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Ideen Martin Luther Kings machtvoll auf die Bühne gebracht

[i]Von Helga Zepp-LaRouche[/i]

Ron Williams hat in seinem Musical [i]The King of Love - das Leben und die Ideen Martin Luther Kings[/i] auf die Bühne gebracht - ein gelungenes Unterfangen, meint Helga Zepp-LaRouche, die Bundesvorsitzende der Bürgerrechtsbewegung Solidarität, die sich die Uraufführung am 2. Februar in der Kaiser-Wilhelm-Gedächtniskirche angesehen hat.

Am 2. Februar fand in der Kaiser-Wilhelm-Gedächtniskirche in Berlin etwas sehr Ungewöhnliches und Bemerkenswertes statt: die Weltpremiere eines Musicals über das Leben und die Ideen Martin Luther Kings mit dem Titel [i]The King of Love[/i]. Um es gleich vorwegzunehmen, das Unternehmen, ?ein ernstes politisches Thema mit den Mitteln des Entertainments? lebendig zu machen, ist gelungen.

Die Leser dieser Zeitung, deren Vorliebe für klassische Musik eines ihrer Markenzeichen ist, werden sich vielleicht über dieses Urteil wundern. Aber in einer Zeit, in der auf den Bühnen in Deutschland seit Jahrzehnten die ?ernsten politischen Ideen? der klassischen Theaterstücke durch das Regietheater bis zur Unkenntlichkeit zerstört worden sind, bildet dieses von Ron Williams verfaßte Musical eine wohltuende Ausnahme. Denn die Ideen und Prinzipien Dr. Kings kamen klar zum Vorschein und fanden trotz ihres Kontrastes zum vorherrschenden Zeitgeist im Publikum eine überwiegend positive Resonanz, auch wenn der Inhalt keine leichte Kost war. 

Deutlich wurde die Bewunderung, die Ron Williams für Martin Luther King empfindet. Vier Jahre lang hat er sich mit dessen Lebensgeschichte beschäftigt, umfassend noch heute lebende Zeitzeugen befragt, so daß ein authentisches Bild des Dramas um King entstehen konnte. Williams bedient sich eines dramaturgischen Kunstgriffs: Gleich zu Beginn des Stücks wird King, sehr überzeugend von Williams selbst dargestellt, von der Kanzel predigend angeschossen. In den ihm noch verbleibenden 18 Minuten seines Lebens, bis er in den Armen seines Freundes Abernathy stirbt, läuft sein Leben gerafft in den wichtigsten Stationen noch einmal vor seinem geistigen Auge und praktisch vor dem Publikum ab.

Immer wieder spürt man im Text aktuelle Bezüge, so gleich am Anfang, als ein Sheriff ein Loblied auf die USA als das freieste und mächtigste Land singt, um gleich darauf friedliche Kirchenbesucher brutal niederknüppeln zu lassen - die Bigotterie der Neocons läßt grüßen. King, der während des Geschehens gewissermaßen im Schwebezustand zwischen dem Diesseits und dem Jenseits aus seinem Körper herausgetreten ist - diesen Zustand symbolisiert ein tanzender Engel -, kommentiert nun fast heiter und gelöst markante Episoden seines Lebens: seine Liebe zu Coretta und seine Hochzeit mit ihr, der Prozeß gegen Rosa Parks, die im rassengetrennten Alabama 1955 ihren Sitz im Bus gegen den Anspruch eines Weißen verteidigt und damit die Bürgerrechtsbewegung erst richtig aktiviert hatte, die Verurteilung Kings zu sechs Monaten Zwangsarbeit, weil er vergaß, seinen Führerschein von Alabama nach Georgia umzumelden, seine Differenzen mit Malcolm X, der Kings Prinzip der Gewaltlosigkeit ablehnte, und immer wieder Kings Predigten, in denen er seine Vision von der Rassengleichheit aller Menschen und der Liebe zur Menschheit machtvoll entwirft.

Wenn er gegen ?den Krieg? predigt - natürlich bezog sich der wirkliche King auf den Vietnamkrieg -, elektrisiert der von Williams gespielte King das Publikum, weil jeder an den Irakkrieg und die akute Gefahr des Irankrieges erinnert wird. Und es ließ an Klarheit nichts zu wünschen übrig, wie die Rolle von J. Edgar Hoover, dem ?Rassisten, Antisemiten und Faschisten? als dem tatsächlichen Auftragsgeber des Mordes an King inszeniert wurde. Nicht wenige im Publikum wurden nachdenklich angesichts der brutalen Direktheit des Kontrasts der beiden Amerikas, die hier lebendig wurden.

Nein, Ron Williams machte es den Zuschauern trotz Musicaldesign nicht leicht. Zwar wechselten sich im Rahmen der Entertainmentkultur durchaus ?hitverdächtige? Songs wie Kings Soulballade ?There must be a Reason? mit ?fetzigen? Gospels ab, wenn die Bürgerrechtler auftreten, und mit Countryrock und Bluegrass-Melodien, wenn der Ku-Klux-Klan auftritt. Aber trotz dieses musikalischen Zugeständnisses an den populären Geschmack sind einige der vorgestellten Ideen für die derzeitige Wertestruktur der Bevölkerung eine unglaubliche Provokation.

Um ein Beispiel zu geben: Als King am Vorabend seiner Ermordung, die er sehr wohl erahnt, noch einmal kompromißlos von seiner Mission spricht, hält ihm Coretta entgegen, er kümmere sich nicht genug um seine Familie - das uralte Argument so vieler Ehefrauen (und -männer), die mit großen Partnern verheiratet sind. Unbeirrt besteht King darauf, daß er am nächsten Tag nach Memphis müsse. Coretta wendet sich ab und läßt ihn allein zurück, und das Publikum weiß, daß sie sich gerade zum letzten Mal sahen - das alte Thema, das Schiller schon im [i]Wilhelm Tell[/i] in der Auseinandersetzung zwischen Stauffacher und seiner Frau Gertrud behandelte, wo allerdings Gertrud die heroische Ansicht vertrat.

Es ist gewiß, daß ?The King of Love? viele vor allem jüngere Leute mit der herausragenden Persönlichkeit Martin Luther Kings vertraut machen wird, die ihn und die historische Rolle der Bürgerrechtsbewegung nicht mehr persönlich kennen konnten und vielleicht in der Schule oder den Medien nichts Adäquates darüber erfahren haben. Und das ist in einer Zeit, in der es die Bush/Cheney-Administration geschafft hat, das Bild Amerikas in der Welt auf einen Tiefstand zu bringen, von großem Wert. Denn daß es das wirkliche Amerika, das Amerika der Amerikanischen Revolution von Benjamin Franklin und Alexander Hamilton, von Lincoln, Franklin D. Roosevelt und Martin Luther King, auch heute noch gibt, dieses Wissen ist heute gerade für Deutschland und Europa extrem wichtig. Von daher gebührt Ron Williams hohe Anerkennung, daß er dazu beiträgt, Kings Traum lebendig zu halten. Man kann nur hoffen, daß Williams noch ein Stück über King produziert, und vielleicht sei noch eine weitere Hoffnung ausgedrückt: Man könnte dann die Negro Spirituals sowohl in ihrer Originalfassung als auch in den Neukompositionen z.B. von Roland Hayes und Harry Burleigh zur Grundlage nehmen.