06131-237384info@bueso.de

Zu mächtig, um ins Gefängnis zu wandern? Griechenland wird zur Nemesis der Banken!

[i]Von Helga Zepp-LaRouche[/i]

Die sehr unterschiedliche Interpretation des Kompromisses, der am Freitag vergangener Woche zwischen den Finanzministern der Eurogruppe und dem griechischen Finanzminister Yanis Varoufakis vereinbart wurde, läßt ahnen, daß der Konflikt in Kürze mit voller Kraft zurückkehren wird. Während die Lesart der Eurogruppe in ihrer veröffentlichten Erklärung behauptet, Griechenland habe sich verpflichtet, sich weiterhin an die Sparauflagen zu halten und ohne Absprache mit den „Institutionen“ – ein neuer Name für die Troika – keine neuen Maßnahmen zu ergreifen, befindet die SYRIZA-Zeitung [i]I Avgi[/i]: „Es ist eine neue Ära ausgebrochen – ohne Memorandum und ohne Troika. Nun hat die Regierung vier Monate Zeit, um einen neuen Vertrag auszuarbeiten.“ Es könnte also sein, daß die Absprache bereits am Montag platzen wird, wenn Athen seine Änderungsvorschläge in Brüssel präsentiert. Denn trotz der Zwangslage, in der sich die neue griechische Regierung befindet – immerhin hat sie die Verantwortung für eine notleidende Bevölkerung –, treffen hier zwei fundamental verschiedene, inkongruente Geometrien aufeinander.

Wie bereits an [url:"node/7912"]anderer Stelle[/url] dokumentiert wurde, hat Griechenland den europäischen Institutionen gegenüber überhaupt keine legitimen Schulden. Diverse Großbanken und Hedgefonds manipulierten mit ihren Spekulationen das Umfeld der Zahlungsbedingungen der Schulden, die Griechenland zu bedienen hatte, zu dessen Nachteil, und von den Geldern der sogenannten Rettungspakete blieben nur 3% in Griechenland, während der Rest an die europäischen Banken zurückfloß.

Statt eines Zahlungsplans sollte daher eine gründliche Untersuchung in Gang gesetzt werden, wie es zur gegenwärtigen Lage gekommen ist, angefangen mit der Rolle von Goldman Sachs bei der „kreativen Buchführung“ unter Verwendung von Swaps – eine Methode, die [i]Le Monde[/i] als „Bilanzfälschung“ bezeichnete und die zur Aufnahme Griechenlands in die Eurozone geführt hat.

Dabei dürfte die Rolle des damaligen Gouverneurs der griechischen Zentralbank, Lucas Papademos, von Interesse sein, der mit Sicherheit von den Swap-Geschäften von Goldman Sachs wissen mußte, mit deren Hilfe die Verschuldung Griechenlands geschönt wurde. Und da Herr Papademos 2002 nach seinem Posten als Gouverneur der griechischen Zentralbank sofort mit dem Posten des Vizepräsidenten der EZB belohnt wurde, darf man annehmen, daß man in Frankfurt und Brüssel genau Bescheid wußte, wie es zur Aufnahme Griechenlands in die Eurozone kam. Soviel zu dem Vorwurf, Griechenland habe sich seine Aufnahme erschlichen.

Es lohnt sich aber auch, einen genaueren Blick auf die dieser Tage viel beschworene Formel [i]„pacta sunt servanda“[/i] (Verträge sind einzuhalten) zu werfen. Denn wenn 97 % der sogenannten Rettungspakete an die Banken zurückgeflossen sind, um welchen Vertragspartner handelt es sich da eigentlich?

Nun, man erinnert sich an einiges. Da waren der LIBOR- und EURIBOR-Skandal, bei dem rund 30 Großbanken ihre Kunden durch Zinsmanipulationen über ein Vierteljahrhundert um dreistellige Milliardenbeträge betrogen haben; mehrere Banken wurden erwischt, als sie ihren Kunden wissentlich toxische Papiere verkauft hatten; es gab immer wieder Fälle von Geldwäsche für so ziemlich alle denkbaren kriminellen Aktivitäten von Drogen-, über Waffen- bis Diamantenhandel, sowie die Finanzierung des Terrorismus; dann war da noch der Madoff-Schwindel, und jetzt natürlich wieder die Saga der HSBC. Gegen diese Bank, ehemals Finanzhaus für den Opiumkrieg des Britischen Empire gegen China, wird derzeit in der Schweiz, Argentinien, Indien, Großbritannien und den USA wegen einer ganzen Reihe von Delikten ermittelt, darunter in der Schweiz und Indien aktive Beihilfe zur Steuerhinterziehung für reiche Kunden – in der Schweiz geht es um rund 120 Milliarden – und natürlich wieder Geldwäsche in mehreren Kategorien.

Die ehemalige Protokollchefin der Schweizer Bank UBS, Stephanie Gibaud, die jetzt mit der argentinischen Regierung bei der Untersuchung von illegalen Aktivitäten der UBS zusammenarbeitet, drückte es jüngst in einem Interview so aus: „Wir müssen verstehen, daß wir es hier mit einer kriminellen Industrie zu tun haben; daß die ganze Sache ein einziges schmutziges Geschäft ist, und daß alle diese ausgeklügelten Pläne zur Steuerhinterziehung durch die UBS und jetzt die HSBC usw., die jetzt untersucht werden – daß dies nicht bloß Verirrungen sind. Es sind nicht irgendwelche illegalen Operationen, in die die Banken am Rande ansonsten legitimer Geschäftspraktiken verwickelt waren. Diese Operationen sind vielmehr der einzige Grund, warum diese Banken überhaupt existieren … Man muß verstehen, daß dies das Hauptgeschäft der Offshore-Banken ist; und der Versuch der Vorstandsvorsitzenden, kleine Angestellte zum Sündenbock zu machen, wann immer sie bei illegalen Aktivitäten erwischt werden, ist einfach ekelhaft.“ Es seien diese Schwergewichte, die ins Gefängnis gehören.

Der Fall der HSBC ist jetzt dabei, eine internationale Lawine ins Rollen zu bringen, die die Karriere einer ganzen Reihe von Mitschuldigen beenden könnte. Am 8. Februar brachte der US-Fernsehsender [i]CBS[/i] in seiner Sendung „60 Minutes“ eine ausführliche Dokumentation über die Enthüllungen des „Whistleblowers“ Hervé Falciani, einem Informationstechniker, der in der Schweizer Filiale der HSBC beschäftigt war und den französischen Behörden schon 2008 umfangreiche computerisierte Bankunterlagen übermittelt hatte, die diese ihrerseits den britischen und amerikanischen Behörden mitgeteilt hatten. Dabei ging es u.a. um detaillierte Notizen der Verwalter großer Vermögen darüber, wie die Strukturen für Geldwäsche und Steuerhinterziehung geschaffen wurden. Alleine in der Schweiz wurden zu diesem Zweck 30.000 Konten geschaffen.

Das britische Finanzministerium ignorierte die Beweise für die Verbrechen der HSBC, statt dessen wurde der damalige Vorstandschef der HSBC in Großbritannien, Sir Stephen Green, 2011 zum Lord befördert und sogar Handelsminister in der Regierung Cameron.

In den USA war es 2012 Loretta Lynch, Staatsanwältin für den Östlichen Distrikt in New York, die die Strafverfolgung gegen die HSBC aussetzte, als diese für die Geldwäsche von an die 80% der Gelder der mexikanischen Drogenmafia angeklagt war. Die HSBC mußte daraufhin lediglich 1,9 Mrd. $ Strafe zahlen, was sie angesichts der Riesengewinne aus der Geldwäsche quasi aus der Portokasse entrichten konnte.

Dieselbe Loretta Lynch wurde dann bezeichnenderweise von der Obama-Administration als Nachfolgerin von Justizminister Holder nominiert; ihre Nominierung wurde allerdings jetzt im Senat wegen der neuerlichen Skandale auf Eis gelegt, und sie wird eine unangenehme Befragung durch den Senat über sich ergehen lassen müssen.

Für diese Machenschaften gibt es in den USA eine Lizenz von höchster Stelle, formuliert im sogenannten „Holder-Brief“, in dem ausdrücklich angeordnet wird, daß die Too-Big-To-Fail-Banken strafrechtlich nicht verfolgt werden dürfen, weil ihre Verfolgung einen Systemkollaps auslösen würde.

Angesichts dieser Realität eines durch und durch kriminellen Bankensystems ist die griechische Forderung nach einer europäischen Schuldenkonferenz mehr als legitim. Schäuble, Dijsselbloem, Draghi, Lew und Co., die so unerbittlich darauf bestehen, daß die neue, demokratisch gewählte Regierung Griechenlands Verträge einhalten soll, die mit früheren, nachweislich korrupten Regierungen abgeschlossen wurden, deren Nutznießer ein Bankensystem ist, für das es nur ein Vergehen gibt, nämlich erwischt zu werden, handeln zutiefst unmoralisch. Sie mögen zwar formell die Legalität auf ihrer Seite haben, die sie Gerichten und Verträgen verdanken, die dieses System der maximalen Profitmaximierung für Spekulanten schützen, die Legitimität haben sie deshalb noch lange nicht.

In der griechischen Mythologie und Tragödie spielt die Nemesis eine große Rolle, wie übrigens auch in den Dramen Friedrich Schillers. Nemesis, die Göttin des gerechten Zorns, steht für die „furchtbare Macht, die richtend im Verborgnen wacht“, wie es in Schillers Gedicht [i]Die Kraniche des Ibykus[/i] heißt. In Zeiten, in denen Europa noch christliche Werte hoch hielt, gab es ein Bewußtsein über das Naturrecht, nach dem die Gesetze der Schöpfungsordnung eine höhere Bedeutung haben als das positive, menschengemachte Recht. Wenn die Tsipras-Regierung versucht, das Gemeinwohl der griechischen Bevölkerung zu verteidigen, gegen die die Troika selbst nach Auffassung des UN-Menschenrechtsinspektors Lumina durch übermäßig harte Austeritätsmaßnahmen massive Menschenrechtsverletzungen begangen hat, dann ist dieses Naturrecht auf ihrer Seite.

Es ist eine historische Ironie, aber Griechenland wird zur Nemesis Europas werden. Wir sollten in unserem eigenen Interesse alles tun, damit der Traum der neuen griechischen Regierung, die gesamte Politik Europas zu ändern, sich erfüllt.

[list]Nein, eine Grenze hat Tyrannenmacht,
Wenn der Gedrückte nirgends Recht kann finden,
Wenn unerträglich wird die Last – greift er
Hinauf getrosten Mutes in den Himmel,
Und holt herunter seine ew'gen Rechte,
Die droben hangen unveräußerlich
Und unzerbrechlich wie die Sterne selbst –
Der alte Urstand der Natur kehrt wieder,
Wo Mensch dem Menschen gegenübersteht –
Zum letzten Mittel, wenn kein andres mehr
Verfangen will, ist ihm das Schwert gegeben –
Der Güter höchstes dürfen wir verteid'gen
Gegen Gewalt – Wir stehn vor unser Land,
Wir stehn vor unsre Weiber, unsre Kinder![/list]