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Jacques Cheminade: Warum die Ukraine nicht der EU beitreten sollte

Auch in Deutschland verlangen Politiker und Medien, die Ukraine in die Europäische Union aufzunehmen. Jacques Cheminade, Vorsitzender von Solidarite et Progres schreibt in seiner Erklärung vom 9. März, was dagegen spricht.

Am 7. März begann die Europäische Union mit der Prüfung der Beitrittsanträge der Ukraine, Georgiens und Moldawiens, die nach der russischen Militäroperation gegen die Ukraine eingereicht wurden. Der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj forderte, dass sein Land unverzüglich der EU beitreten dürfe. Gleichzeitig deutete er in einem Interview mit ABC an, dass er sich mit der Tatsache abgefunden habe, dass die Ukraine nicht der NATO beitreten werde. Die USA haben ihrerseits die Aussetzung der Einfuhren von russischem Öl, Gas und Kohle angekündigt.

Unter diesen Umständen ist es an der Zeit, eine rasche politische Entscheidung zu treffen, die die vitalen Interessen Frankreichs, Europas und des ukrainischen und russischen Volkes berücksichtigt. Ohne weiter zu zögern und ohne vorzugeben, dass wir die Mittel haben, um zu tun, was wir nicht können.

Das Wichtigste ist, die Lage in Europa jenseits geopolitischer Überlegungen im Rahmen einer Weltwirtschaft zu betrachten, in der das Interesse der Völker in ihrer gemeinsamen Entwicklung liegt. In der Tat besteht die Lösung jenseits der Situation in der Ukraine darin, eine neue internationale Wirtschafts- und Währungsordnung zu schaffen, die Frieden stiften kann, wie es seinerzeit die Westfälischen Verträge getan haben. Es gibt keine Alternative zur Schaffung der Voraussetzungen für den Frieden, denn die Alternative ist ein zerstörerischer Krieg für alle und/oder ein allgemeiner wirtschaftlicher Zusammenbruch. Das Schiller-Institut hat daher einen Aufruf zur Einberufung einer internationalen Konferenz gestartet, um eine neue Alternative der Sicherheit und Entwicklung für alle Nationen zu schaffen (link).

Vor diesem Hintergrund und unter den gegenwärtigen Umständen würde die Einleitung des EU-Beitrittsverfahrens für die Ukraine die schlafwandlerische Entwicklung hin zu einer selbstmörderischen Konfrontation nur beschleunigen. Sie würde nicht nur als Provokation gegenüber Russland erscheinen, sondern auch wirtschaftlich, strategisch und kulturell nichts bringen. Und dies aus den folgenden Gründen:

1. Russland betrachtet die nach dem Fall der Berliner Mauer gemachten Zusagen, die NATO-Truppen nicht über das wiedervereinigte Deutschland hinaus auszuweiten, zu Recht als nicht eingehalten. Erschwerend kommt hinzu, dass die westlichen Länder nicht in der Lage oder nicht willens waren, die Minsker Vereinbarungen von 2015 gegenüber der Ukraine durchzusetzen. Präsident Putin ist der Ansicht, dass die Ukraine und Russland historisch gesehen ein Volk sind und dass die westlichen Länder dieses Band gebrochen haben, indem sie die Ukraine zu einer Plattform für Aggressionen gegen Russland gemacht haben.

2. Viele westliche Politiker und Agenturen haben erklärt, dass ihre Politik darin besteht, die wirtschaftliche und technologische Entwicklung Russlands und Chinas zu verhindern. Der Grund dafür ist die wirtschaftliche und finanzielle Kontrolle ihrer Führer durch die Oligarchie der City, der Wall Street und ihrer Ableger in der Welt, während letztere ihre Macht nur durch die Beschlagnahme von Mitteln und Ressourcen, die sich derzeit außerhalb ihrer Reichweite befinden, weiter ausüben kann. Die Inflation, die ihr System ausgelöst hat, ist in der Tat auf eine rasante Emission von Geld und Krediten zurückzuführen, denen die Produktion von physischen Gütern nicht mehr entspricht. Es handelt sich um ein System des fiktiven Kapitals, das sich zwangsläufig über seine Grenzen hinaus ausdehnen muss, um zu überleben, entweder durch die Unterwerfung anderer oder durch deren wirtschaftliche und ideologische Infiltrierung. So hat eine mafiöse Logik durch eine allgemeine „Deregulierung“ die Welt erobert, angesichts der Kräfte einer Oligarchie, die mehr und mehr mit der Welt des Verbrechens und ihren Geschäften verbunden ist. Es ist also das System, das geändert werden muss, um die Voraussetzungen für den Frieden zu schaffen.

3. Die gegen Rußland verhängten Sanktionen werden nicht in der Lage sein, die russische Macht zu destabilisieren, die von der Mehrheit seiner Bevölkerung und seinen Streitkräften unterstützt wird. Die Aufrufe verschiedener westlicher Persönlichkeiten, Präsident Putin physisch zu beseitigen, sind in Wirklichkeit ein Eingeständnis der Ohnmacht. Unabhängig davon, wie man solche Überlegungen moralisch bewerten mag, würden sie, wenn sie Erfolg hätten, eine Situation der Unordnung und des Chaos in Europa und in der Welt hervorrufen, wie alle Präzedenzfälle zeigen.

4. Schon heute werden die von den westlichen Ländern verhängten Sanktionen durch die russischen Gegensanktionen nach hinten losgehen. Während der Stopp der russischen Öl- und Gasimporte nur 8 % der amerikanischen Energieimporte betrifft, machen sie in Westeuropa 40 % bzw. 30 % aus. Darüber hinaus ist die europäische Industrie (Hightech, Digitaltechnik, Luftfahrt, Automobilbau usw.) auf Titan, Palladium und Lithium angewiesen, die in Russland hergestellt werden. Unsere Landwirtschaft ist auf russische Düngemittel angewiesen. Eine allgemeine Krise wäre die Folge eines physischen Bruchs der Produktions- und Wertschöpfungsketten mit Russland.

5. Die Aufnahme der Ukraine in die EU wäre gleichbedeutend mit der Aufnahme von NATO-Truppen auf ihrem Gebiet. In der Tat ist die EU durch Titel V, Artikel 21 und 42 des EU-Vertrags mit der NATO verbunden. Von den 27 EU-Mitgliedstaaten gehören 21 dem integrierten Kommando der NATO an, in das Frankreich 2008 zurückgekehrt ist. Seit 2002 haben sich die Beziehungen zwischen der EU und der NATO intensiviert. In der gemeinsamen Erklärung vom 10. Juli 2018 kommen der Präsident des Europäischen Rates, der Präsident der Europäischen Kommission und der Generalsekretär der NATO überein, "die Zusammenarbeit zwischen der EU und der NATO (...) in Qualität, Umfang und Intensität zu stärken". Insbesondere ermutigen die Unterzeichner "die größtmögliche Beteiligung von EU-Mitgliedstaaten, die nicht Mitglied der Allianz sind, an deren Initiativen". Dies könnte nicht deutlicher sein, und Russland wird die notwendigen Konsequenzen daraus ziehen.

6. Aus all diesen Gründen würde der Beitritt der Ukraine zur EU von Rußland als eine Aggression betrachtet werden. Da ebenso klar ist, dass dies zu einem Krieg mit Russland führen würde, zu dem wir nicht die Mittel haben und der nicht in unserem Interesse liegt, ist ein anderer Ansatz erforderlich.

7. Im Rahmen des umfassenderen Abkommens, das ein Konzept für Stabilität und Sicherheit durch gegenseitige Entwicklung in der Welt definiert, wie es im Appell des Schiller-Instituts gefordert wird, setzt der Frieden in der Ukraine drei Dinge voraus: ihre von den Großmächten garantierte Neutralität, die Achtung ihrer Grenzen und die gegenseitige wirtschaftliche, soziale und kulturelle Entwicklung aller Teile des Landes. Nur in diesem Rahmen, erweitert um eine neue Architektur der internationalen Sicherheit und Entwicklung, können diese drei Bedingungen in der Ukraine erfüllt werden.

8. Dies wird es der Ukraine ermöglichen, ein Beispiel für eine Politik des Friedens durch gegenseitige Entwicklung in Europa und in der Welt zu werden, im Geiste des Westfälischen Friedens. Der Einfluss ultranationalistischer und neonazistischer Kräfte auf die ukrainische Politik und einen Teil der ukrainischen Bevölkerung sowie die erzwungene Präsenz aller ausländischen Streitkräfte auf dem ukrainischen Territorium kann aufgehoben werden.

Dieser Ansatz des "Zusammentreffens von Gegensätzen" im Namen eines höheren Prinzips ist nicht einfach, aber, noch einmal, er ist die Alternative zu Krieg und gegenseitiger und selbstmörderischer wirtschaftlicher Zerstörung.

 

hier: https://www.bueso.de/raus-nato-fuer-neue-sicherheitsarchitektur

Eine inhaltlich ähnliche Petition finden Sie auf open petition: https://www.openpetition.de/petition/online/raus-aus-der-nato-fuer-eine-neue-sicherheitsarchitektur

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