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Warum Sie den Kandidaten Friedrich Merz nicht zum Bundeskanzler wählen sollten

Von Alexander Hartmann

„Was die Wähler über den Kanzlerkandidaten Friedrich Merz wissen müssen“ - dieses hochaktuelle Thema stand im Mittelpunkt des wöchentlichen Live-Dialogs der BüSo-Vorsitzenden Helga Zepp-LaRouche am 29. Januar. Ihr Gesprächspartner war Dr. Werner Rügemer, bekannt durch seine Bücher und Vorträge.

Helga Zepp-LaRouche eröffnete das Gespräch mit dem Hinweis auf die unmittelbar vor der Sendung erfolgte Abstimmung des Deutschen Bundestages über die von Friedrich Merz geforderten Änderungen des Asylrechts, die mit Unterstützung der AfD eine knappe Mehrheit fanden. Dieser Bundestagsbeschluß sei ein „Dammbruch“, sagte sie, denn wenn das durchgesetzt werde, „dann ist das eine Verletzung des Grundgesetzes in Bezug auf das Asylrecht, eine Verletzung der Genfer Konventionen und sogar der EU-Gesetze. Und eine ganz wichtige Maßnahme von Menschenrechten, nämlich das Recht auf individuelles Asyl, würde ja damit praktisch abgeschafft.“ Rügemer stimmte dieser Einschätzung zu.

Da die Möglichkeit bestehe, daß Merz der nächste deutsche Bundeskanzler wird, fragte sie Rügemer: „Was sollten die Wähler vier oder dreieinhalb Wochen vor der Bundestagswahl wissen, was auf sie zukommt, wenn sie ihre Stimme dem Herrn Merz geben?“

Rügemer antwortete, Merz habe mit seiner noch direkteren Wendung nach rechts zur AfD das vollzogen, „was sein ehemaliger Chef von BlackRock, Lawrence Fink, vor der Wahl in den USA auch vollzogen hat“. Fink habe lange Zeit die Demokratische Partei unterstützt, BlackRock sei mit der Demokratischen Partei groß geworden. „Aber schon vor der Wahl hat BlackRock-Chef Fink erklärt: ,Uns ist es gleichgültig, wer die Wahl gewinnt, wir sind mit beiden Kandidaten im Gespräch.‘ Und dann ergab es sich auch, daß BlackRock Trump beraten hat bei der Wahl des Finanzministers.“

Rügemer beschrieb dann den Aufstieg von BlackRock nach der Deregulierung der Finanzmärkte in den 1990er Jahren. Spätestens mit der Finanzkrise („BlackRock und Co. hatten keine Krise, sondern viel Geld“) hätten sich die großen Vermögensverwaltungen auch in Europa schrittweise als führende Aktionärsgruppen in die wichtigsten Aktiengesellschaften eingekauft, „ jeweils mit drei, vier, fünf, sechs, sieben, acht Prozent“, so „in allen vierzig DAX-Konzernen in Deutschland“. Dabei träten sie immer in Gruppen auf, „also BlackRock mit Vanguard und StateStreet und Fidelity und Wellington, in unterschiedlicher Zusammensetzung“. Mit ihrem Einfluß als Aktionäre hätten sie dann dafür gesorgt, „daß schon seit Jahren deindustrialisiert wird in Deutschland, daß die großen deutschen Konzerne Arbeitsplätze, sei es nach China, sei es in die USA oder teilweise auch nach Osteuropa verlagern, weil mit diesen Auslagerungen die Gewinne für BlackRock und Co. usw. natürlich größer sind“.

„Merz war extrem schlecht für den deutschen Mittelstand“

Helga Zepp-LaRouche fragte Rügemer, was er einem Mittelständler in Deutschland entgegnen würde, der sagt: „Aber es ist doch gut, jemanden zu haben wie Merz; der kennt sich wenigstens aus, der ist gut vernetzt, also ist das doch gut für den Mittelstand.“ Seine Antwort lautete: „Gerade Merz war schlecht für den deutschen Mittelstand, extrem.“

Merz sei 2004 nach seinem Rücktritt als Fraktionsvorsitzender der CDU im Bundestag als Mitinhaber in die Düsseldorfer Filiale der amerikanischen Wirtschaftskanzlei Mayer Brown eingetreten. Damals seien die später so genannten „Heuschrecken-Investoren“ aus den USA gekommen und hätten „die nicht börsennotierten Unternehmen, also die guten Unternehmen des deutschen Mittelstands aufgekauft, ,restrukturiert‘, wie sie sagten, also verwertet, Teile stillgelegt, weiterverkauft usw. Und diese Kanzlei, in der Merz nicht nur als Anwalt tätig war, sondern eben auch als Miteigentümer, hat diese ,Heuschrecken-Investoren‘ beraten, wie sie am besten den deutschen Mittelstand kaufen und verwerten können. Und da war natürlich Merz sehr passend, weil er als CDU-Politiker natürlich dieses jahrzehntelange Rückgrat der CDU, den Mittelstand, am besten kannte.“

Zepp-LaRouche kommentierte die Äußerung von Merz, man könne das Handelsdefizit der USA gegenüber Deutschland reduzieren, indem Deutschland mehr amerikanisches Flüssiggas und amerikanische Rüstungsgüter kauft: „Was will Merz damit für die deutsche Wirtschaft tun? Das wird doch nur die Krise noch verschlimmern.“

Merz sei schon seit Jahrzehnten „Propagandist für die Führung der USA in Europa“, betonte Rügemer. „Er war viele Jahre lang Vorsitzender der sogenannten Atlantikbrücke, einer Lobbyorganisation für US-Investitionen in Deutschland, und er war langjähriger Anwalt für sogenannte ,Heuschrecken-Investoren‘ in Deutschland“ und Aufsichtsratsvorsitzender der BlackRock Asset Management Deutschland AG. „Ganz Europa soll mehr Frackinggas und mehr Rüstungsgüter in den USA einkaufen.“ Dies, sagte Rügemer, „würde die Abhängigkeit Europas von den USA noch weiter vertiefen, und es würde den von Merz versprochenen Wirtschaftsaufschwung geradezu konterkarieren“.

Zepp-LaRouche sprach auch die Frage der Taurus-Lieferungen an. Merz wolle diese Raketen erklärtermaßen sogar dann an die Ukraine liefern, wenn die USA unter Präsident Trump die militärische Unterstützung für die Ukraine einstellen - und das, obwohl diese Raketen nur mit Hilfe von Bundeswehrsoldaten eingesetzt werden können. „Wir werden damit zur Zielscheibe in einem Konflikt mit der stärksten Atommacht der Welt.“

Rügemer entgegnete, Deutschland stehe da „eher in den hinteren Rängen“; britische und amerikanische Offiziere spielten schon seit Jahren eine führende Rolle in der Ukraine. „Die ganze digitale Kriegsführung der Ukraine läuft über die Satelliten von Space X, von Elon Musk. Da steht, was Entscheidungen angeht, der Friedrich Merz ziemlich hinten dran.“ Er glaube nicht, daß die USA oder die NATO sich von einem Bundeskanzler Friedrich Merz in militärischen Fragen irgend etwas sagen lassen.

Zusammenfassend hob Zepp-LaRouche zwei große Punkte der Kritik an Merz hervor. Zum einen liege er voll auf der Linie der neoliberalen Finanzpolitik: „Das ist natürlich eine Einladung für ein totales Desaster. Denn das transatlantische Finanzsystem ist hoffnungslos überschuldet, und alle Versuche, das jetzt mit Kryptowährungen und anderen Tricks nochmal eine Runde weiter zu bringen, verschlimmern die Katastrophe nur.“

Vielleicht noch gravierender sei, daß Merz, wie er sagt, die „liberalen Demokratien gegen die illiberalen Autokratien verteidigen will“, insbesondere gegen Rußland und China. „Damit begibt sich Deutschland wirklich jeglicher Aussicht, irgendwie aus dieser Wirtschaftskrise herauszukommen. Denn der Globale Süden ist dabei, sich ein neues Wirtschafts- und Finanzsystem zu bauen, und wenn Deutschland als Exportnation überhaupt irgendeine Chance haben soll, aus dieser Krise herauszukommen, dann liegt sie darin, mit diesen Ländern zu kooperieren.“

Deutschland muß sich aus der Abhängigkeit befreien

Die Lösung für Deutschland, antwortete Rügemer, liege darin, sich aus der „jahrzehntelang gewachsenen und jetzt gesteigerten Abhängigkeit zu befreien“, und sich „einzuklinken“ in das, „was sich schon seit Jahren im Rest der Welt tut…, in diesen kontinentalen und auch interkontinentalen Formaten, wie BRICS und FOCAC und CELAC und SCO“ - auch und gerade in der wirtschaftlichen Kooperation. Er verwies auf einen neuen Bericht des European Council on Foreign Relations, dem zufolge Chinas Erfolge darauf beruhen, daß es als Staat souverän handelt; westliche Investoren bekämen Auflagen, Wirtschaftskriminelle würden eingesperrt, die Volkswirtschaft gefördert und die Löhne nachhaltig angehoben.

Zepp-LaRouche verwies auf einen weiteren Aspekt der chinesischen Erfolge: „Sie haben die chinesische Hochkultur von 5000 Jahren wiederbelebt und zugänglich gemacht für die Masse der Bevölkerung. Und das steht in einem totalen Kontrast zu dem, was wir hier sehen.“ Sie habe noch keine führende Person von der EU-Kommission oder auch von deutschen Regierungen gehört, „die etwas zur deutschen Hochkultur gesagt hätten“.

Von der Leitkultur spreche in Deutschland schon lange niemand mehr, entgegnete Rügemer, unter Merz sei sogar erwogen worden, den Begriff „christlich“ aus dem Namen der Partei zu streichen. Das, was einst als deutsche Kultur gelobt wurde, sei bei der auf Wunsch der USA erfolgten Gründung der Bundesrepublik ausgehebelt worden. Diese Unterwerfung Deutschlands sei noch stärker als die der anderen europäischen Staaten, und sie müsse aufgehoben werden. „Das können wir Deutschen nicht alleine, sondern da müssen wir diese Kooperationen suchen, die auch im Rest der Welt durchaus begrüßt würden.“

Als Beispiel führte er seine eigene Mitwirkung an einer „Seidenstraße der Wissenschaft“ an, als Mitherausgeber der 2024 gegründeten internationalen Zeitschrift World Marxist Review, zu deren 60 Mitherausgebern Wissenschaftler aus allen Kontinenten gehören. Das Ziel sei, „die Wissenschaft und im weiteren Sinne Wissenserwerb überhaupt, kulturelle Wissenspflege, aus den Fängen der amerikanischen privaten Wissenschaftsfinanzierung herauszulösen und zu befreien. Und das ist eine sehr schöne Aufgabe, die sich in diesem Kontext international entwickelt.“

Zepp-LaRouche antwortete, das klinge sehr vielversprechend, insbesondere, wenn man es nicht nur auf den Bereich der Wissenschaft beschränke, sondern auf den gesamten Bereich der Kultur erweitert, vor allem den Dialog der Kulturen. Schon bei der Gründung des von ihr initiierten Schiller-Instituts vor inzwischen 41 Jahren sei es darum gegangen, eine Außenpolitik durchzusetzen, „die sich jeweils auf die besten Traditionen des anderen bezieht… Dann kann man Freundschaften bilden und kreative Kooperationen entwickeln.“

Den Mitschnitt des einstündigen Gesprächs finden sie hier .