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Interview: Europa ist nur mit Solidarität und Entwicklung für alle möglich!

Anläßlich des nationalen Aktionstages in Frankreich zur Schuldenfrage am 24. April, der von der französischen Partei  Solidarite et Progres organisiert wurde, schickte die italienische Unternehmerin Alessia Ruggeri an Jacques Cheminade, den Vorsitzenden der S&P, eine Unterstützungsbotschaft. Im folgenden erklärt sie den Lesern der BüSo-Webseite die Positionen ihrer Organisation.*

Frau Ruggeri wurde in Agrigento, Sizilien, geboren und lebt in der Nähe von Lecce. Seit 2020 ist sie Vorsitzende von UPI Italia, einer Vereinigung der Selbstständigen, und Vizevorsitzende von Confimprese Italia; seit März 2021 Generalsekretärin von Azienda Europa, einer Konföderation von europäischen Verbänden und Verbrauchern. Außerdem ist sie Interregionale Vorsitzende von NOA (Nucleo Operativo Ambientale, das sich mit Gesetzesverschärfungen beschäftigt) sowie Mitglied des Nationalen Vorstands (Direttivo Nazionale) der Guardie Nazionali Antiusura (Nationale Anti-Wucher-Wachen, die mit Strafverfolgungsbehörden zusammenarbeiten).    

Ihre Bewegung UPI Italia organisiert Demonstrationen und Proteste in ganz Italien. Können Sie uns den Hintergrund Ihrer Bewegung erklären? Was repräsentiert sie? Welches sind ihre Hauptziele?

Alessia Ruggeri: UPI Italia ist eine freie Vereinigung von Unternehmern aus den verschiedenen Bereichen der kleinen und mittleren Unternehmen Italiens. Sie entstand aus dem Bedürfnis des kleinen und mittleren Bürgertums, wieder eine Rolle im italienischen demokratischen System zu spielen, seine Rechte respektiert zu sehen und nicht von einem übermäßig eingreifenden und belastenden Staatssystem schikaniert zu werden, das die Unternehmen im Hinblick auf den internationalen Markt nicht wettbewerbsfähig macht. Die globalen Konkurrenten des italienischen Unternehmers haben z.B. viel niedrigere durchschnittliche Steuerkosten.

Mit der Pandemie sind diese Fehlfunktionen des globalen Marktes noch viel ausgeprägter geworden. Es ist inakzeptabel, daß wegen der verschiedenen staatlich verursachten Kosten  der Großhandel lieber landwirtschaftliche Güter, wie z.B. Tomaten, aus China importiert, als solche zu kaufen, die der Bauer ein paar Kilometer vom Geschäft entfernt produziert. UPI setzt hier an und versucht, den Ärger darüber in einen Regierungsvorschlag umzuwandeln, wobei sie ihre Rolle als Verband von Unternehmen und nicht als Partei beibehält. UPI ist in ganz Italien präsent.

Können Sie uns mehr über die aktuelle Situation in Süditalien und die Lage der Landwirte erzählen?

Ruggeri: Seit der Vereinigung des italienischen Staates befindet sich Süditalien im Vergleich zum Rest des Landes in einer schwierigen Situation. Paradoxerweise kann das große Thema des Konjunkturfonds, an dem Europa arbeitet, die Antwort sein, um ein großes Infrastrukturprojekt umzusetzen, um Italien ein für alle Mal zu vereinen. Das gefällt nicht jedem, auch nicht in Europa. Ein vereintes und gut strukturiertes Italien könnte sehr wettbewerbsfähig sein und das stört diejenigen, die heute von einem geteilten und rückständigen Italien profitieren. Unter diesem Gesichtspunkt erwartet UPI viel von der Draghi-Regierung.

Was die Situation des Agrarsektors betrifft, so kann man nur feststellen, daß die Einschränkungen von italienischen und europäischen Unternehmen in diesem Sektor den italienischen Landwirten große Probleme bereiten, insbesondere auf einem globalen Markt. Warum kann z.B. ein in Italien behandeltes Produkt nicht verkauft werden, wenn es unter Verwendung von chemischen pilzbekämpfenden Mitteln hergestellt wurde, aber es aus Fernost importiert werden? Diese Marktverzerrungen müssen beseitigt werden, um die Gesundheit unserer Landsleute und die Existenzmöglichkeit europäischer Agrarbetriebe zu schützen.

Des weiteren müssen Verzerrungen, die alle auf europäischer Ebene stattfinden, wie z.B. die Bevorzugung von gefriergetrockneten landwirtschaftlichen Produkten, enden. Stattdessen sollte die Verwendung von frischen Produkten in der Milchversorgungskette verlangt werden. Statt den Import von Fleisch aus europäischen Massentierhaltungen zu bevorzugen, sollte die Lebensmittelverarbeitungsindustrie verpflichtet werden, nur einheimische Produkte zu verwenden. Das würde offensichtlich größere Quoten für die regionalen Betriebe bedeuten. Für solche Änderungen setzt sich die UPI ein.  Außerdem kann ich nicht umhin, mich über die Art und Weise des Umgangs des  Xylella-Problems (Krankheit der Ölbäume, Anm. d. Red.) wundern, die darauf abzielt, die ölproduzierenden Unternehmen und die gesamte damit verbundene Verarbeitungskette zu verarmen.

Was ist Ihre Vision für Italien, für Europa und für die Welt - damit wir der aktuellen Zusammenbruchskrise entkommen und in ein globales Entwicklungsparadigma für die gesamte Menschheit eintreten können?

Ruggeri: Seit dem Ende des Zweiten Weltkriegs ist Italien ein festes Mitglied des Atlantikpakts, der den Italienern Freiheit, wirtschaftliche und soziale Entwicklung garantiert hat. Der Aufschwung muß von dieser starken historischen Basis ausgehen. Das andere Standbein für die wirtschaftliche und soziale Erholung des Landes ist Europa. Aber heute ist Europa zu weit von der Idee seiner Gründerväter entfernt, eine Idee, die im Text des Ventotene-Paktes perfekt zum Ausdruck kommt: ein föderales und gleichberechtigtes Europa, das eine ausgewogene Entwicklung und Solidarität eines jeden Teils der Europäischen Gemeinschaft ermöglicht. Heute ist der erste Feind eines europäischen Staates im globalen System allzuoft ein anderer europäischer Staat. Es gibt zu viele kleine Tricks unter uns Europäern. Das muß schnell gelöst werden, bevor alles explodiert und allen Europäern, nicht nur einigen, schweren Schaden entsteht.

Abgesehen von diesen beiden Gründungselementen, die nie vergessen werden sollten, kann der erste zusätzliche Gesprächspartner Europas, schon allein wegen seiner kulturellen und geographischen Nähe, nur Rußland sein. Mit Rußland gibt es heute keinen Dialog. Dies ist für alle sehr gefährlich. Ein schwaches Rußland wird gezwungen sein, sich mit dem dritten großen Gesprächspartner, China, zu verbünden und ich bin mir nicht sicher, ob das für Europa günstig ist. Natürlich müssen die Russen ihren Teil leisten,  die gemeinsamen christlichen Wurzeln [mit Europe] können es einfacher machen. Wie in der jüngsten Vergangenheit muß Europa in der Lage sein, eine Vermittlerrolle in den heute so komplexen Beziehungen zwischen Staatschef Putin und dem amerikanischen Präsidenten zu spielen.

Zu viele Spannungen in unserem Europa sind ein weiteres Problem für den wirtschaftlichen Aufschwung unserer Unternehmen. Das Gleichgewicht im westlichen System erfordert guten Willen von allen.

Das Interview wurde aus dem italienischen übersetzt und leicht bearbeitet. Wir bedanken uns bei Frau Ruggeri für das Interview und bei Liliana Gorini, MOVISOL Italien, für die Übersetzung.

 

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