Die Avantgarde des faschistischen Kulturkampfs in der Nachkriegszeit
Von Steven P. Meyer und Jeffrey Steinberg
14. Juli 2004
Theodor Adorno und Max Horkheimer gehörten schon früh zu den führenden Köpfen der Frankfurter Schule und arbeiteten Ende der 40er Jahre in den USA an leitender Stelle an dem Projekt der „Autoritären Persönlichkeit“, mit dem der kulturelle Wertewandel zur Rock-Drogen-Sex-Gegenkultur der „68er“ oder „Babyboomer“ zwei Jahrzehnte später vorbereitet wurde. 1950 holte man die beiden nach Deutschland zurück, wo sie unter der Ägide des synarchistischen Bankiers und Hochkommissars der amerikanischen Besatzungsmacht, John J. McCloy, Deutschlands Bildungswesen und kulturelle Institutionen der Nachkriegszeit umgestalten und „entnazifizieren“ sollten. In dieser ihnen zugewiesenen Eigenschaft hatten Adorno und Horkheimer entscheidenden Anteil an dem großen Vorhaben zur Zerstörung der europäischen und amerikanischen Kultur. Eine wichtige Rolle spielte damals eine Organisation mit dem irreführenden Namen „Kongreß für kulturelle Freiheit“ (Congress for Cultural Freedom, CCF).
Statt auf eine echte „Entnazifizierung“ zielten die Bemühungen des Kongresses und ähnlicher Frontorganisationen des „Kulturkampfs“ in der Frühzeit des Kalten Krieges darauf ab, die letzten Reste der klassischen europäischen Kultur zu beseitigen und sie durch eine Kultur von Perversion, Bestialität und Pessimismus zu ersetzen. Dies geschah unter dem Mantel des „Kampfs gegen den gottlosen Kommunismus“ und andere Formen „autoritärer Herrschaft“.
In Wirklichkeit sollte der Kongreß für kulturelle Freiheit die Welt auf einen neuen synarchistischen Angriff auf den modernen Nationalstaat vorbereiten. Zuletzt hatten die Vereinigten Staaten unter Präsident Franklin D. Roosevelt diese Institution des Nationalstaats erfolgreich verteidigt und die Welt vor einem synarchistisch-faschistischen Herrschaft bewahrt. Doch nach Roosevelts zu frühem Tod im April 1945 änderte sich alles; wie selbst Stalin sagte: „Ein großer Traum ging verloren.“ Roosevelt hatte versprochen, die Nachkriegswelt von den Fesseln des Kolonialismus zu befreien. Wie der frühere US-Außenminister Henry A. Kissinger am 10. Mai 1982 in seiner Rede im Londoner Chatham House betonte, standen Roosevelt und sein Kriegsverbündeter Winston Churchill in dieser Frage auf völlig entgegengesetzten Seiten.
Der Kongreß für kulturelle Freiheit und ähnliche Einrichtungen sollten sicherstellen, daß niemals ein neuer Franklin Roosevelt in Amerika oder in Europa auftreten würde. Dazu wollte man eine kulturelle Wüste schaffen, voller Verdummung, Konformität und Sucht nach materieller und sinnlicher Befriedigung, damit man vereinzelte geniale Köpfe um so leichter aussondern und vernichten könnte.
Bezeichnend dafür war, daß Lord Bertrand Russell ein Ehrenpräsident des CCF war. Russell war der Urheber des Konzepts einer „Weltregierung durch den Schrecken der Atomwaffen“, wie sie die Regierung Truman verfolgte. 1951 legte Russell in The Impact of Science on Society (Die Wirkung der Wissenschaft auf die Gesellschaft, dt.: Wissenschaft wandelt das Leben, München 1953) seine Vision für die Zukunft dar. Darin beschreibt er die Ziele des CCF viel präziser und enthüllender, als der Kongreß es jemals in den eigenen Veröffentlichungen tat. Russell schreibt:
„Politisch wird wahrscheinlich die Massenpsychologie zur wichtigsten Disziplin werden ... Das Aufkommen der modernen Propagandamethoden hat ihre Bedeutung wesentlich gesteigert. Die wichtigste dieser Methoden heißt angeblich 'Erziehung'. Auch die Religion spielt eine, wenn auch verschwindende, Presse und Rundfunk eine an Bedeutung zunehmende Rolle ... Es steht zu hoffen, daß eines Tages jeder jeden zu allem überreden kann, wenn er seine Patienten nur jung genug in die Hand bekommt, und vom Staat mit Geld und dem erforderlichen Apparat versehen wird.
Auf diesem Gebiet würde man erheblich weiter kommen, wenn die Sache in einer Diktatur von Wissenschaftlern in die Hand genommen würde ... Die Sozialpsychologen der Zukunft werden über mehrere Schulklassen verfügen, an denen sie eine Reihe von Verfahren erproben, wie man den Menschen die unverrückbare Überzeugung beibringt, daß Schnee schwarz ist. Und bald werden die ersten vergleichbaren Ergebnisse vorliegen: 1. Der Einfluß des Elternhauses ist von Übel, 2. man erreicht wenig, wenn man den Unterricht nicht schon in der Altersklasse unter 10 Jahren beginnt, 3. sehr wirksam sind in Musik gesetzte Verse, die man immer wieder absingen läßt, 4. die Ansicht, 'Schnee ist weiß' stempelt man am besten als Geschmacksverirrung morbider Überspanntheit ab. Aber ... ich greife vor. Es ist die Sache zukünftiger Wissenschaftler, hierfür genaue Grundsätze zu entwickeln und herauszufinden, was es pro Kopf und Nase kostet, den Kindern beizubringen, daß Schnee schwarz ist, und wieviel weniger man ausgeben kann, um sie glauben zu machen, er sei dunkelgrau.
Diese Wissenschaft von der Massenpsychologie wird zwar fleißig betrieben, aber streng auf die regierenden Klassen beschränkt werden. Den Pöbel wird man über das Verfahren, wie seine Ansichten ausgebrütet wurden, im unklaren lassen. Hat sich diese Technik eines Tages vervollkommnet, so kann jede Regierung, die die Erziehung für eine Generationsspanne in der Hand hat, ihre Untertanen gefahrlos ohne Armeen und Polizisten am Zügel führen.“ (S.41 ff)
In dem Buch befürwortet Russell auch einen Völkermord in gewaltigen Ausmaßen. Er regt sich über das Bevölkerungswachstum der dunkelhäutigen Rassen auf und bietet dann folgende Lösung an:
„Gegenwärtig vermehrt sich die Weltbevölkerung täglich um 58 000 Menschen. Die Kriege haben bis heute keinen wesentlichen Einfluß darauf gehabt, denn die Zunahme hielt während beider Weltkriege unvermindert an ... Der Krieg hat sich bisher, wie bemerkt, als enttäuschender Versager erwiesen, aber vielleicht ist der Bakteriologische Krieg wirkungsvoller. Würde man in jeder Generation einmal den Schwarzen Tod über die Welt schicken, dann dürften die Überlebenden fröhlich weiterzeugen, ohne die Welt allzu eng werden zu lassen ... Es würden sich zwar etwas unangenehme Zustände entwickeln, aber was macht das schon?“ (S. 124 ff)
Mit Roosevelts Tod am 12. April 1945 rückte der unfähige Harry Truman ins Präsidentenamt. Wenige Monate später ließ Truman die Atombombe auf Hiroshima und Nagasaki abwerfen, obwohl die japanische Kapitulation da nur noch eine Frage der Zeit war. So begann das Zeitalter des thermonuklearen Terrors, auf das H.G. Wells und Russell jahrzehntelang hingearbeitet hatten und das den Weg zu einer weltweiten fabianischen Diktatur freimachen sollte.
Kurz nach dem Ende des Krieges befürwortete Russell, der wenig später Ehrenpräsident des CCF werden sollte, in seinem berüchtigten Artikel für die September-Ausgabe 1946 des Bulletin of the Atomic Scientists einen vorsorglichen amerikanischen Atomkrieg gegen die Sowjetunion. (Russells Mitarbeiter Edward Shils war einer der Gründer des Bulletin und wurde später Direktor des amerikanischen Zweigs des CCF.) Schon vorher hatte sich Russell nach den Ereignissen von Hiroshima und Nagasaki in einem Brief an seine Geliebte Gamel Brenan in ähnlicher Weise geäußert: „Es gibt eines, und nur eines, was die Welt retten kann, und das ist etwas, was ich nicht einmal im Traum fordern sollte. Amerika sollte in den kommenden beiden Jahren Krieg gegen Rußland führen und mit Hilfe der Atombombe ein Weltreich errichten.“
Nach Roosevelts Tod hatten die führenden Synarchisten in den amerikanischen Geheimdiensten der Kriegszeit freie Bahn für einen „Separatfrieden“ mit verschiedenen Nazi-Größen, um diese nach dem Krieg in einen Kreuzzug gegen die Sowjetunion - ganz im Sinne von Russells Plänen - einzugliedern. Um den Synarchismus nach der zeitweisen Niederlage unter Roosevelt wieder zu stärken, gingen Männer wie Allan Dulles, Whitney Shepardson, John Foster Dulles, William Draper, John J. McCloy und Averell Harriman daran, die Geheimdienste und die Besatzungsbehörden in Deutschland systematisch von allen Roosevelt-Anhängern zu säubern.
Nur Tage nach dem Tod des Präsidenten wurde ein ganzes Kontingent von Mitarbeitern des Büros für Strategische Dienste (Office of Strategic Services, OSS - Vorläufer der CIA) in Europa, darunter die gesamte OSS-Kommandostruktur in Italien, kurzerhand entlassen. Aus Dokumenten des OSS geht hervor, daß sich Allan Dulles, Shepardson u.a. noch vor Roosevelts Tod in Südfrankreich getroffen und dort die Listen für die Säuberungen erstellt hatten. Später sorgte man dafür, daß die Entlassenen nie wieder für amerikanische Dienste arbeiten durften. Sie waren zudem Verleumdungen in den Medien und anderen schmutzigen Tricks ausgesetzt. Dabei bestand ihr einziges Verbrechen darin, daß sie gegen den verräterischen „Separatfrieden“ der Brüder Dulles waren, der es Nazi-Größen wie Hjalmar Schacht, Otto Skorzeny, Licio Gelli, Klaus Barbie und zahlreichen weiteren ermöglichte, in der Nachkriegszeit im Umfeld der westlichen Geheimdienste mitzumischen.
In Deutschland wurde unter McCloy und Gen. William Draper, der während des Krieges das Investmenthaus Dillon Reed geleitet hatte, die Macht des deutschen militärisch-industriellen Komplexes wiederhergestellt. James Stewart Martin, der nach dem Krieg die Kartellentflechtungsbehörde der Besatzungsmacht leitete, hat 1950 in seinem Buch All Honorable Men (Alles ehrbare Männer) diesen Skandal aufgerollt. Martin zeigt auf, wie Amerikaner wie Allen und John Foster Dulles, Draper, Harriman und die J.P.-Morgan-Interessen im Tandem mit britischen, französischen und belgischen Bankiers und Schwerindustriellen während des Krieges heimliche Partner der Bank- und Geschäftsbarone der Nazis waren und die Kriegsmaschinerie der Nazis unterstützten - sogar noch nach Pearl Harbour, als die Vereinigten Staaten in den Krieg eintraten. Die Dulles-Brüder hatten seit langem mit Schacht und dem berüchtigten Kurt von Schröder zusammengearbeitet, dessen Stein-Bank in Köln über Unternehmergruppen wie den Keppler-Kreis die Finanzen von Himmlers SS verwaltete.
Aber es waren nicht nur Bosse der faschistischen Kartelle und Apparatschiks, denen der Nürnberger Galgen erspart blieb. Im Kalten Krieg der Ideen wurde die faschistische Kultur als Waffe gewählt, und der Kongreß für kulturelle Freiheit war das anglo-amerikanische Vehikel für die kulturelle „Renazifizierung“.
Ein Lieblingsfeld Theodor Adornos war die Musik. In seiner Jugend ein vielversprechender Pianist, hatte er unter dem atonalen Zwölfton-Komponisten Arnold Schönberg studiert. Als er in den Vereinigten Staaten an der „Kulturpessimismus“-Agenda der Frankfurter Schule arbeitete, veröffentlichte der frühere Komintern-Mann, der sich nun von der Rockefeller-Stiftung und anderen anglo-amerikanischen Fondi aushalten ließ, 1946 das Buch Philosophie der Neuen Musik, eine sprachlich kaum verdauliche Hetzschrift gegen die klassische Kultur. Unter Bezug auf Schönbergs Monodram Erwartung schrieb er dort:
„Was die radikale Musik erkennt, ist das unverklärte Leid des Menschen ... Das musikalische Subjekt verzichtet darauf, sich durchzuhalten, und begnügt sich damit, die Stöße in Reflexen mitzumachen ... Die seismographische Aufzeichnung traumatischer Schocks wird aber zugleich das technische Formgesetz der Musik. Es verbietet Kontinuität und Entwicklung. Die musikalische Sprache polarisiert sich nach ihren Extremen: nach Schockgesten, Körperzuckungen gleichsam, und dem gläsernen Innehalten dessen, daß Angst erstarren macht ...
Keineswegs wird Schizophrenie ausgedrückt, sondern die Musik übt ein Verhalten ein, das dem von Geisteskranken ähnelt. Das Individuum tragiert seine eigene Dissoziation. Von solcher Nachahmung verspricht es sich, magisch wiederum, doch nun in unmittelbarer Aktualität, den eigenen Untergang zu überleben ... Indem es den Wahnsinn, der allen Ausdruck tötet, selbst ausdrückt, reagiert es ihn nicht bloß, wie die Psychologie es nennt, ab, sondern unterwirft ihn selber der organisierenden Vernunft.“
Adorno behauptet, die Vorbedingung für die Überwindung des autoritären Impulses sei eine völlige Auflösung der amerikanischen und europäischen Nachkriegsgesellschaft, und dazu müsse man das Schöne in allen Formen beseitigen. Statt dessen müsse man den Menschen ständig „Hitparaden“-Popmusik und andere primitive „Massenkultur“ vorsetzen, was mit der Zeit verschiedene Formen massenhaften geistigen Zusammenbruchs auslösen werde.
Adorno zählt diese Formen auf: 1. Depersonalisierung - den Verlust der Beziehung zum eigenen Körper; 2. Hebephrenie, was er als „Gleichgültigkeit des Kranken gegen das Auswendige“ definierte; 3. Katatonik („Ähnliches kennt man bereits an vom Schock Ereilten“) und 4. Nekrophilie. Adorno: „Die letzte Perversität des Stils ist universale Nekrophilie ...“ (In der Psychopathologie versteht man unter Nekrophilie den auf Leichen gerichteten Sexualtrieb. Bei Erich Fromm ist es die Neigung des Menschen zum Leblosen, Mechanischen, Zerstörerischen, d.Red..)
Adorno faßt seine Argumente für die Nutzung der Hitparaden- oder Top 40-Musik folgendermaßen zusammen: „[D]ie autoritären Charaktere von heute [sind] ausnahmslos Konformisten ... Schließlich will sie ein Stil für alle sein, weil sie mit dem Allerweltsstil zusammenfällt.“
Adorno hatte schon praktiziert, was er lehrte. In den 40er Jahren ging er nach Hollywood, wo er sich mit Igor Strawinsky zusammentat, um Filmmusik zu schreiben. Beide gehörten zu einer Gruppe der kulturell verkommenen „Avantgarde“, die in Hollywood die „britische Clique“ hieß. Dazu gehörten u.a.: Aldous Huxley, der in seinen Romanen und Schriften dafür plädierte, mit Gehirnwäsche und bewußtseinsverändernden Drogen ganze Gesellschaften zu „befrieden“ und in „Konzentrationslager ohne Tränen“ zu verwandeln; Christopher Isherwood, der Verfasser der Berliner Tagebücher (die später unter dem Titel Cabaret verfilmt wurden) - ein Lob auf die verkommene Rauschgiftkultur der Weimarer Republik, die dazu beigetragen hatte, Hitler an die Macht zu bringen - ; Alexander Korda, ein Schützling des Mitgründers der Frankfurter Schule Georg Lukacs und dann später ein führender Mann in der britischen Special Operations Executive (SOE) im Kriege sowie ein bekannter Filmproduzent in Hollywood. Diese „britische Clique“, vor allem Isherwood, bildete die „Hollywood-Verbindung“ für perverse britische Literaten wie W.H. Auden und Stephen Spender, die im Kongreß für kulturelle Freiheit und später - zusammen mit Leitfiguren der Frankfurter Schule wie Herbert Marcuse und Erich Fromm - im Gegenkulturprojekt der 60er Jahre federführend mitwirkten.
Als Adorno sich in seiner Philosophie der Neuen Musik damit befaßte, wie man die Musik und die Kultur verderben kann, arbeitete er gleichzeitig gerade mit Horkheimer an dem Projekt Die autoritäre Persönlichkeit. Das Projekt war Teil einer großen, vom American Jewish Committee finanzierten Studie über Vorurteile. Es war der ehrgeizigste Versuch jener Zeit, ein umfassendes soziales Massenprofil der amerikanischen Öffentlichkeit zu erstellen. Man wollte damit „beweisen“, daß die Amerikaner trotz ihrer heroischen Opfer im Kampf gegen Hitler und Mussolini im Grunde Faschisten und Antisemiten seien und daß es deshalb notwendig und gerechtfertigt sei, die Bevölkerung mit modernen Techniken zur psychologischen Manipulation von diesen bösen „autoritären“ Impulsen zu reinigen. Die beiden wichtigsten Waffen für diese kulturelle Hirnamputation hießen: Konformität und Eros - oder das, was man heute unter der Bezeichnung „politisch korrekt“ versteht.
Im abschließenden Kapitel des Buches, in dem sie ihre Schlußfolgerungen darlegen und Rezepte zur Veränderung der Gesellschaft vorlegen, lassen die Verfasser der Autoritären Persönlichkeit durchblicken, worum es ihnen eigentlich ging. Ihre Worte erinnern an Bertrand Russells Rezepte zur Gleichschaltung der Menschen zu psychologischer Impotenz (die Passagen fehlen in der gekürzten deutschen Ausgabe und sind daher nach dem englischen Original zitiert, d. Red.):
„Es scheint offensichtlich, daß sich die Modifikation der potentiell faschistischen Struktur nicht mit psychologischen Mitteln allein erreichen läßt. Die Aufgabe ist der Beseitigung von Neurosen, Verbrechen oder Nationalismus (Herv. hinzugefügt) aus der Welt vergleichbar. Sie sind Produkte der Gesamtorganisation der Gesellschaft und können nur verändert werden, wenn die Gesellschaft verändert wird. Es ist nicht die Aufgabe des Psychologen, zu sagen, wie solche Änderungen herbeigeführt werden können. Das Problem ist eines, das die Bemühung aller Sozialwissenschaftler erfordert. Wir bestehen nur darauf, daß in den Beiräten oder Konferenzen, in denen dieses Problem behandelt und Maßnahmen geplant werden, der Psychologe eine Stimme haben sollte. Wir glauben, daß das wissenschaftliche Verständnis der Gesellschaft auch ein Verständnis dessen umfassen muß, was sie mit den Menschen macht, und daß es soziale Reformen, auch breite und umfassende, geben kann, die zwar an sich wünschenswert sein mögen, aber nicht notwendigerweise die Struktur des vorurteilsbeladenen Charakters verändern würden. Um das faschistische Potential zu verändern oder auch nur im Zaum zu halten, muß man die Fähigkeit der Menschen vergrößern, sich selbst zu sehen und sie selbst zu sein. Das läßt sich nicht durch Manipulation der Menschen erreichen, so gut die Manipulationsmittel in der modernen Psychologie auch gegründet sein mögen... Hier kann die Psychologie ihre wichtigste Rolle spielen. Techniken zur Überwindung von Widerständen, die vor allem im Bereich der Individualpsychologie entwickelt wurden, können verbessert und für den Einsatz bei Gruppen und sogar für den Einsatz im Massenmaßstab adaptiert werden.“
Die Autoren schließen mit dem vielsagenden Vorschlag:
„Wir brauchen nicht davon auszugehen, daß Appelle an die Gefühle denjenigen vorbehalten sind, die zum Faschismus tendieren, während die demokratische Propaganda sich auf Vernunft und Zurückhaltung beschränken muß. Wenn Furcht und zerstörerische Gewalt die wichtigsten emotionalen Quellen des Faschismus sind, so gehört der Eros vor allem der Demokratie.“
„Eros“ war in den folgenden 50 Jahren die Lieblingswaffe der Frankfurter Schule und ihrer Kollegen im Kongreß für kulturelle Freiheit in ihrem Kampf für einen kulturellen Wertewandel - gegen das angeblich „autoritäre“ Bild des Menschen als lebendes Ebenbild Gottes (imago viva Dei), die Heiligkeit der Familie und den republikanischen Nationalstaat als beste Form politischer Organisation. Sie verwandelten die amerikanische Kultur Schritt für Schritt hin zu der heutigen erotischen, perversen Matrix mit ihrer „politisch korrekten“ Duldung von Entmenschlichung durch Rauschgift, sexuelle Perversion und Gewaltverherrlichung. Für die „antiautoritären“ Revolutionäre der Frankfurter Schule war das wirksamste Gegenmittel gegen die ihnen verhaßte westliche, jüdisch-christliche Zivilisation deren Zerstörung von innen durch eine kulturpessimistische, hedonistische Weltsicht.
Dieser „Kulturkampf“, der letztendlich darauf abzielte, die Vereinigten Staaten von ihren Wurzeln in der europäischen Renaissance und ihres republikanischen Erbes abzutrennen, richtete sich als erstes gegen die demoralisierte Bevölkerung Westeuropas, die zwei Jahrzehnte lang Depression, Faschismus und Krieg durchlebt hatte.
Im April 1952 begann die Massengehirnwäsche des CCF zur Verbreitung von Kulturpessimismus mit einem ersten großen Schlag: Er veranstaltete in Paris ein einmonatiges Musikfestival Meisterwerke des 20. Jahrhunderts. Innerhalb von 30 Tagen präsentierte der CCF hundert Sinfonien, Konzerte, Opern und Ballette von mehr als 70 Komponisten des 20. Jahrhunderts. Die Konferenz begann mit einer quälenden Aufführung von (Adornos Kollegen) Igor Strawinskys Frühlingsopfer mit den Bostoner Symphonikern.
Zu den am meisten gefeierten Komponisten dieser Konferenz gehörten die führenden Atonalisten (Adornos Lehrer) Anton Schönberg und Alban Berg, daneben Paul Hindemith und Claude Debussy. Hinzu kamen Werke von Gustav Mahler, Bela Bartok, Samuel Barber, Erik Satie, Francis Poulenc, Aaron Copland, um nur einige zu nennen.
Mehrere Werke wurden zum ersten Mal in Paris aufgeführt, darunter Alban Bergs Wozzeck, Benjamin Brittens Bill Dudd sowie Vier Heilige in drei Akten von Gertrude Stein und Virgil Thomson, wobei Alice B. Toklas anwesend war (die berühmt dafür war, Haschisch-Bonbons zu verteilen).
Der CCF setzte seinen Angriff auf diesem Feld fort. 1954 veranstaltete er zwei größere Konferenzen: ein Festival im Palazzo Pecci in Italien, das fast ganz der atonalen Musik und der Zwölftonskala gewidmet war, und ein zweites in Rom mit dem Titel Musik des 20. Jahrhunderts, das ausschließlich der „Avantgardemusik“ gewidmet war. Hierzu gehörte ein Wettbewerb, dessen Siegerwerke das Bostoner Symphonieorchster bei der Sommerakademie in Tanglewood uraufführte. Das Orchester war eng mit dem CCF verbunden, und acht der elf Vorstandsmitglieder des CCF-Musikprojekts waren an Tanglewood beteiligt.
Die klassische Musik - die Tradition von Bach, Mozart, Beethoven, Schubert, Schumann und Brahms - wurde als „autoritäres“ Instrument des Sowjetkommunismus und des deutschen und italienischen Faschismus diffamiert. Beispielsweise veranstaltete der CCF eine Hexenjagd gegen den großen deutschen Dirigenten Wilhelm Furtwängler, der als Nazi verleumdet wurde.
Zu der einmonatigen Pariser Show gehörte auch eine genauso groteske Ausstellung moderner Kunst, die das New Yorker Museum of Modern Art (MOMA) veranstaltete. Sie umfaßte Werke von Matisse, Derain, Cezanne, Seurat, Chagall, Kandinsky und anderer Vertreter der Moderne des 20. Jahrhunderts. Jackson Pollack und Alexander Calder gehörten zu den führenden Vertretern des Amerikanischen Komitees für kulturelle Freiheit.
Das MOMA, ein Kind Nelson Rockefellers und seiner Familie, spielte eine große Rolle im CCF und bei seinen Kunstprojekten. 1955 veranstaltete es in Rom die CCF-Ausstellung Junge Künstler, die dann als Wanderausstellung durch Europa zog, und 1960 veranstaltete das Museum eine weitere Ausstellung in Europa ausschließlich mit Werken des abstrakten Impressionismus. George Kennan und Allen Dulles waren große Förderer der modernen Kunst, und auch die Fairfield-Stiftung, über die dem CCF die CIA-Gelder zuflossen, unterstützte das MOMA finanziell.
Zur Eröffnung des Kulturkampfs 1952 gehörten auch literarische Debatten mit Allen Tate und William Faulkner von der Autorengruppe der „Fugitives“, die zur Bewegung der „Nashville-Agrarier“ gehörte, den Fabianern Stephen Spender und W.H. Auden und anderen.
Das ganze Pariser Spektakel stand unter der Aufsicht des Büros für Sonderpläne im US-Außenministerium und wurde von der Fairfield-Stiftung als Tarneinrichtung der CIA finanziert.
Frances Stonor Saunders, die eine Geschichte des CCF in Buchform verfaßt hat - The Cultural Cold War - legt dar, daß der CCF 1950 als Geisteskind zweier einflußreicher Gruppen geboren wurde, die schon bald in führende Positionen in den Geheimdienststrukturen des Kalten Krieges aufsteigen sollten.
Die erste Gruppe war die um Allen Dulles, den langjährigen Freund des mächtigen profaschistischen Pressemagnaten Henry Luce vom Time-Magazin. Es waren verschiedene Aktivisten und Planer, die sich „die Park Avenue Cowboys“ nannten. Dulles und seine Gruppe arbeiteten am Aufbau einer permanenten Geheimdienstorganisation für die Zeit nach dem Krieg. Neben Dulles gehörten dazu Frank Wisner, C.D. Jackson, Kermit Roosevelt, Tracy Barnes, Richard Helms und Royall Tyler, der schon bald die Führung der Weltbank übernahm.
Den CCF gründete Frank Wisner, der damals das Büro für politische Koordination im Außenministerium leitete, das später als Abteilung für verdeckte Maßnahmen in die CIA überführt wurde. Dulles' persönlicher Verbindungsmann zu den Geheimdienstleuten, die den CCF vom Pariser Hauptquartier aus steuerten, war Tom Braden. Braden war von 1947-49 Nelson Rockefellers Sekretär im Museum of Modern Art gewesen, bevor er in die CIA eintrat.
Braden war es auch, dem zum geeigneten Zeitpunkt, das war 1967, die Aufgabe zufiel, den Kongreß als CIA-Front zu „outen“. In dem entsprechenden berühmten Artikel in der Saturday Evening Post mit dem Titel „Ich bin froh, daß die CIA 'unmoralisch' ist“, schrieb Braden damals: „Ich erinnere mich noch, welche immense Freude ich empfand, als das Boston Symphony Orchestra in Paris mehr Lob für die USA gewann, als John Forster Dulles oder Dwight D. Eisenhower sich in hundert Reden hätten erkaufen können. Und dann war da das Magazin Encounter (Begegnungen), das in England erschien und der Idee gewidmet war, daß kulturelle Leistungen und politische Freiheit voneinander abhängig waren. Das Geld für die Konzertreise des Orchesters und die Veröffentlichung des Magazins stammte von der CIA, und nur wenige außerhalb der CIA wußten das. Wir hatten einen Agenten in einer Intellektuellenorganisation in Europa namens Kongreß für kulturelle Freiheit. Ein weiterer Agent wurde ein Herausgeber von Encouter. Die Agenten konnten den offiziellen Anführern der Organisationen nicht nur antikommunistische Programme vorschlagen, sie boten ihnen auch Wege und Mittel, die unvermeidlichen Budgetprobleme zu lösen. Warum nicht nachfragen, ob das nötige Geld von 'amerikanischen Stiftungen' kommen könnte? Wie die Agenten wußten, waren die von der CIA finanzierten Stiftungen ziemlich großzügig, wenn es um das nationale Interesse ging.“
C.D. Jackson, einer der frühen „Cowboys“, gehörte zu den führenden Geheimdienstleuten und Managern von Henry Luce. Er stieg 1931 als Werbeleiter bei Time-Life ein. Während des Krieges war er dann stellvertretender Leiter der Abteilung für psychologische Kriegführung am Obersten Hauptquartier der Alliierten Expeditionskräfte (SHAEF). Nach dem Kriege kehrte er als Vizepräsident zu Time-Life zurück.
Jackson verließ Time-Life dann wieder, um verschiedene Geheimdienstaufgaben für Allen Dulles zu übernehmen. So wurde er Präsident des Nationalkomitees für ein Freies Europa, eine Dulles-Initiative, die als Vorläufer des CCF diente und viele Mitarbeiter des CCF finanzierte. Er spielte auch eine wesentliche Rolle bei der Gründung von Radio Freies Europa, einem CIA-Projekt, das unter der Schirmherrschaft des Nationalkomitees für ein Freies Europa gegründet wurde.
Als Präsident Eisenhower 1953 sein Amt antrat, wurde Jackson dessen Sonderberater für psychologische Kriegführung. In dieser Eigenschaft bewilligte er die wesentlichen Vorhaben des CCF, half bei der Gründung des Amerikanischen Komitees für Kulturelle Freiheit mit und trat schließlich auch in dessen Vorstand ein. Jackson spielte Luce Artikel zu, in denen für den CCF geworben wurde.
Die zweite Gruppe war die um Charles „Chip“ Bohlen. In dessen Wohnung in Georgetown gab es regelmäßige Treffen mit dem britischen Philosophen Isaiah Berlin, der Anfang der 50er Jahre in den Spionageskandal um Kim Philby verwickelt war, und mit George Kennan. Diese zweite Gruppe war bekannt als die „Sowjetologen“.
Bohlen hatte mehrere Jahre in Rußland gelebt und war nach dem Krieg US-Botschafter in Frankreich, wo er an der Leitung des internationalen Sekretariats des CCF mitwirkte. Er war der Mentor des Exilrussen und Komponisten Nikolas Nabokov, der Generalsekretär des CCF wurde.
George Kennan war einer der wichtigsten Männer hinter der Schaffung der Geheimdienststrukturen, die den CCF steuerten, und war selbst ein einflußreicher Teilnehmer vieler internationaler CCF-Symposien. Kennan war der Verfasser des berüchtigten Artikels in Foreign Affairs, worin er 1947 anonym als „Mister X“ den Kalten Krieg verkündete. Seine Philosophie war, die Sowjets im Lügen und Täuschen möglichst noch zu übertreffen - Dinge wie Wahrheit und Wirtschaftshilfe hielt er in einem solchen Kampf für nutzlos. Unter seinen zahlreichen Nationalen Sicherheitsdirektiven für Trumans Weißes Haus war auch die (PSBD-33/2) zur Gründung des „Beirats für Psychologische Strategie“ (Psychological Strategy Board, PSB), dessen Akten bis heute unter Geheimhaltung stehen.
Der PSB wurde am 4. April 1951 gegründet, sein erster Vorsitzender war Gordon Gray. Die Aufgabe des PSB bestand darin, die psychologische Kriegführung der CIA, des Verteidigungs- und des Außenministeriums zu zentralisieren und zu koordinieren. Charles Burton Marshall, der zunächst dem PSB angehörte, sich dann aber zu dessen vehementem Kritiker entwickelte, hat die Arbeitsprinzipien und Aktivitäten des PSB so geschildert: Eine selbsternannte Elite leitete den PSB in einer totalitären Weise, die „an Pareto, Sorel, Mussolini usw. erinnerte ... Individuen wird nur drittrangige Bedeutung zugeschrieben. Die angebliche Elite tritt als die einzige Gruppe auf, die zählt. Diese Elite ist definiert als jene zahlenmäßig begrenzte Gruppe, die in der Lage ist und ein Interesse daran hat, doktrinäre Angelegenheiten zu handhaben.“
Im Mai 1952 übernahm der PSB die Aufsicht über das „Paket“ - so lautete der Kodename für das Psychokriegsprogramm der CIA, mit dem ausländische „Meinungsmacher“ beeinflußt werden sollten. Hierzu gehörte auch die Aufsicht über das Amerikanische Komitee für kulturelle Freiheit, die „Bewegung für moralische Aufrüstung“ - eine Brutstätte für synarchistische Aktivitäten, der zuvor Rudolf Heß und andere Nazi-Größen angehört hatten - , der „Kreuzzug für die Freiheit“, der als Geldquelle für Dulles' Nationalkomitee für ein Freies Europa (NCFE) diente, das von NCFE betriebene Radio Freies Europa und Paix et Liberté.
In einem Dokument des PSB aus dem Juni 1953 heißt es, diese Programme seien notwendig, um „die doktrinären Denkmuster, welche die intellektuelle Grundlage des Kommunismus und anderer Lehren bilden, die den Zielen Amerikas und der freien Welt feindlich gegenüberstehen, weltweit zu durchbrechen“.
C.D. Jackson, der Mitarbeiter von Luce und Dulles, wurde das „delphische Orakel“ dieser Programme. Sein ausführliches Logbuch im Weißen Haus zeigt, daß die Planer des PSB ihn konsultieren mußten, bevor ihre Pläne in die Tat umgesetzt wurden. Jackson traf sich regelmäßig mit Tom Braden, um die Operationen des CCF zu genehmigen.
Der Präsident des Exekutivkomitees des CCF war Denis de Rougemont, ein Schweizer Staatsbürger, der vor dem Krieg mit seiner Zeitschrift Hic et Nunc die Franzosen mit den Werken des Naziphilosophen Martin Heidegger, Soren Kierkegaards und Karl Barths bekannt gemacht hatte.
De Rougemont, bekannt durch sein Buch Liebe in der westlichen Welt, verfaßte einen Aufsatz mit einem gnostischen Frontalangriff auf die Moral der Vereinigten Staaten unter Franklin Roosevelt. Man kann es nur als Versuch auffassen, die Mobilisierung gegen den Faschismus im Zweiten Weltkrieg zu untergraben. Der Aufsatz „Der Teufel und die Politik“, den er schrieb, als er in den USA für das Büro für Kriegsinformationen (OWI) arbeitete, erschien am 2. Juni 1941 in Christianity and Crisis.
De Rougemonts These lautet, alle Menschen hätten von Natur aus, zumindestens als Impuls, eine grundsätzlich böse Seite. Dieser Impuls könne sich bei jedem Menschen unter bestimmten Umständen Bahn brechen, und jeder müsse wissen, daß das Böse in ihm wohne, sonst sei er kein ganzer Mensch.
„Auch (die amerikanische Demokratie) glaubte und glaubt immer noch, daß die Nazis Tiere einer völlig anderen Rasse sind als die Amerikaner. Auch sie riskiert, eines Tages zu entdecken, daß sie letztendlich doch Menschen sind wie wir. Und es ist nur zu wahr, daß sie Menschen sind wie wir, in dem Sinne, daß ihre Sünde heimlich auch in uns ist ... Es scheint mir, daß die klarste Lehre aus den europäischen Ereignissen die ist: Der sentimentale Haß auf das Böse in anderen kann einen blind machen für das Böse, das man in sich selbst trägt, und für die Bedrohlichkeit des Bösen überhaupt. Die leichtfertige Verurteilung des bösen Menschen auf der anderen Seite kann viel innere Nachgiebigkeit gegenüber der gleichen (eigenen) Bosheit verbergen und fördern. Ich argwöhne eine tiefgehende Ambivalenz in bestimmten demokratischen Verurteilungen des Hitlerismus, denn die Gewalt des Tonfalls und die hartnäckige Einfachheit des Urteils verrät unser eigenes schlechtes Gewissen, unsere stille Sehnsucht, unsere nicht eingestandene Versuchung. Bei den Antifaschisten, die nur anti sein wollen, muß ich immer denken, daß das pro, das in einer Ecke ihrer Seele schlummert, früher oder später plötzlich erwachen und sie überwältigen wird ... Ich glaube, daß ich weiß, wovon ich rede, wenn ich den unehrlichen Demokraten sage: Seht den Teufel, der unter uns ist! Hört auf zu glauben, daß er nur Hitler, Stalin oder Senator Wheeler ähneln kann, denn er wird immer versuchen, euch selbst am meisten zu ähneln ... Und nur dann werdet ihr von eurer fast unglaublichen Naivität gegenüber der totalitären Gefahr geheilt werden und der Hypnose entgehen können.“
Den CCF steuerte Frank Wisners Büro für politische Koordination (OPC), das dem CCF den Kodenamen QKOPERA gegeben hatte. Wisner unterstellt war Lawrence de Neufville von der CIA, der in der Unterabteilung für die französischen Gewerkschaften arbeitete. Michael Josselson von der CIA arbeitete im Pariser Hauptquartier der CIA. Der frühere Trotzkist James Burnham wurde als Berater des OPC angeheuert und bildete die wichtigste Verbindung der CIA zur Intelligenzija.
Der „Kassenwart“ der Operation war Irving Brown, der auch verdeckte CIA-Programme unter dem Mantel europäischer Gewerkschaften steuerte. Kürzlich entdecktes Material in den Archiven des US-Bundesamts für Narkotika deutet darauf hin, daß Mitte der 60er Jahre gegen Brown wegen Rauschgifthandel oder Geldwäsche (als Geldquelle für die verdeckten Operationen) ermittelt wurde. In verschiedenen US-Dokumenten wird er in Verbindung mit notorischen Verbrecherbossen Frankreichs und mit der italienischen Mafia gebracht.
Die CIA gründete die Fairfield-Stiftung und mehrere weitere Stiftungen als Frontorganisationen, um die Gelder weiterzuleiten. Wenn die Programme einmal liefen, übernahmen vor allem die Ford-Stiftung und die Rockefeller-Stiftung sowie weitere große amerikanische Familienstiftungen einen großen Teil der Finanzierung. Der frühere Hochkommissar in Deutschland McCloy schrieb Mitte der 60er Jahre persönlich an den Präsidenten der Ford-Stiftung McGeorge Bundy, um dem CCF Gelder zu sichern, als die CIA gerade durch Tom Bradens Story in der Saturday Evening Post ihre frühere Verbindung zum CCF bekannt werden ließ.
Der frühere führende CIA-Beamte Victor Marchetti schreibt 1974 in dem ersten großen Enthüllungsbuch über die verdeckten CIA-Operationen, The CIA and the Cult of Intelligence, die CIA sei bei ihrer Nutzung der Stiftungen zu weit gegangen: „Die kulturliebenden, optimistischen, freilaufenden Operateure der CIA machten bei der Finanzierung dieser 'privaten' Institutionen schwere taktische Fehler. Im Lauf der Jahre beteiligte sich die Behörde an so vielen Gruppen, daß eine direkte Überwachung und Buchführung nicht immer möglich war. Noch dazu verletzte die Behörde eine Grundregel der Geheimdienstarbeit, indem sie die Operationen dieser Organisationen nicht sorgfältig von allen anderen trennte. Als 1967 die ersten Enthüllungen über die Beteiligung der CIA erschienen, fanden deshalb Enthüllungsjournalisten heraus, daß die finanziellen Arrangements und als Kanäle dienenden Stiftungen so miteinander verwoben und übermäßig genutzt worden waren, daß noch weitere Gruppen, die von der CIA Gelder erhielten, aufgespürt werden konnten.“
1954 ersetzte Cord Meyer Tom Braden als Dulles' persönlichen Verbindungsmann der CIA-Abteilung für internationale Organisationen (IOD) zu den Operationen des CCF. Meyer war Herausgeber der Literaturzeitschrift der Universität Yale gewesen, wo er 1942 seinen Abschluß gemacht hatte. Seine Lieblingsdichter waren Allen Tate und John Crowe Ransom, die zum Kern der „Nashville Agrarier“ gehörten.
Ransoms handvoll Schützlinge war 1938 als „Ransoms Boys“ bekannt. Meyer holte mehrere von ihnen in die CIA. Bobbie Macauley, Ransoms Assistent im Kenyon Review, wurde dem IOD zugeteilt, wo er im Sommer 1954 Nachfolger Lawrence de Neufvilles wurde. Er übersiedelte nach Paris, um die Operationen des CCF zu überwachen. 1956 machte Meyer einen weiteren der Ransom-Boys, John „Jack“ Thompson, zum Exekutivdirektor der Fairfield-Stiftung, was dieser mehr als ein Jahrzehnt lang blieb. Natürlich schrieben Tate, Ransom und ihr Genosse von den Nashville-Agrariern, Robert Penn Warren, allesamt für das CCF-Magazin Encounter.
Der amerikanische Zweig des CCF wurde 1951 gegründet. Die treibende Kraft hinter dem Amerikanischen Komitee für kulturelle Freiheit (ACCF) und zugleich sein erster Vorsitzender war Sidney Hook. Hook war als Berater für die CIA tätig und stand mit CIA-Direktor Walter Bedell Smith und PSB-Direktor Gordon Gray in Verbindung.
Hook hatte in seiner marxistischen Jugend in den 20er Jahren an der Frankfurter Schule studiert. Sein Buch Von Hegel zu Marx war eine Zusammenstellung von Notizen aus den Vorlesungen des Mitgründers der Frankfurter Schule, Karl Korsch, einem damals führenden Mitglied der Komintern, der später bei der Gründung des „Linguistik“-Projektes eng mit Bertrand Russell zusammenarbeitete. (Heute ist MIT-Professor Noam Chomsky einer der führenden Köpfe dieser linguistischen Denkrichtung.)
Als man daran ging, nach Hitlers Machtergreifung die Frankfurter Schule nach Amerika zu verlegen, lieferten Hook und sein Mentor John Dewey (ebenfalls ein CCF-Direktor) über die Columbia-Universität und die Neue Schule für Sozialforschung (NSSR) den Emigranten Geld und politische Unterstützung. Die NSSR bot später auch dem faschistischen Philosophen Leo Strauss und Hannah Arendt, der Ideologin der Frankfurter Schule und des CCF, Arbeitsmöglichkeiten.
Irving Kristol, der geschäftsführende Herausgeber des Magazins des American Jewish Committee Commentary, war der erste Exekutivdirektor des ACCF. Kristol rühmt sich selbst 1995 in seiner Autobiographie, er sei der Pate des Neokonservativismus. Der CCF-Mitgründer Lionel Trilling, Leo Strauss und John Crowe Ransom von den Nashville-Agrariern hätten den stärksten Einfluß auf seine geistige Entwicklung ausgeübt.
Zu den Vorstandsmitgliedern des ACCF gehörte auch der Herausgeber des New Leader Sol Levitas, ein Schützling von Allen Dulles und C.D. Jackson. Dulles warb über den New Leader für die Gründung einer „Kommission für innere Sicherheit“ zur Untersuchung „subversiver“ Einflüsse auf die USA. Levitas lieferte Informationen seiner weltweiten Korrespondenten an Henry Luce und wurde dafür bezahlt. Philip Rahv, der Herausgeber des Partisan Review, war ebenfalls Vorstandsmitglied des ACCF. Luce rettete den Partisan Review vor dem Bankrott und unterstützte auch unauffällig den ACCF mit Geld.
Anfang 1951 reiste Frank Wisner nach London, um sich mit seinen Kollegen vom britischen Geheimdienst (SIS) zu treffen. In mehreren Sitzungen wurde vereinbart, ein Vorzeigeblatt für den CCF zu gründen.
Man kam überein, daß die Amerikaner und die Briten das in London angesiedelte Magazin Encounter gemeinsam leiten und auch finanzieren würden. Sidney Hook erwählte den ACCF-Exekutivdirektor Irving Kristol dazu, das Magazin zusammen mit dem britischen Fabianer Stephen Spender herauszugeben.
Stephen Spender, Jahrgang 1909, wurde schon früh Waise und trat 1928 in das University College in Oxford ein. Dort nahmen sich mehrere führende Literaten seiner an, zu denen er enge Beziehungen entwickelte. Wie sein Biograph David Leeming schreibt, dienten ihm T.S. Eliot und Virginia Woolfe als Ersatzeltern, W.H. Auden und Christopher Isherwood als die älteren Ersatzbrüder. Auden und Isherwood, beide homosexuell, arbeiteteten für den britischen Geheimdienst daran, in der Kulturszene Nordamerikas und Europas besonders verkommene und anfällige Menschen zu suchen und anzuwerben.
Spender verließ Oxford ohne Abschluß und machte weite Reisen durch Europa, wobei er zahlreiche pädophile Affären hatte. Zeitweilig lebte er auch in Weimar. Er wurde in den entsprechenden Kreisen als Dichter und Essayist bekannt und spielte in seinen Werken auf seine Affären an. „Was auch immer geschieht“, schrieb er, „ich werde niemals alleine sein. Ich werde immer einen Knaben, eine Bahnfahrkarte oder eine Revolution haben.“
Spender arbeitete nach dem Krieg für die britische Kontrollkommission in Deutschland und verbrachte außerdem viel Zeit in den Vereinigten Staaten, wo ihn John Crowe Ransom und Allen Tate unter ihre Fittiche nahmen. Später schloß er Freundschaft mit dem „Beatnik“-Dichter Allen Ginsberg, der als Propagandist für LSD und Sex bekannt wurde und zu den Gurus der Gegenkulturbewegung der 60er Jahre zählte.
Mit der Zeit unterhielt der CCF noch mehr Zeitschriften: Kenyon Review, Sewanee Review und Poetry - allesamt Projekte der „Fugitives“ und ihrer Geistesgenossen - , das von Luce finanzierte Journal of the History of Ideas, Partisan Review, Paris Review und Daedalus.
Kristol ging Anfang 1953 nach London, um seine neuen Pflichten wahrzunehmen, und Sidney Hook kam mit, um die inhaltliche Gestaltung und die Gründung der Zeitschrift zu überwachen. Im Juni erschien Encounter mit einer Anschubfinanzierung von 40 000 Dollar durch die Fairfield-Stiftung. Die Erstausgabe enthielt Artikel von Julian Huxley, Allen Tate, Lionel Trilling, Robert Penn Warren, W.H. Auden, Thornton Wilder, Jayaprakash Naryan, Mircea Eliade, André Malraux und Guido Piovene.
Malcolm Muggeridge vom Leitungsausschuß des CCF war der Verbindungsmann zum britischen MI6. Das Geld für den CCF lief über den Filmregisseur Alexander Korda und über Lord Victor Rothschild, der Encounter bis Mitte der 60er Jahre nahestand. Frederick Warburg vom Bankhaus Secker und Warburg erklärte sich bereit, das Magazin in seinem Verlag herauszubringen. Warburg war auch der Verleger von George Orwell, der ebenfalls im CCF aktiv war.
Warburg war Schatzmeister der Britischen Gesellschaft für kulturelle Freiheit (BSCF). Zu den Gründungsmitgliedern der BSCF gehörten T.S. Eliot, Isaiah Berlin, Lord David Cecil und der Generalsekretär der Labour-Partei Richard Crossman. Die Geheimdienstabteilung IRD (siehe unten) zahlte die Gelder in ein Privatkonto bei Secker und Warburg ein, aus dem die BSCF finanziert wurde, die damit wiederum Encounter bezahlte.
Kristol veröffentlichte in Encounter Schriften zahlreicher Autoren der Labour-Partei, darunter Hugh Gaitskell, Roy Jenkins, C.A.R. Crosland, Richard Crossman, Patrick Gordon-Walker, John Strachey, Rita Hinden, Denis Healey (damals britischer Korrespondent von Levitas' New Leader) und Roderick Macfarquhar. Viele von diesen beteiligten sich an internationalen Seminaren des CCF, andere, wie Gaitskell, gingen im Rahmen von CCF-Projekten auf Reisen.
Crosland arbeitete mit Daniel Bell zusammen, der sich als Gewerkschaftsredakteur von Luces Fortune-Magazin beurlauben ließ, um die internationalen Gründungsseminare des CCF zu planen. Crosland trat auch in den internationalen CCF-Vorstand ein. Der CCF gab Rita Hinden Geld, damit das offizielle Journal der Fabianer, Venture, ausgeweitet werden konnte. Als die britische Labour-Partei bei der Wahl 1964 die Konservativen schlug, wurden ein halbes Dutzend regelmäßige Autoren von Encounter in die neue Regierung unter Premierminister Harold Wilson geholt.
Die Arbeitsbeziehung zwischen den britischen Eliten und ihren amerikanischen Partnern, die später in den CCF mündete, reicht in das Jahr 1948 zurück, als Arthur Koestler eine Amerikareise unternahm. Koestler war ein erfahrener Geheimdienstmann mit einer bunten Vergangenheit.
1905 in Budapest geboren, war er als junger Mann Assistent des Zionisten Wladimir Jabotinsky, der Mussolinis Faschismus unterstützte. Mit 27 Jahren trat er in die Kommunistische Partei ein und ging nach Rußland, wo er Über weiße Nächte und rote Tage schrieb. Das Buch wurde von der Komintern finanziert.
Dann war Koestler in Deutschland aktiv. Als Hitler an die Macht kam, emigrierte er nach Paris. Dort arbeitete er für den früheren kommunistischen Reichstagsabgeordneten Willi Münzenberg, der damals für die Komintern tätig war, und spezialisierte sich auf die Unterwanderung und verdeckte Bekämpfung politischer Organisationen. 1936 schickte ihn Münzenberg als Spion nach Spanien, wo er als politischer Gefangener inhaftiert wurde. Obwohl er als Sowjet-Agent bekannt war, setzten sich die Briten für seine Freilassung ein. 1938 trat er aus der Kommunistischen Partei aus und ging nach Paris. Während des Zweiten Weltkriegs war er in Frankreich in Haft, wo er das Buch Darkness at Noon - deutsch Sonnenfinsternis - verfaßte, in dem er seine Abkehr vom Kommunismus beschreibt. Das Buch wurde eines der beliebtesten Propagandainstrumente für Dulles & Co. und wurde über den CCF verbreitet.
Nach seiner Freilassung ging er nach England, trat ins Informationsministerium ein und nahm die britische Staatsangehörigkeit an. Als die Briten im Februar 1948 ihre Informations-Forschungsabteilung (IRD) für den verdeckten Kalten Krieg schufen, wurde Koestler ein Berater und einer ihrer wichtigsten Agenten. Die IRD kaufte 50 000 Exemplare von Sonnenfinsternis und ließ sie in Deutschland verteilen. Luces Time-Magazin druckte sein Buch für die Vereinigten Staaten.
1948 wurde Koestler mit Unterstützung der US-Dienste auf eine Reise in die Vereinigten Staaten geschickt, um dort ein Agentennetz zu konsolidieren, das in der amerikanischen Akademikerschicht, in der es viele frühere Mitläufer der Kommunisten gab, Mitstreiter für den Kalten Krieg rekrutierte. Koestler ging zunächst nach Paris, um sich mit André Malraux und dem gerade erst ernannten US-Botschafter in Frankreich Charles Bohlen zu treffen und seine Reise zu besprechen. Auf dem Schiff, das ihn nach Amerika brachte, hatte er lange Gespräche mit John Foster Dulles. James Burnham, die spätere Graue Eminenz in William Buckleys National Review, war sein ständiger Begleiter.
Koestler richtete eine Arbeitsbeziehung zur CIA ein, und gemeinsam nahm man sich die „nichtkommunistische Linke“ vor, wie das Außenministerium sie nannte, d.h. Intellektuelle und Gewerkschafter, die vom Kommunismus enttäuscht waren, aber immer noch an den Idealen des Sozialismus festhielten. In Europa waren die Zielgruppe vor allem demokratische Sozialisten, in den USA Anhänger von Franklin Roosevelts New Deal.
Zusammen mit Michael Josselson und Melvin Lasky vom CIA bereitete Koestler den Berliner Gründungskongreß des CCF im Jahr 1950 vor. Koestler verfaßte auch das Gründungsmanifest, das vom Kongreß verabschiedet wurde.
Melvin Lasky, ein amerikanischer Fachmann für kulturelle Kriegführung, wurde von Hochkommissar McCloy gefördert. Er hatte sich in Berlin niedergelassen und brachte dort das antikommunistische Kulturjournal Der Monat heraus, das später ein Organ des CCF wurde. Lasky war auch Korrespondent von Levitas' New Leader und des Partisan Review.
Wladimir Illjitsch Lenin schrieb einmal, die westlichen Eliten würden sich selbst den Strick kaufen, an dem sie sich aufhängen würden. Die wirtschaftlichen und kulturellen „Reformen“ des CCF beweisen Lenins Behauptung. Mit seinen vielen Arbeitsgruppen, Seminaren, internationalen Konferenzen und Büchern wurde der CCF im Kalten Krieg ein frühes wichtiges Propagandainstrument für die malthusianische Idee der „nachindustriellen Gesellschaft“.
1956 ließ sich Daniel Bell als Gewerkschaftsredakter des Fortune-Magazins, das schon für Mussolinis faschistische Arbeitspolitik geworben hatte, beurlauben, um erster Direktor des Seminarplanungsausschusses des CCF zu werden.
Im April 1957 fand das erste Seminar in Tokio statt. Es hatte das Thema „Probleme des Wirtschaftswachstums“. 30 Ökonomen aus zwölf westlichen, asiatischen und afrikanischen Ländern nahmen daran teil. Frances Stonor Saunders berichtet in Der kulturelle Kalte Krieg: „Die Konferenz war ein Vorläufer der nahe bevorstehenden Wende der Entwicklungsökonomen weg vom Wirtschaftswachstum pro Kopf als Schwerpunkt hin zu Lebensqualität, sozialer Gerechtigkeit und Freiheit als wahrem Maßstab der Entwicklung.“ Bell verfaßte später Die kommende nachindustrielle Revolution, sprich den Weg zu einer Konsumgesellschaft und dem Ende des Amerikanischen Systems der produktiven Wirtschaftsaktivität. Die „nachindustrielle Gesellschaft“ war das perfekte Vehikel für die aufblühende Rock-Drogen-Sex-Gegenkultur, das langfristige Ziel des Kulturkriegs des CCF und seiner anglo-amerikanischen synarchistischen Unterstützer.
Coleman, Peter: The Liberal Conspiracy, The Free Press, New York 1999.
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Saunders, Frances Stonor: The Cultural Cold War, New Press, New York, 2000.
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