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„Große Koalition wird keinen Bestand haben - Wir brauchen eine Debatte, wo Deutschland hin soll“

Von Alexander Hartmann

Die starken Turbulenzen auf den internationalen Finanzmärkten zu Beginn der vergangenen Woche sind ein kräftiger Wink mit dem Zaunpfahl, daß das Weltfinanzsystem in sehr viel schlechterem Zustand ist, als es uns die westlichen Regierungen und Zentralbanken glauben machen wollen. Der Dow-Jones-Börsenindex lag am 5. Februar zeitweise um 1600 Punkte unter dem Stand des Vortages und beendete den Tag mit einem Verlust von 1175 Punkten (4,6%). Das war zwar nicht prozentual, wohl aber nach Punkten der größte Absturz der Geschichte überhaupt. Auch an anderen Finanzmärkten wie Tokio oder Frankfurt gab es kräftige Kurseinbrüche, der DAX-Index stürzte am 6. Februar um rund 500 Punkte ab.

Noch in der dritten Dezemberwoche 2017, als die Federal Reserve eine Anhebung der Diskontrate um einen Viertelpunkt ankündigte und der Kongreß die jüngsten Steuersenkungen beschloß - die den Finanzierungsbedarf der US-Regierung um mindestens 1500 Mrd. vergrößerten -, lagen der Dollarkurs bei 85 Eurocent und die Zinsen für 10jährige US-Anleihen bei 2,42%. Bis zum 2. Februar 2018 war der Dollarkurs auf 80 Eurocent gefallen, und die Zinsen für 10jährige Anleihen waren auf 2,84% gestiegen.

In diesen sechs Wochen ist der Dollarkurs also deutlich eingebrochen, während die Zinsen deutlich anzogen. Und da ein großer Teil des billigen Geldes, mit dem die Zentralbanken in den letzten Jahren die Banken stützten, von Unternehmen geborgt wurde, um damit Rückkäufe eigener Aktien zu finanzieren, war es nur logisch, daß sich die Zinswende früher oder später auf die Aktienkurse auswirken mußte.

Helga Zepp-LaRouche kommentierte diese Entwicklungen am 7. Februar in ihrem Internetforum auf www.bueso.de: „Am letzten Freitag sind die Börsen um 666 Punkte in den USA eingeknickt, und am Montag waren es sogar 1175 Punkte. Das hat so mal ganz locker in einigen Tagen vier Billionen Dollar an nominellen Werten weggefegt. Und das ist nicht so wenig, das sind keine ,Peanuts’ mehr.“

Sie fuhr fort: „Natürlich ist anzunehmen, daß das sogenannte plunge protection team - also die Leute, die dann Geld ins System pumpen - wieder in Aktion getreten ist, deshalb ist die Sache jetzt temporär etwas gestoppt. Aber jeder weiß: Jede solche Maßnahme wird das Problem vergrößern. Denn je mehr die Blase aufgepumpt wird, desto dramatischer wird der Effekt sein, wenn es wirklich zu einem Desintegrationsprozeß kommt. Und der Punkt kommt näher, da sind die Warnungen absolut zahlreich. Deshalb ist die Politik von Trump, die Börsenwerte zum Indikator des Funktionierens der Wirtschaft zu machen, wirklich keine gute Idee. Selbst das Wall Street Journal hat ihm davon abgeraten. Die absolute Angespanntheit der Finanzmärkte, das geht auf einen Bruchpunkt zu.“

Genau davor hatten in den letzten Wochen Finanzexperten wie der frühere Chefökonom der Bank für Internationalen Zahlungsausgleich, William White, gewarnt: Wie wir berichteten, sagte White in einem Interview mit dem Daily Telegraph am Rande des Weltwirtschaftsforums in Davos: „Die Zentralbanken sind jetzt in einer ,Schuldenfalle’ gefangen. Sie können die Zinsen nicht länger nahe null halten, wenn sich nun weltweit Inflationsdruck aufbaut, weil das eine noch gefährlichere Finanzblase zur Folge hätte, aber sie können die Zinsen auch nicht einfach erhöhen, weil man damit riskiert, daß das System auseinanderfliegt.“

Helga Zepp-LaRouche betonte, daß man sich deshalb schon jetzt Gedanken darüber machen müsse, wie auf einen Zusammenbruch des Finanzkasinos zu reagieren ist: „Es ist absolut notwendig, sich vorher genau einen Plan zu machen. Denn der Moment der Krise kann dann auch wirklich zu einer Chance werden, vorausgesetzt, man hat vorher einen Plan.“

Sie wies darauf hin, daß US-Präsident Trump im Wahlkampf und auch danach in Reden vor seinen Anhängern mehrfach versprochen hatte, er werde das Glass-Steagall-Trennbankengesetz wieder einführen und zum Amerikanischen System der Ökonomie zurückkehren. Das sei zwar das Gegenteil von dem, was seine mit dem Bankhaus Goldman Sachs verbundenen Finanzberater Cohn und Mnuchin wollen, „aber die Basis von Trump ist auch noch da“, betonte sie. „Unsere Kollegen in Amerika sind in einer vollen Mobilisierung.“

Das Ziel dieser Mobilisierung sei es, Unterstützung - z.B. in Form von Resolutionen von Landtagen amerikanischer Bundesstaaten - nicht nur für die Rückkehr zum Glass-Steagall-System zu gewinnen, sondern für die von Lyndon LaRouche formulierten „Vier Gesetze“ für eine Erholung der Wirtschaft insgesamt, „nämlich Glass-Steagall, Nationalbank, Kreditsystem und dann Kooperation mit der Neuen Seidenstraße.“

Die Lösungen seien also absolut vorhanden, „aber ich fürchte, daß der Tsunami nur eine Frage der Zeit ist, und daß das, was wir Freitag und Montag erlebt haben, nur das erste Beben war von einem Erdstoß, der die ganze Welt erschüttern kann und wird, wenn eben diese Maßnahmen nicht ergriffen werden“.

Koalitionsvertrag ist „Flickwerk“

Um so kritischer sei das Ergebnis der Berliner Verhandlungen über die Bildung einer Großen Koalition zwischen CDU/CSU und SPD zu sehen. Helga Zepp-LaRouche kommentierte die Einigung über die Regierungsbildung - von der sowieso noch unklar ist, ob die Parteibasis der SPD ihr tatsächlich zustimmen wird -, sie setze „keine großen Hoffnungen in diese Große Koalition... Das ist alles Flickwerk, und ich befürchte, daß das auch keinen großen Bestand haben wird.“

Vor allem kritisierte sie die „ganz klare Antihaltung“ gegenüber der Kooperation mit China und der Neuen Seidenstraße. „Denn wir sind in einem epochalen Umschwung. Das neue Paradigma mit der Neuen Seidenstraße und mit der Vision Xi Jinpings, eine ,Schicksalsgemeinschaft für die Menschheit’ zu bauen, das ist ja alles schon auf dem Weg, das ist nicht mehr rückgängig zu machen. Das ist das größte Infrastruktur- und Entwicklungsprogramm in der Geschichte der Menschheit. Es hat die Lebensperspektive für viele, viele Völker auf dieser Welt vollkommen verändert. Und wenn man sich da dagegen stellt und versucht, auf die Bremse zu treten, das ist einfach nicht realistisch.“

Sie betonte: „Wir brauchen in Deutschland einen breiten Diskurs über die Frage: Wo soll Deutschland hinkommen? Was soll die Rolle Deutschlands sein bei der Entwicklung von Afrika, bei der Entwicklung Syriens, des Irak, ganz Südwestasiens? Das ist eine Debatte, die wirklich notwendig ist.“

Neues Paradigma notwendig

Die BüSo werde daher ihre Politik weiterverfolgen, „die Idee, daß wir ein vollkommen neues Paradigma brauchen in den Beziehungen zwischen den Staaten, wo sich jeder Staat auf die beste kulturelle Tradition des anderen bezieht, wo wir eine Renaissance der klassischen Kulturen haben, einen Dialog zwischen diesen Kulturen. Das ist etwas, was mit der wahren Identität der Menschheit als kreativer Gattung in absoluter Übereinstimmung ist - und das Festhalten an der Geopolitik ist es eben nicht.“

Insbesondere die Haltung des Westens gegenüber China müsse sich ändern, nachdem westliche Kommentatoren in den letzten Monaten in einer massiven Propagandawelle China hegemoniale Bestrebungen gegenüber der übrigen Welt unterstellten. Zepp-LaRouche betonte: „Vor allen Dingen sollten wir wirklich in Bezug auf China richtig hingucken, was das ist. Es ist eben nicht das, was da gezeichnet wird, sondern es ist ein Land, das ganz klar zum Wohl seiner Bevölkerung einen enormen Fortschritt erzeugt hat. Die Menschen in China sind durch die Bank zufrieden und hoffnungsvoll.“ Die chinesische Staatsphilosophie sei stark vom Konfuzianismus geprägt, „und das ist eigentlich unserer humanistischen Tradition sehr, sehr viel ähnlicher als das liberale Demokratiemodell, das wir im Augenblick haben“.

In diesem Zusammenhang hob sie als positives Beispiel hervor, „daß gerade ein Bischof aus der Kurie in Rom, nämlich der Chef der Akademie der Sozialwissenschaften des Vatikan, China gelobt hat als das Land, was die katholische Soziallehre am besten verwirklicht.“

Wie The Catholic Herald, das offizielle Organ der Katholischen Kirche in Großbritannien, berichtete, rühmte Bischof Marcelo Sanchez Sorondo, der Kanzler der Päpstlichen Akademie für Sozialwissenschaften, nach einem Besuch des Landes Chinas „außergewöhnliche“ Leistungen. „Es gibt dort keine Barackenstädte, es gibt dort keine Drogen, die jungen Menschen nehmen keine Drogen. Anstelle von Drogen haben sie ein ,positives nationales Bewußtsein’.“ In China, sagte der Bischof, „beherrscht nicht die Wirtschaft die Politik, wie in den Vereinigten Staaten - was selbst die Amerikaner zugeben würden“. Im Gegensatz zu jenen, die „dem liberalen Denken folgen, arbeitet China für das größere Wohl des Planeten“.

Bischof Sanchez Sorondo hatte China im Rahmen einer diplomatischen Offensive des Vatikan besucht. The Catholic Herald zitiert ihn: „Was ich in China vorfand, war außergewöhnlich. Was die Menschen nicht erkennen: Der zentrale Wert in China ist Arbeit, Arbeit, Arbeit. Es gibt keinen anderen Weg. Im Grunde ist es so, wie es der Hl. Paulus gesagt hat: Wer nicht arbeiten will, soll auch nicht essen.“

Wie der Redakteur des Herald berichtet, führen der Vatikan und China seit einigen Jahren Gespräche über den Status der christlichen „Untergrundkirche“ in China und die Ernennung von Bischöfen. Diese nahm in früheren Zeiten der Papst vor, aber derzeit tut dies die chinesische Regierung. Im vergangenen November veranstaltete das Vatikanische Museum im Rahmen einer „Diplomatie der Kunst“ gemeinsame Ausstellungen mit China.

Der Artikel schließt mit einer Bemerkung von Bischof Sanchez Sorondo, China entwickle sich gut und habe jetzt „viele Punkte der Übereinstimmung mit dem Vatikan“. Man solle nicht meinen, das China von heute sei noch das China aus der Zeit Johannes Paul II. oder des Kalten Krieges mit Rußland.

Helga Zepp-LaRouche hob diese Haltung als positives Beispiel hervor: „Das ist wirklich ganz gut, daß es mal Leute gibt, die die Folgen der chinesischen Politik sehen, und sehen: das ist eigentlich das, was die katholische Soziallehre verlangt, was natürlich in Europa nicht gemacht wird, aber dafür in China.“ Sie bat daher ihre Zuschauer, „daß Sie einen offenen Geist behalten und sich nicht von Propaganda blenden lassen, sondern lieber selber die Reden von Xi Jinping lesen, selber Konfuzius lesen, und auch mit uns in eine Debatte eintreten, wo Deutschland wirklich hinsoll.“