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Macht das Treffen zwischen Trump und Putin den Weg frei für das neue Paradigma?

Von Alexander Hartmann

Schon vor dem NATO-Gipfel schlugen die Wellen hoch, nachdem US-Präsident Trump für den 16. Juli ein Treffen mit dem russischen Präsidenten Putin in Helsinki angekündigt hatte. Die Londoner Times schrieb am 8. Juli, die NATO-Staatsführer befürchteten „einen Angriff Donald Trumps auf das transatlantische Bündnis“, der Londoner Guardian stellte die Frage: „Ist Amerika ein Freund - oder ein Feind?“ Offensichtlich fürchteten das transatlantische Establishment und insbesondere die britischen Eliten, daß Trump den NATO-Gipfel in ähnlicher Weise platzen lassen würde wie einen Monat zuvor das Gipfeltreffen der G-7 in Kanada, wo er seine Unterschrift unter dem gemeinsamen Kommuniqué zurückgezogen hatte und vorzeitig zu seinem Treffen mit dem nordkoreanischen Staatschef Kim Jong-un abgereist war.

Auch wenn am Ende des NATO-Gipfels eine gemeinsame Erklärung mit Trumps Unterschrift veröffentlicht wurde, lief das Treffen sicherlich ganz anders, als es die europäischen „Partner“ der USA wollten, denn Trump brachte sie von vornherein in die Defensive mit seiner Forderung, die NATO-Mitglieder sollten die Rüstungsausgaben sofort auf 2% und dann möglichst bald auf 4% des BIP anheben, und dem Hinweis, es sei absurd, wenn die USA viele Milliarden für die Verteidigung Europas gegen die Bedrohung durch Rußland aufwenden, während Europa selbst viele Milliarden für den Kauf russischen Erdgases ausgebe „und sich dadurch selbst von Rußland abhängig macht“.

Schließlich mußten die in letzter Zeit ganz und gar nicht erfolgsgewohnten europäischen Regierungen - insbesondere die von Theresa May in London und die von Angela Merkel in Berlin - am Ende noch froh sein, daß es nicht zu einem völligen Eklat kam, während Trumps Forderungen ein erhebliches Sprengpotential entwickeln werden, sobald die betroffenen Regierungen tatsächlich versuchen sollten, sie zu erfüllen, während Trump andererseits gute Argumente hat, das amerikanische Engagement in Europa deutlich zu reduzieren, wenn seine Forderungen nicht erfüllt werden. Ein unrühmliches Ende der NATO ist also auch nach dem Gipfel keineswegs ausgeschlossen.

In ihrem internationalen Internetforum kommentierte Helga Zepp-LaRouche am 12. Juli Trumps Auftritt beim NATO-Gipfel: „Er schlägt Wellen, was zum Teil gut ist, denn die NATO hat tatsächlich ihre Existenzberechtigung verloren, als die Sowjetunion auseinanderbrach. Ich denke, wenn die NATO sich tatsächlich auflösen würde, dann wäre dies keine schlechte Sache, denn realistisch betrachtet gibt es keine russische Bedrohung für Europa.“

Sie übte jedoch Kritik an Trumps Forderungen: „Bei Trumps Äußerungen über Deutschland als Geisel Rußlands, denke ich, geht es mehr um ein geschäftliches Interesse, Flüssiggas aus dem Fracking in den Vereinigten Staaten zu verkaufen. Die Nord-Stream-2-Pipeline ist, wie Trump normalerweise sagen würde, ,eine gute Sache’, und sie bedeutet nicht, daß Europa und Deutschland von russischen Energielieferungen abhängig werden - da lag er ganz klar falsch.“ Auch die Idee, die NATO-Ausgaben auf 4% des BIP zu steigern, mache keinen Sinn.

Sie betonte jedoch: „Aber das wird alles möglicherweise eine ganz andere Wendung nehmen. Denn auch wenn wir nicht wissen, was alles auf der Tagesordnung für das Gipfeltreffen zwischen Putin und Trump am kommenden Montag stehen wird, es wird über Abrüstung gesprochen werden. Und wenn die Vereinigten Staaten und Rußland zu einer vernünftigen Einigung über die Abrüstung und die Beschränkung des Rüstungswettlaufs kommen, dann wird offensichtlich auch die Frage der NATO in einem anderen Licht erscheinen.“

Der Putin-Trump-Gipfel sei offensichtlich viel wichtiger als das NATO-Treffen, „denn die Beziehung zwischen den beiden größten Nuklearmächten und auf andere Weise zwischen den beiden größten Volkswirtschaften, nämlich den Vereinigten Staaten und China - das sind die strategisch relevanten Fragen“. Alles andere sei weniger wichtig, „trotz der Tatsache, daß die Hysterie auf Seiten der neoliberalen und neokonservativen Kräfte im Westen natürlich ganz beträchtlich ist. Manchmal ist es wirklich amüsant zu sehen, wie die westlichen Regierungen, die im alten Paradigma gefangen sind, vollkommen unfähig, irgendwelche konstruktiven Gedanken für die Zukunft zu fassen. Und ein sehr gutes Beispiel dafür ist das, was jetzt mit der Regierung May geschieht, die offensichtlich auseinanderbricht.“ Vielleicht werde die Regierung May am Ende des Trump-Besuches gar nicht mehr existieren. „Es besteht also eine klare Notwendigkeit eines anderen Ansatzes.“

Wie geht es weiter in London?

Eine Neuwahl und ein Wahlsieg des Labour-Vorsitzenden Jeremy Corbyn „wären definitiv eine Wende zum Besseren, und das ist offensichtlich etwas, was viele Tories fürchten“. Der Rücktritt von Außenminister Boris Johnson, der offensichtlich selbst Premierminister werden wolle, sei ein Machtspiel, aber er habe viele Gegner und werde Schwierigkeiten haben, sich durchzusetzen.

Sie betonte: „Eine der großen Fragen im Hintergrund ist offensichtlich, was mit der Londoner City geschehen wird.“ Theresa May wolle einen „weichen Brexit“. Das würde bedeuten, „daß die Briten sich auswählen können, in welchen europäischen Institutionen sie verbleiben wollen, und in welchen sie nicht verbleiben wollen. Das ist also etwas, was mit der EU sicherlich nicht so leicht gehen wird. Denn wenn man dies einem Land erlaubt, Großbritannien, dann wird der Appetit der anderen, das gleiche zu tun, natürlich wachsen. Aber auch die Fraktion des sogenannten ,harten Brexit’ ist mit der Londoner City verbunden, jedenfalls bei den Tories. Ich denke daher, daß das beste, was in Großbritannien geschehen kann, Neuwahlen sind, die zu einem Wahlsieg von Corbyn führen.“

Jedenfalls sei die Rolle Großbritanniens definitiv geschwächt. „Ich denke daher, daß wichtiger sein wird, was zwischen Trump und Putin geschieht, denn die Welt ist voller dringender Probleme“ - beispielsweise drohe ein Finanzkrach, der durch einen harten Brexit oder irgendeine andere Bankenkrise ausgelöst werden könne. „All das erfordert einen anderen Ansatz, und deshalb ist unsere Antwort darauf: Wir brauchen dringend ein Neues Bretton-Woods-System. Wir müssen zur Stabilität des Finanzsystems zurückkehren, denn wenn das westliche Finanzsystem in unkontrollierter Weise zusammenbrechen würde, dann könnte es wirklich Chaos rund um den Globus auslösen.“

Sie betonte: „Wir müssen die ganze Debatte auf eine höhere Ebene heben und nicht in einen Streit eines Landes gegen ein anderes in einem Nullsummenspiel zurückfallen… Wir brauchen ein neues Paradigma.“

Das sei das Lebenswerk ihres Ehemanns Lyndon LaRouche, der sich schon seit sehr langer Zeit mit diesen Fragen befaßt habe. „Ich denke, der erste umfassende Vorschlag für eine Reform des Finanzsystems, den er gemacht hat, war 1975, als er vorgeschlagen hat, eine Internationale Entwicklungsbank zu gründen, die den Weltwährungsfonds ersetzen sollte. Und seither hat er viele weitere Vorschläge ausgearbeitet.“ Sie empfahl, LaRouches Vorschlag für ein Viermächte-Abkommen zwischen den Vereinigten Staaten, Rußland, China und Indien für ein Neues Bretton Woods als Ausgangspunkt zu nehmen, dem sich dann andere Länder anschließen - „das ist tatsächlich der Weg, den wir gehen sollten.“

Multipolar oder multilateral?

Als Antwort auf die Frage, ob nach der untergehenden „unipolaren“ Weltordnung der letzten Jahrzehnte nun eine „multipolare“ oder eine „multilaterale“ Weltordnung geschaffen werden sollte, antwortete sie, das multipolare Konzept sei Ausdruck des geopolitischen Denkens. „Man kann das sehen am Beispiel der Europäischen Union, die behauptet, sie müsse die europäische Integration weiter vorantreiben, um die Bedrohungen von Seiten Rußlands, Chinas oder sogar der Vereinigten Staaten abzuwehren - und das ist Geopolitik, das ist genau das Denken, das zu potentiellen Konflikten führt.“

Das neue Paradigma hingegen und die neuen internationalen Beziehungen, wie sie von Xi Jinping vorgeschlagen wurden, mit der Idee einer „Gemeinschaft der gemeinsamen Zukunft der Menschheit“ erlaube „eine multilaterale Beziehung zwischen souveränen Nationen, die jedoch durch die ,gemeinsamen Ziele der Menschheit’ geeint sind, sodaß die eine Menschheit über alle diese verschiedenen Nationen und Staatengruppen gestellt wird.“ Das sei ein sehr großer Unterschied.

Sie betonte: „Wenn wir die Geopolitik nicht überwinden, dann ist ganz klar, daß dies zur Auslöschung der Zivilisation führen kann - und wahrscheinlich auch führen wird. Denn es liegt in der Natur von Waffen, daß man sie, wenn man sie einmal hat, auch einsetzt. Und im Zeitalter nuklearer Waffen sollte meiner Meinung nach offensichtlich sein, daß die Konfliktlösung durch Krieg absolut verboten sein muß, wegen der Konsequenzen, die dies haben kann.“

Die Idee eines neuen Paradigmas, neuer Beziehungen, die die Souveränität des anderen respektieren und auch den gegenseitigen Nutzen für den anderen berücksichtigen - das sei die eigentliche Grundlage des Westfälischen Friedens, die Grundlage für die Charta der Vereinten Nationen und die Grundlage für die Allgemeine Erklärung der Menschenrechte von 1948. „Ich denke daher, daß wir eine tiefere Diskussion darüber brauchen, was die ontologischen Konzepte sein sollten, die der internationalen Ordnung zugrunde liegen. Aber wir müssen uns in jeder Kultur mit diesen tieferen Fragen befassen, was es allen Kulturen erlauben wird, für einen höheren Zweck zusammenzuarbeiten.“