er werde beim Europarat gegen das Abkommen Beschwerde einlegen, weil es gegen die Europäische Menschenrechtskonvention verstoße. Die niederländische Senatorin Tineke Strik unterstützte seine Position und verwies auf frühere Urteile des [i]Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte[/i] (EGMR), der festgestellt hatte, daß die Rückführung von Flüchtlingen in Länder, die nicht als „sicher“ betrachtet werden können, einen Verstoß gegen das Völkerrecht darstellt. Sie kündigte Klagen gegen das Abkommen vor dem EGMR und anderen Organen zum Schutz der Menschenrechte an.

[h2]Erdogan will Opposition mundtot machen[/h2]

Während die EU der türkischen Regierung Milliarden nur dafür verspricht, daß sie die internationale Flüchtlingskonvention erfüllt und gegen Menschenhändler vorgeht, und sogar wieder das Verfahren für einen Beitritt der Türkei eröffnet, wird völlig ignoriert, daß die Türkei selbst sich wegen ihrer massiven verdeckten Beteiligung am Krieg gegen die Regierung Assad in Syrien zunehmend zum instabilsten Land in der Region entwickelt.

Die jüngsten Selbstmordanschläge in Ankara und Istanbul sind nur die letzten in einer Anschlagsserie, die seit vergangenem Oktober schon mehr als 200 Todesopfer gefordert hat. Gleichzeitig sehen wegen der sog. „Sicherheitsoperationen“ gegen die separatistische [i]Arbeiterpartei Kurdistans[/i] (PKK) mehrere Städte im Südosten des Landes schon ähnlich aus wie das kriegsverheerte Aleppo in Syrien. Die Regierung veröffentlicht keine amtlichen Zahlen, aber die Zahl der zivilen Todesopfer wird auf mehrere Hundert geschätzt, und wegen der Kämpfe gibt es in der Türkei etwa 400.000 Binnenflüchtlinge.

Parallel dazu verstärkt die Regierung die Unterdrückung der im gesamten politischen Spektrum anwachsenden Opposition. Am 4. März ordnete ein Gericht die Beschlagnahmung einer der auflagenstärksten Tageszeitungen des Landes an, [i]Zaman[/i], die zu den letzten verbliebenen kritischen Stimmen gegen Präsident Erdogan und dessen Partei [i]AKP[/i] gehörte. Innerhalb von 24 Stunden wurden Treuhänder eingesetzt, und das Blatt schwenkte auf eine regierungsfreundliche Linie um.

Zwei Wochen später wandte sich die Staatsanwaltschaft gegen die Tageszeitung [i]Hurriyet[/i] und ihren Herausgeber, den Verlag [i]Dogan Holding[/i] - das größte internationale türkische Unternehmen. Dabei wird 47 Personen organisierte Kriminalität vorgeworfen, darunter dem Chef der [i]Isbank[/i], Ersine Özince. Die Bank ist teilweise im Besitz der [i]Republikanischen Volkspartei[/i], was noch in die Zeiten zurückreicht, als Atatürk diese Partei anführte. Angeklagt sind auch Direktoren des österreichischen Ölunternehmens [i]OMV[/i], das eine Mehrheitsbeteiligung an der [i]Dogan Holding[/i] hält, u.a. dessen Vizechef David Davies und Vorstandsmitglied Manfred Leitner, denen ebenfalls Mitgliedschaft in der illegalen Organisation vorgeworfen wird.

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