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Italiens Parlament fordert neue internationale Finanzarchitektur

[i]Das italienische Parlament fordert in einer am 6. April
verabschiedeten Resolution eine internationale Konferenz über ein neues
internationales Finanz- und Währungssystem. Der amerikanische
Oppositionspolitiker Lyndon LaRouche wurde ausdrücklich als "geistiger
Vater" dieser Initiative bezeichnet.[/i]

 

Am 6. April verlangte eine Mehrheit der italienischen Deputiertenkammer
(das Unterhaus des Parlaments), daß die Regierung "eine internationale
Konferenz auf der Ebene der Staatschefs einberuft, um ein neues und
gerechteres Weltwährungs- und Finanzsystem verbindlich festzulegen".
Verfaßt wurde der Antrag von einem Vertreter der LaRouche-Bewegung in Italien und dem Abgeordneten Mario Lettieri, der ihn zusammen
mit 50 weiteren Abgeordneten aus fast allen Parteien im Parlament
einbrachte. Die breite Zustimmung beweist die Glaubwürdigkeit der
Analysen und Vorschläge des amerikanischen Wirtschaftswissenschaftlers
und Politikers Lyndon LaRouche, den Abgeordnete, die die Initiative
unterstützen, in der Parlamentsdebatte wiederholt als den Urheber der
Kampagne "für ein Neues Bretton Woods" bezeichneten.

Die italienische Regierung ist nach den Regeln der parlamentarischen
Demokratie verpflichtet, Parlamentsentscheidungen zu befolgen. Obwohl
das natürlich nicht immer automatisch geschieht, sondern von der
politischen Gesamtdynamik abhängt, ist die Abstimmung vom 6. April, wie
verschiedene Abgeordnete hervorhoben, ein erster Schritt zu einem
Diskussionsprozeß über das internationale Finanz- und
Wirtschaftssystem, der in den kommenden Wochen in den parlamentarischen
Ausschüssen fortgesetzt werden wird.

Die Abstimmung über Lettieris Antrag fand nach der zweiwöchigen
Osterpause des Parlaments, unmittelbar nach den Regionalwahlen vom
3.-4. April statt, und es gab eine harte Auseinandersetzung, bis der
Versuch der Regierung, den Antrag zu verwässern, schließlich abgewehrt
wurde.

Der parlamentarische Staatssekretär der Regierung, Cosimo Ventucci,
hatte sich dafür stark gemacht, fünf Zeilen des vorliegenden Antrags zu
streichen - und zwar gerade die Zeilen, in denen die Regierung
aufgefordert wird, eine internationale Konferenz zur Reform des
Weltwährungs- und -finanzsystems einzuberufen.

Ventuccis Vorschlag wurde von einer breiten Mehrheit von Abgeordneten
der Opposition, aber auch Teilen der Regierungskoalition
zurückgewiesen. Angeführt wurden die LaRouche-Befürworter und
Globalisierungsgegner, die sich gegen den Vorstoß der Regierung
stellten, von dem Oppositionsabgeordneten Alfonso Gianni von der linken
PRC sowie Luigi D'Agrò von der mitregierenden christdemokratischen UDC.

Besonders hervorzuheben ist, daß sich nicht nur Lettieri, sondern auch
andere auf den gerade verstorbenen Papst als moralische Autorität in
der Frage der wirtschaftlichen Gerechtigkeit beriefen.

Gleich nachdem Ventucci den Änderungsvorschlag im Namen der Regierung
vorgebracht hatte, wandte sich der Abgeordnete Gianni dagegen, mit dem
Argument, damit verlöre die Initiative völlig ihre beabsichtigte
Wirkung. Gianni ist ein Ökonom, dessen Kompetenz auch viele seiner
politischen Gegner schätzen. Er erinnerte Lettieri und die anderen
Unterstützer der Vorlage daran, daß gerade das Einberufen einer
internationalen Konferenz, wie es von "amerikanischen linken Kreisen
der Demokraten" gedacht war, das "Herzstück" der Antragstextes sei.

"Der Kern dieser Vorlage ist doch die 'Erneuerung von Bretton Woods',
wozu eine internationale Konferenz auf Ebene der Staatschefs nötig ist,
um eine Übereinkunft über das Finanz- und Währungssystem zu erreichen.
Darin liegt das 'Herzstück' der Initiative: Entfernen wir diesen Teil,
wie die Regierung es mit List versucht, so bleibt absolut nichts davon
übrig!"

Ventuccis neue Version würde es sogar rechtfertigen, so Gianni weiter,
daß die Regierung im Rahmen von Institutionen wie IWF und Weltbank
handele, also gerade der Institutionen, deren Versagen in dem Antrag
angegriffen wird.

"Das Datum, das alle Historiker der Wirtschaftsgeschichte als Beginn
der modernen Globalisierung, unserer Epoche, nennen, fällt mit der
Aufhebung der Bretton-Woods-Vereinbarungen und der Goldkonvertibilität
des Dollars genau zusammen." Deshalb sei genau das der Kern der
Vorlage: "Entweder arbeiten wir auf diese internationale Konferenz hin,
um jene Regelungen zu erneuern... nach den Empfehlungen der großen
Rechtsgelehrten, die nach dem Völkerbund die Vereinten Nationen
gründeten, indem wir die internationalen Gesetze reformieren..., oder
wir werden nichts erreichen!" Gianni kündigte an, falls der Antragstext
nach den Wünschen der Regierung geändert werde, ziehe er seine
Zustimmung zurück.

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Rückzieher der Regierung
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Mit seiner entschlossenen Intervention wendete Gianni das Blatt. In der
anschließenden Debatte folgten Kollegen der Opposition, aber auch der
Regierungskoalition seinem Beispiel, wodurch die Regierung mit ihrem
Standpunkt isoliert wurde. Ventucci kam daraufhin einer Niederlage
zuvor, indem er vorsichtshalber einen Rückzieher machte.

Ventucci sagte, die Regierung glaube zwar nicht, daß die
internationalen politischen Bedingungen "in naher Zukunft die
Organisierung einer internationalen ad-hoc-Konferenz der von den
Antragstellern vorgesehenen Art" erlauben würden, aber "die Regierung
stellt sich keiner Aktion entgegen, notwendige Initiativen einzuleiten,
um so bald wie möglich mit anderen Nationen eine solche internationale
Konferenz auf Regierungsebene einzuberufen". Anschließend beantragte
er, die fünf Zeilen mit Ausnahme der Wörter "ähnlich der 1944 in
Bretton Woods gehaltenen" wieder einzufügen.

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Stellungnahmen der Fraktionen
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Gemäß der Geschäftsordnung gab dann jede Parlamentsfraktion eine
"Abstimmungserklärung" ab, d.h. sie begründete in einer kurzen
Ansprache ihr "Ja" oder "Nein". Alle Sprecher außer einem
beglückwünschten die Regierung zu ihrer Meinungsänderung und
unterstützten den endgültigen Resolutionstext.

Bemerkenswert war, wie der Abgeordnete Marco Zacchera, ein
außenpolitischer Sprecher der mitregierenden konservativen AN, die
Entscheidung der Regierung und den überparteilichen Konsens begrüßte.
"Wir haben heute den Papst geehrt", sagte Zacchera. "Wie oft hat der
Papst gesagt, daß sich die Regierungschefs der Welt zusammensetzen und
über diese Dinge reden müssen!" Und da Italien einen ständigen Sitz im
Sicherheitsrat anstrebt, bedeute das, "daß es sich bei diesen Themen zu
Wort melden und Partei ergreifen muß".

Zaccheras Parteikollege Sandro Delmastro delle Vedove erhielt Applaus
aus dem Regierungs- und dem Oppositionslager, als er daran erinnerte,
daß durch das "Wucherregime" des IWF im Zusammenhang mit dem Bankrott
Argentiniens ein "Krieg zwischen den Armen" drohe - nämlich ein Krieg
zwischen dem argentinischen Volk und den vielen italienischen Familien,
die bei dem Bankrott ihr Vermögen verloren haben.

Gewöhnlich sei er anderer Meinung als Gianni, sagte Delmastro, aber
diesmal stimme er mit dessen Kritik am IWF vollkommen überein. "Wenn
eine Million Kleinanleger betrogen und bestohlen wurden, dann hat die
Regierung die Pflicht, einen Vorgang anzustoßen, mit dem wir auf
internationaler Ebene die Regeln neu festlegen. - Sie wollen das nicht
Bretton Woods nennen? Nennen wir es anders. - Denn die Märkte sind
nicht fähig, sich selbst zu regeln, das hat das letzte Jahrzehnt
gezeigt."

Als nächster sprach Alfiero Grandi von der größten Oppositionspartei DS
(Demokratische Linke). Er unterstützte Giannis Intervention und fügte
ironisch hinzu, die "jüngsten Entscheidungen über internationale Ämter"
- sprich: die Ernennung von Paul Wolfowitz zum Chef der Weltbank -
seien kein Grund zu "Optimismus", daß die Weltbank sich bessern werde.

"Wir können darüber diskutieren, ein wie gutes Beispiel der Bezug auf
das Bretton-Woods-Abkommen ist, der nach meiner Interpretation, als ich
Lettieris Antrag mitunterzeichnete, dazu dient, an die große Bedeutung
und den Einfluß dieser Erfahrung zu erinnern. Wovor wir heute stehen,
ist nicht weniger herausfordernd und wichtig als das, was vor 50 Jahren
geschah. Ich glaube daher, daß wir den Hinweis auf das
Bretton-Woods-Abkommen hätten beibehalten können, aber ich will daraus
jetzt kein Thema machen. Der Antrag behält auch so seinen Wert, und wir
werden für ihn stimmen."

Die Diskussion werde mit diesem Tag nicht enden, meinte Grandi. Ende
Juli würden die Parlamentsausschüsse weiter darüber diskutieren, wie
man zur Regulierung internationaler Finanzprozesse eingreifen kann und
in welchen internationalen Foren dies besprochen werden kann und muß.

Ein kritischer Moment kam, als Antonio Leone als Vertreter der Partei
des Ministerpräsidenten Berlusconi, Forza Italia, das Wort erhielt.
Leone hatte zuvor einen weiteren Antrag gestellt, der offenbar
Verwirrung stiften sollte. In diesem Antrag war von einer
Notwendigkeit, das Weltwährungssystem zu reformieren, überhaupt nicht
die Rede, sondern es hieß nur, man ermuntere die Regierung, "ihre gute
Arbeit" zur Verteidigung der Ersparnisse der italienischen Familien
fortzusetzen.

Doch angesichts des bisherigen Ablaufs der Diskussion konnte Leone nur
noch erklären, er lade seine Fraktion und die gesamte
Regierungskoalition ein, seinem Antrag zuzustimmen und sich bei
Lettieris Antrag der Stimme zu enthalten. (Eine Enthaltung ist fast so
gut wie eine Zustimmung, da sie das Zustandekommen eines Beschlusses
ermöglicht, selbst wenn er nicht die absolute Mehrheit erhält.)

Dann meldete sich noch einmal der Abgeordnete Gianni und bat den
Vertreter der Regierung, noch einmal ausdrücklich zu bestätigen, daß er
seine Meinung geändert habe. "Das hier ist natürlich etwas ganz anderes
als das, was Sie uns vorher zu verstehen gegeben haben", sagte Gianni.
Der Sitzungsleiter, der stellv. Parlamentspräsident Fabio Mussi, warf
ein: "Es gab eine Korrektur im Verlauf der Arbeit. Die Regierung hat
ihre Meinung geändert."

Darauf antwortete Gianni: "Dann hat sich, weil Worte ein Gewicht haben
(nomina substantia rerum sunt), wenn sich die Worte änderten, auch der
Inhalt geändert. Da der Begriff der Ähnlichkeit etwas anderes ist als
der Begriff der Gleichheit, machen wir aus der Ähnlichkeit keine Sache
des Prinzips. Wenn dem Herrn Staatssekretär die Ähnlichkeit mit Bretton
Woods nicht gefällt - Geduld! - dann sei es so! Das Wichtige ist eine
internationale Konferenz der Staats- und Regierungschefs. Wenn das
gegeben ist - und ich glaube, daß dem so ist - , dann korrigiere ich,
es war ja nicht meine Schuld, meine Stimme in eine Zustimmung."

Dann begründete die Abgeordnete Gabriella Pistone von der linken
Oppositionspartei PdCI ihre Zustimmung zu dem Antrag und betonte: "Die
Diskussion hat etwas genützt und die Regierung zu einer Änderung ihrer
Meinung zu bewegt."

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Auf Frau Pistone folgte Luigi D'Agrò von der Regierungspartei UDC.
D'Agrò hatte vor einigen Jahren an einer Konferenz mit Lyndon LaRouche
in Mailand teilgenommen und ist mit dem Thema Neues Bretton Woods
bestens vertraut. Er forderte ausdrücklich, an dem Antrag nichts zu
ändern. D'Agrò erinnerte daran, welche verheerende Wirkung die
Spekulation des internationalen Spekulanten George Soros gegen die
italienische Währung im Jahr 1992 gehabt hatte. Er legte der Regierung
nahe, die Europäische Union dazu zu bewegen, die Initiative zur
Einberufung einer internationalen Konferenz zur Reform des Währungs-
und Finanzsystems zu unterstützen.

Beendet wurde die Debatte dann vom Abgeordneten Marco Boato von den
Grünen, der nur noch die Zustimmung seiner Fraktion zu dem Antrag
ankündigte.

Anschließend wurde abgestimmt und der Antrag mit 187 Ja-Stimmen, 5
Nein-Stimmen und 159 Enthaltungen angenommen. Aus den Zahlen wird
deutlich, daß viele Abgeordnete der Regierungsmehrheit mit der
Opposition gestimmt haben.

[i]Claudio Celani[/i]