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Italiens Kooperation mit der Neuen Seidenstraße weist Europa den Weg in die Zukunft

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Von Helga Zepp-LaRouche

Der Staatsbesuch des chinesischen Präsidenten Xi Jinping in Italien, bei dem eine Absichtserklärung zwischen beiden Ländern unterzeichnet wurde, beim Ausbau der Neuen Seidenstraße zu kooperieren, war eine machtvolle Demonstration, daß es in der Politik auch begeisternde und positive Entwicklungen geben kann. Die neue Qualität der Kooperation und Wiederbelebung der antiken Seidenstraße wird nicht nur für Italien enorme wirtschaftliche Vorteile bringen, wie Ausbau der Häfen, Modernisierung der Infrastruktur, Neuinvestitionen in ein breites Spektrum von Industrieanlagen, Steigerung der Exporte nach China und gemeinsame Investitionen in Drittländer, sondern das Land wegen seiner vorteilhaften geographischen Lage im Süden Europas und am Mittelmeer einerseits zum Tor zwischen Asien und Europa, aber vor allem zum Brückenkopf für die Zusammenarbeit bei der Industrialisierung Afrikas machen.

Man sollte annehmen, daß dies das Thema Nr. Eins in allen Nachrichtensendungen gewesen wäre. Weit gefehlt, denn das Verhältnis zu China ist derzeit die Gretchenfrage in der europäischen Politik. Während in Italien von dem durchaus EU-freundlichen Präsidenten Mattarella bis hin zu den Koalitionsparteien und selbst in weiten Teilen der Opposition alle das enorme Potential erkennen, das die chinesische „Kultur des Wachstums“, wie Mattarella es in seiner Pressekonferenz mit Präsident Xi Jinping nannte, für das von EU-Austeritätsmaßnahmen gebeutelte Italien bedeutet, schrillten in den „übrigen großen EU- Staaten und auch den USA die Alarmglocken“, wie es bei T-Online hieß.

Die Seidenstraße sei das trojanische Pferd Chinas, sie bringe keinerlei wirtschaftliche Vorteile, die Kooperation Italiens mit ihr werde den Ruf des Landes weltweit ruinieren, so der John Bolton nahestehende Garrett Marquis, ein Sprecher des Nationalen Sicherheitsrates der USA, sie verleihe dem „räuberischen Ansatz Chinas Legitimität“ - die Liste der giftigen Argumente seitens des geopolitischen Lagers ließe sich noch um einiges verlängern.

Wer immer diese anti-chinesische Linie wiederholte, gab sich damit als bewußter oder manipulierter Befürworter des angloamerikanischen Neokon-Establishments zu erkennen. Der Direktor der nationalen Geheimdienste in den USA, Dan Coats, hatte vor kurzem ebenso wie Pence, Pompeo und Bolton und alle jüngsten Strategiepapiere der US-Aministration China und Rußland als hauptsächliche Sicherheitsbedrohungen für die USA bezeichnet, womit das Militär- und Geheimdienst-Establishment offensichtlich versucht, die an sich auf positive Kooperation ausgerichtete China-Politik von Präsident Trump „einzuhegen“, wie das auf neokon-neudeutsch heißt.

Hinter dieser in jüngster Zeit in den USA aber auch in Europa verstärkt aufgeflammten anti-chinesischen Propaganda verbirgt sich der Konflikt zwischen dem alten Paradigma des neoliberalen Systems, dessen Kräfte unbedingt am Schema der Geopolitik festhalten wollen, und dem neuen Paradigma, das von China mit dem neuen außenpolitischen Konzept einer Win-Win-Kooperation souveräner Nationen eingeführt worden ist. Auch wenn die zunehmenden Spannungen im amerikanisch-russischen Verhältnis durchaus Grund für größte Sorge sein können, gehen viele Insider davon aus, daß der primäre strategische Konflikt die Beziehung zwischen den USA und China ist. Es geht dabei um die berühmte „Thukydides-Falle“: Wie wird die bisher dominierende Macht - also die USA- auf den Aufstieg der zweiten Macht reagieren? Zwölf Mal kam es in der Geschichte dabei zum Krieg, vier Mal verdrängte die aufsteigende Macht die bis dahin erste Macht ohne Krieg.

Die chinesische Regierung hat mit der Seidenstraßen-Initiative seit über fünf Jahren ein völlig neues Konzept der strategischen Beziehungen auf die internationale Tagesordnung gebracht, das die Geopolitik überwindet und durch Präsident Xi Jinpings Idee der „Schicksalsgemeinschaft der Menschheit“ ersetzt. Dieses neue Modell, das zwar durchaus chinesische Interessen verfolgt, aber im Gegenzug auch den bisher 123 kooperierenden Staaten bis dahin unerreichbare Vorteile bringt, hat sich als einfach attraktiver erwiesen. Statt Staaten einen geopolitischen Stellvertreter-Status zuzuweisen, hat es in Afrika, Asien, Lateinamerika und sogar in den 13 europäischen Staaten, die bisher ähnliche Absichtserklärungen unterzeichnet haben, wie jetzt Italien, reale Fortschritte gebracht: Infrastruktur, Investitionen in Industrie und Landwirtschaft, Kooperation bei Wissenschaft und Technologie und Austausch von Kultur.

Die EU reagiert ihrerseits extrem gespalten: Einerseits bezeichnet sie - gewissermaßen als Juniorpartner des angloamerikanischen Empires - in ihrem soeben veröffentlichten „10-Punkte-Aktionsplan“ China als „systemischen Rivalen“, der „alternative Regierungsmodelle“ propagiere, andrerseits glaubt sie nicht, sich die wirtschaftlichen Vorteile der Kooperation mit China entgehen lassen zu können. Präsident Macron, selbst mit seinen EU-Reformplänen wenig erfolgreich und von der eigenen Bevölkerung ungeliebt, lobte das EU-Papier im Vorfeld seiner Treffen mit Xi Jinping, dieser Weckruf sei notwendig gewesen, die Zeit für europäische Naivität sei vorbei, in der China die europäische Zerrissenheit ausgenutzt habe.

Sehr viel zielführender klingen dagegen die Ansichten des italienischen Finanzministers Tria, der auf die „erstaunliche Vielfalt“ der Bereiche verwies, in denen Italien seine Expertise bei der Seidenstraßen-Initiative einbringen könne: Maschinenbau, Logistik, Consulting, Machbarkeitsstudien, Design, Ingenieurswesen, Sicherheit, Finanzen, Versicherung. Tria weiter: „Italien erfreut sich auch einer strategischen geographischen Position entlang der jetzigen und künftigen Rahmenbedingungen der Handelsbeziehungen zwischen dem Osten und Westen und Afrika. Am Mittelmeer gelegen, verfügt Italien über die zweitgrößten Industriekapazitäten in Europa, ist führend in der technologischen Innovation und gut mit qualitativ hochstehenden Häfen sowie Straßen und Eisenbahnnetzwerken ausgestattet. Diese Eigenschaften machen Italien zum idealen südlichen Portal für den europäischen Kontinent und Handelsrouten zwischen Europa und China.“

Das Selbstbewußtsein und Erkennen des Potentials, das in diesen Worten Trias zum Ausdruck kommt, steht im krassen Gegensatz zu der Wahrnehmung Chinas als Bedrohung. Interessanterweise kommt die Opposition gegen China gerade von den Kreisen, die noch 2001 vehement die Aufnahme Chinas in die Welthandelsorganisation, WTO, betrieben hatten, offensichtlich in der Annahme, daß dies automatisch zur chinesischen Übernahme des westlichen Modells der liberalen Demokratie führen würde.

Anstatt China nur als „systemischen Rivalen“ abzutun und der eigentlich recht arroganten Meinung anzuhängen, daß das westliche demokratische Modell der einzige Standard für die ganze Welt für eine gute Regierung sein müsse - nach dem Motto: am westlichen Wesen muß die Welt genesen -, wäre es sinnvoller, die Kriterien für die Qualität eines Systems neu zu überdenken. Fakt ist, daß China den Lebensstandard seiner eigenen Bevölkerung in den letzten 40 Jahren enorm angehoben hat, seit einigen Jahren zum erstem Mal den Entwicklungsländern die Chance der Überwindung der Unterentwicklung bietet, die Asienkrise und dann die Krise von 2008 wesentlich besser gemeistert hat als der Westen und in der eigenen Bevölkerung einen Zukunftsoptimismus hervorgebracht hat, der dem Westen völlig abhanden gekommen ist.

Dabei beweist die Praxis Chinas, daß es im Gegensatz zu Christentum und Islam keineswegs beabsichtigt, andere Kulturkreise zu seiner eigenen Philosophie zu bekehren, sondern ausdrücklich das Prinzip der Souveränität und Akzeptanz des jeweiligen anderen sozialen Modells befürwortet. Der Vorwurf, China spalte Europa, ist angesichts des unsäglichen Brexit-Theaters, des angekündigten Einsatzes von Militärkräften gegen die Gelbwesten in Frankreich und der bereits tiefgehenden Spaltung in Europa zwischen Ost und West und zwischen Nord und Süd mehr als durchsichtig.

Ganz im Gegenteil: Wenn sich Deutschland und Frankreich dem italienischen Vorbild der Kooperation mit China nicht nur in den bilateralen Beziehungen, sondern vor allem bei der Industrialisierung Afrikas und Südwestasiens anschließen würden, wäre dies so ziemlich die einzige Ebene, auf der Europa seine innere Zerrissenheit überwinden und zu einer gemeinsamen Mission finden könnte, die gegenwärtig so vollständig fehlt.

Anstatt selbst eine eigene geopolitische Bastion gegen China, Rußland und die USA aufbauen zu wollen, wie es die schon im Ansatz gescheiterten Europa-Pläne Macrons vorschlagen, wäre ein geeintes Europa der eng kooperierenden Vaterländer, die zusammen mit China selbst die „Gemeinschaft für die eine Zukunft der Menschheit“ mitgestalten, die beste Möglichkeit, auch die Kräfte in den USA zu stärken, die der Thukydides-Falle entgehen möchten.

Der ehemalige italienische Wirtschaftminister Giulio Tremonti wies dieser Tage darauf hin, daß die Vision der Neuen Seidenstraße, d.h. eines globalen Entwicklungsprogramms zur Überwindung von Armut und Unterentwicklung, bereits Anfang der 90er Jahre von dem amerikanischen „Visionär“ Lyndon LaRouche vorgeschlagen worden sei. Tatsächlich geschah dies schon Mitte der 70er Jahre. Heute, müßte es jedem denkenden Menschen klar sein, daß es nur zwei Alternativen gibt: Entweder der Westen versucht, den Aufstieg Asiens und des Entwicklungssektors zu unterdrücken, was den Dritten Weltkrieg mit dem Einsatz von thermonuklearen Waffen zur Folge hätte, oder es gelingt, eine neue Ära der Menschheit, ein neues Paradigma des Zusammenlebens zu gestalten. Es ist allerhöchste Zeit, auf die „weisen Worte von Lyndon LaRouche“ zu hören, wie es der ehemalige Präsident Mexikos, López Portillo, seinerzeit forderte.

Falls die EU sich nicht bis zum kommenden EU-China-Gipfel am 9. April zu einer neuen Betrachtungsweise der Perspektive der Neuen Seidenstraße durchringen kann, werden die Karten voraussichtlich bei den Wahlen zum Europa-Parlament am 23.-26. Mai neu gemischt.

zepp-larouche@eir.de