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Memorandum zur internationalen Mobilisierung gegen die Kriegsgefahr: Schlafwandeln wir in einen thermonuklearen Dritten Weltkrieg?

Die BüSo beteiligt sich an der internationalen Mobilisierung des Schiller-Instituts gegen den drohenden Countdown einer Konfrontation mit Russland, die uns an einen Punkt führen kann, an dem es kein Zurück mehr gibt. Das folgende dringliche Memorandum mit einer Chronologie der Ereignisse, die zu dem gefährlichen strategischen Showdown mit Russland geführt haben, wird international verbreitet (pdf hier). Bitte helfen Sie mit, es weitestmöglichst bekanntzumachen und damit vernünftige Kräfte zu stärken, die Frieden und Kooperation statt Auslöschung der Zivilisation wollen, und die verstehen, wie gefährlich die Lage ist. Deutschland hat eine besondere Verantwortung!

 

Schlafwandeln wir in einen thermonuklearen Dritten Weltkrieg?

Wir werden belogen: Rußland plant nicht, in die Ukraine einzumarschieren. Putin ist kein „Bösewicht“, der das Sowjetimperium wiederherstellen will. Und die Ukraine ist keine junge Demokratie, die nur mit ihren eigenen Angelegenheiten zu kämpfen hat. Aus den dokumentierten Fakten geht hervor, daß die Ukraine von geopolitischen Kräften im Westen, die für das bankrotte spekulative Finanzsystem arbeiten, als Krisenherd benutzt wird, um einen strategischen Showdown mit Rußland auszulösen - einen Showdown, der bereits jetzt gefährlicher ist als die Kubakrise 1962 und leicht in einem thermonuklearen Krieg enden könnte, den niemand gewinnen kann und keiner überleben würde.

Die Fakten, wie sie in der folgenden kurzen Chronologie dargestellt werden, zeigen, daß Rußland, ebenso wie China, einer zunehmenden Bedrohung ausgesetzt ist, von den Kriegstreibern und dem bankrotten Finanzestablishment in Großbritannien und den USA zerstört zu werden:

1. durch den „Ersteinsatz von Atomwaffen“, wie es der verrückte US-Senator Roger Wicker am deutlichsten zum Ausdruck gebracht hat; und

2. durch Maßnahmen der Finanzkriegsführung, die einer finanziellen Belagerung Rußlands gleichkämen, um zu versuchen, das Land auszuhungern, wie es derzeit gegen Afghanistan getan wird.

Rußland hat nun vor aller Welt verkündet, daß seine rote Linie überschritten wurde und es sich gezwungen sehen könnte, mit „militärisch-technischen Vergeltungsmaßnahmen“ zu reagieren. Diese rote Linie, so hat Moskau klargestellt, ist das weitere Vorrücken von US- und NATO-Truppen bis an die russische Grenze, einschließlich der Stationierung von defensiven und offensiven nuklearfähigen Raketensystemen knapp fünf Flugminuten von Moskau entfernt. Rußland hat zwei internationale Vertragsentwürfe vorgelegt - einen mit den Vereinigten Staaten, den anderen mit der NATO -, in denen rechtlich garantiert würde, daß das Vorrücken der NATO nach Osten endet, daß insbesondere die Ukraine und Georgien nicht in die NATO aufgenommen werden, und daß keine modernen Waffensysteme vor Rußlands Haustür stationiert werden. Dies entspricht genau jenen mündlichen Garantien, die der Sowjetunion 1990 von den Regierungen Bush und Thatcher gegeben wurden - Garantien, die seither systematisch verletzt worden sind. Es ist auch genau das gleiche, was Präsident John F. Kennedy während der Kubakrise 1962 von Chruschtschow verlangte, die dann durch geschickte Verhandlungen seines Bruders Robert Kennedy am Militärisch-industriellen Komplex vorbei erfolgreich entschärft wurde.

Es ist dringend notwendig, daß die Vereinigten Staaten und die NATO die vorgeschlagenen Verträge mit Rußland unverzüglich unterzeichnen - und so die Gefahr der thermonuklearen Auslöschung bannen.

Was wir in der folgenden Chronologie schildern, ist ein Prozeß, der sich Schritt für Schritt vollzogen hat, während die meisten im Westen die Zeit verschlafen haben. Es ist an der Zeit aufzuwachen, bevor wir in einen thermonuklearen Dritten Weltkrieg schlafwandeln!

Die militärische Komponente

Der Zusammenbruch der sozialistischen Staaten Osteuropas und dann der Sowjetunion in den Jahren 1989-91 war ein Moment großer Hoffnung auf ein Ende des Kalten Krieges und die Möglichkeit für die Parteien des Kalten Krieges, beim Aufbau einer neuen Weltordnung auf der Grundlage von Frieden durch Entwicklung zusammenzuarbeiten. Dieser Moment ging verloren, als die anglo-amerikanische Elite stattdessen beschloß, sich zur „einzigen Supermacht“ in einer unipolaren Welt zu erklären, Rußland und die ehemaligen Sowjetstaaten auszuplündern und gleichzeitig zu versuchen, Rußland entweder zu übernehmen oder zu vernichten.

Der Sowjetunion - und damit Rußland als ihrem anerkannten Rechtsnachfolger als Atomwaffenmacht - wurden zu Beginn dieser Periode Versprechen gemacht, die in den letzten 30 Jahren allesamt gebrochen wurden. Bereits im Februar 1990 versprach der damalige US-Außenminister James Baker in Moskau dem sowjetischen Staatschef Michail Gorbatschow und Außenminister Eduard Schewardnadse, daß es nach der deutschen Wiedervereinigung keine NATO-Erweiterung „um einen Zoll nach Osten“ geben würde, wenn die US-Truppen in Deutschland blieben (2017 freigegebene offizielle Akten haben das bestätigt).

Zu diesem Zeitpunkt verfügten die sowjetischen Streitkräfte in der DDR über rund 340.000 Soldaten und umfangreiche Infrastruktur, Waffen und militärische Ausrüstung. Die Bedingungen für ihren Abzug (der schließlich 1994 abgeschlossen wurde) und die Frage, ob sie im Rahmen der deutschen Wiedervereinigung durch NATO-Truppen in dem ehemals sowjetisch besetzten Teil Deutschlands ersetzt würden, standen zur Debatte. Andere osteuropäische Länder waren damals noch Mitglieder des Warschauer Paktes, dessen Auflösung zu diesem Zeitpunkt noch nicht absehbar war; sie erfolgte im Juli 1991, einen Monat vor dem Zerfall der Sowjetunion selbst.

Das US-Verteidigungsministerium plante jedoch bereits im Oktober 1990 die Ausweitung der NATO nach Osten. Während man innerhalb der politischen Führung der Vereinigten Staaten noch über unterschiedliche Strategien diskutierte, lief die Planung der Erweiterung hinter den Kulissen einfach weiter.

Oberflächlich betrachtet blieben die Beziehungen Rußlands zu den transatlantischen Mächten fast die gesamten 90er Jahre über friedlich. Auf wirtschaftlichem Gebiet kam die „Übernahme“ durch die in London und an der Wall Street ausgearbeiteten Wirtschaftsreformen zügig voran, sie führten zu einer weitgehenden Deindustrialisierung Rußlands und hätten durchaus die Vernichtung seiner Militärmacht zur Folge haben können. Im Osten wie im Westen plante man eine gewisse Reduzierung der Kernwaffenarsenale, wobei sogar US-Spezialisten vor Ort bei der Überführung von Kernwaffen aus der Ukraine, Weißrußland und anderen nunmehr unabhängigen ehemaligen Sowjetgebieten zurück nach Rußland sowie bei der Entsorgung einiger russischer Waffen behilflich waren.

Am 27. Mai 1997 wurde die NATO-Rußland-Grundakte unterzeichnet, 1mit der der NATO-Rußland-Rat und andere Konsultationsmechanismen eingerichtet wurden. In dem Dokument hieß es unter anderem, daß die NATO und Rußland einander nicht als Gegner betrachten. Die NATO beschrieb das Dokument als „Ausdruck einer dauerhaften, auf höchster politischer Ebene eingegangenen Verpflichtung, gemeinsam einen dauerhaften und umfassenden Frieden im euro-atlantischen Raum zu schaffen“.

Gegen Ende der 90er Jahre setzte jedoch eine Veränderung ein, die durch mehrere Ereignisse ausgelöst wurde. Zum einen führten die importierten Wirtschaftsreformen, die enorme Finanzspekulation und Plünderung russischer Ressourcen nach sich zogen, im August 1998 zu einem Zusammenbruch des Marktes für russische Staatsanleihen. (Wie der ehemalige IWF-Direktor Michel Camdessus später einräumte, hätte dies beinahe einen Zusammenbruch des gesamten Weltfinanzsystems ausgelöst, da die Wall Street und andere Hedgefonds falsche Wetten auf russische Wertpapiere abgeschlossen hatten.) Im Gefolge dieses Zusammenbruchs wurden die aus London und Chicago ausgesandten liberalen „jungen Reformer“ durch eine Regierung unter Führung des ehemaligen Außenministers Jewgeni Primakow und des militärisch-industriellen Planers Juri Masljukow abgelöst, die rasch handelten, um den Zusammenbruch der verbliebenen russischen Industrie aufzuhalten.

Ein zweiter Faktor war die Eskalation der terroristischen Separatistenbewegungen in der russischen Nordkaukasusregion, die nach den Erkenntnissen der russischen Geheimdienste nicht nur von wahhabitischen islamischen Fundamentalisten aus Saudi-Arabien, sondern auch direkt von den Geheimdiensten der USA und Großbritanniens unterstützt und angestachelt wurden. Im Sommer 1999 versuchten diese Netzwerke, den gesamten Nordkaukasus von Rußland abzuspalten.

Ebenfalls Ende der 90er Jahre mischte sich die NATO verstärkt in den Bosnienkrieg und andere Konflikte auf der Balkanhalbinsel unter den ehemaligen Mitgliedern des zerfallenen Jugoslawiens ein. Diese Einmischung gipfelte in der Bombardierung der serbischen Hauptstadt Belgrad durch die NATO im März/Juni 1999 ohne Genehmigung des Sicherheitsrates der Vereinten Nationen. Dieses Vorgehen ließ in Moskau die Erkenntnis wachsen, daß die NATO bereit war, nach eigenem Gutdünken einseitig und ohne internationalen Konsens zu handeln.

Im Juli 1997 wurden Polen, Ungarn und Tschechien auf einem NATO-Gipfel in Madrid zum NATO-Beitritt eingeladen, was 1999 offiziell geschah. Das war die erste von fünf Runden der NATO-Erweiterung. 2004 wurden alle drei baltischen Staaten (ehemalige Republiken der Sowjetunion), Bulgarien, Rumänien, die Slowakei und Slowenien aufgenommen. In den darauffolgenden Jahren traten vier weitere Balkanstaaten bei, so daß sich die Zahl der NATO-Mitglieder auf 30 erhöhte.

Wladimir Putin brachte in seiner Rede am 21. Dezember 2021 vor dem erweiterten Vorstand des Verteidigungsministeriums2 die Bedeutung der NATO-Rußland-Grundakte und des anschließenden Verrats durch die NATO zum Ausdruck: „Nehmen wir die jüngste Vergangenheit, die späten 1980er und frühen 1990er Jahre, als uns gesagt wurde, unsere Bedenken hinsichtlich der potentiellen Osterweiterung der NATO seien völlig unbegründet. Und dann erlebten wir fünf Wellen der Osterweiterung des Blocks. Erinnern Sie sich, wie es dazu kam? Sie sind doch alle erwachsen. Es geschah zu einer Zeit, als die Beziehungen Rußlands zu den Vereinigten Staaten und den wichtigsten NATO-Mitgliedsstaaten ungetrübt oder sie sogar verbündet waren. Ich habe das bereits in der Öffentlichkeit gesagt und werde Sie erneut daran erinnern: Amerikanische Spezialisten waren in den Atomwaffenanlagen der Russischen Föderation ständig präsent. Sie gingen dort jeden Tag in ihr Büro, hatten Schreibtische und eine amerikanische Flagge. War das nicht genug? Was brauchen sie noch? US-Berater arbeiteten in der russischen Regierung, Berufsoffiziere der CIA gaben ihren Rat. Was wollten sie noch? Welchen Sinn hatte es, den Separatismus im Nordkaukasus zu unterstützen, sogar mit Hilfe von ISIS - oder wenn nicht ISIS, dann gab es andere terroristische Gruppen. Sie haben offensichtlich Terroristen unterstützt. Aber wozu? Welchen Sinn hatte es, die NATO zu erweitern und sich aus dem ABM-Vertrag zurückzuziehen?“

Wie Putin feststellte, begannen die USA unter der Regierung von George W. Bush das während des Kalten Krieges aufgebaute System der strategischen Rüstungskontrolle zu demontieren. Das begann 2002 mit dem Rückzug der USA aus dem ABM-Vertrag (zur Begrenzung von Raketenabwehrsystemen) von 1972, nur wenige Monate nachdem Putin den USA nach den Anschlägen vom 11. September 2001 ein Angebot zur strategischen Zusammenarbeit gemacht hatte. Die US-Regierung begann rasch mit der Planung eines globalen Raketenabwehrsystems (BMDS) in Europa und Asien, und im Frühjahr 2012 fuhr erstmals ein mit Aegis-Raketen ausgestatteter US-Lenkwaffenzerstörer (die USS Arleigh Burke) ins Schwarze Meer. 2016 wurde eine „Aegis Ashore“-Anlage - dasselbe System, aber landgestützt - in Rumänien eingeweiht, und es wurde mit dem Bau einer ähnlichen Anlage in Polen begonnen. Auf einer Konferenz in Moskau im Mai 2012 dokumentierte der damalige stellvertretende russische Generalstabschef, General Waleri Gerassimow, ausführlich mit Videoanimationen, daß das BMDS nicht wie behauptet in erster Linie auf den Iran abzielt, sondern in den geplanten späteren Phasen eine Bedrohung für Rußlands strategische Abschreckung darstellt. Putin und andere russische Politiker hoben auch hervor, daß die defensiven Anlagen schnell zu Raketenwerfern für direkte Angriffe umgerüstet werden können.

Die zunehmend schärfere russische Reaktion auf die Umsetzung dieser Programme der USA und NATO sowie deren Ablehnung russischer Kooperationsangebote zeigt sich auch an dem Kontrast zwischen zwei Reden, die Präsident Putin in Deutschland hielt: vor dem Bundestag im September 2001 und auf der Münchner Sicherheitskonferenz im Februar 2007.

Vor dem Bundestag sprach Putin in deutscher Sprache3 nur zwei Wochen nach dem Terroranschlag vom 11. September 2001. Er hatte Präsident Bush bereits Stunden nach dem Anschlag angerufen, um ihm mitzuteilen, daß alle russischen Streitkräfte in Bereitschaft seien, und bot den USA im Moment der Krise seine volle Unterstützung an. Dann sagte er den Deutschen: „Der Kalte Krieg ist vorbei“ und stellte eine Vision der globalen Zusammenarbeit beim Aufbau eines neuen Paradigmas vor, das auf der Zusammenarbeit der Nationen der Welt beruht.

Am 10. Februar 2007 hielt Putin dann auf der jährlichen Münchner Sicherheitskonferenz eine bahnbrechende Rede.4 Die westlichen Medien und einige Anwesende, darunter der Kriegstreiber US-Senator John McCain, verurteilten sie als kriegerisch, und sie wurde zum Ausgangspunkt für die anschließende Dämonisierung Putins. Aber es war gar keine aggressive Rede. Putin machte lediglich deutlich, daß Rußland sich in einer unipolaren, imperialen Welt nicht als unterworfene Nation mit Füßen treten lassen werde.

Fast alle internationalen Medien verschwiegen, daß Putin zu Beginn seiner Rede eine sorgfältig ausgewählte Passage aus Präsident Franklin Delano Roosevelts Kamingespräch vom 3. September 1939 zitierte, zwei Tage nach dem Einmarsch der Nazis in Polen, der den Ausbruch des Zweiten Weltkriegs markierte. Roosevelt sagte, und Putin zitierte: „Wenn der Frieden irgendwo gebrochen wurde, ist der Frieden aller Länder überall in Gefahr.“ Diese Rede war für viele das Signal, daß Rußland, strategisch gesehen, „wieder da ist“.

Im Juli 2007 versuchte Putin, das Überschreiten einer von Moskau als grundlegende Bedrohung der russischen Sicherheit definierten Linie abzuwenden, nämlich die Installation der US-Raketenabwehr direkt an den Grenzen Rußlands. Bei seinem Besuch bei Präsident George W. Bush in Kennebunkport, Maine, schlug er die gemeinsame russisch-amerikanische Entwicklung und Stationierung von Raketenabwehrsystemen vor, einschließlich eines Angebots an die US-Regierung, das russische Frühwarnradar in Gabala/Aserbaidschan als Teil eines gemeinsamen russisch-amerikanischen Raketenabwehrsystems für Europa zu nutzen, anstelle des amerikanischen BMDS, das in Polen und Tschechien installiert werden sollte (letzteres wurde nach Rumänien verlegt). Putin bot außerdem an, den USA Zugang zu einer Radaranlage in Südrußland zu gewähren und die Koordinierung des Prozesses dem NATO-Rußland-Rat zu übertragen.

Sergej Iwanow, damals stellvertretender Ministerpräsident, sagte, die russischen Vorschläge bedeuteten eine grundlegende Veränderung der internationalen Beziehungen und könnten das Ende der Diskussion über einen neuen Kalten Krieg bedeuten. „Wenn unsere Vorschläge angenommen werden“, so Iwanow, „wird Rußland nicht mehr gezwungen sein, neue Waffen, einschließlich Raketen, im europäischen Teil des Landes, einschließlich Kaliningrad, zu stationieren.“

Verhandlungen hierüber zwischen russischen und US-Vertretern liefen das ganze Jahr 2008 hindurch, bis sie im Sande verliefen. Ausschlaggebend für das Scheitern war die vehemente Weigerung Washingtons, auf die Installation des BMDS zu verzichten. Der damalige US-Außenamts-Staatssekretär für politische und militärische Angelegenheiten Stephen Mull sagte: „Wir akzeptieren nicht, daß Gabala ein Ersatz für die Pläne ist, die wir bereits mit unseren tschechischen und polnischen Verbündeten verfolgen. Wir glauben, daß diese Anlagen für die Sicherheit unserer Interessen in Europa notwendig sind.“ Das Ziel dahinter war also eindeutig nicht der Iran, sondern Rußland. Damit war die Chance für ein neues Paradigma vertan.

Auf dem NATO-Gipfel in Bukarest im April 2008 wurde Georgien und der Ukraine eine künftige NATO-Mitgliedschaft in Aussicht gestellt, wenn auch kein formelles Aufnahmeverfahren. Dennoch wurde ihr Antrag von vielen begrüßt, und man weckte Hoffnungen auf ein solches Aufnahmeverfahren in der Zukunft, vielleicht sogar in naher Zukunft - so sehr, daß die Georgier erklärten: „Die Entscheidung, daß wir der NATO beitreten werden, ist gefallen, und wir betrachten dies als einen historischen Erfolg.“

Im August 2008, als Präsident Dmitri Medwedew im Urlaub und der damalige Ministerpräsident Putin bei der Eröffnung der Olympischen Spiele in Peking war, griff Georgien unter Präsident Michail Saakaschwili russische Friedenstruppen in der abtrünnigen georgischen Provinz Südossetien an, was zu einem kurzen, aber heftigen Krieg führte, den Georgien verlor. Die Tatsache, daß Saakaschwili in der Annahme handelte, er werde die volle Unterstützung der NATO erhalten, obwohl sich dies im Nachhinein als falsch erwies, hat Moskau nicht vergessen, und sie hat die nachfolgenden russischen Überlegungen darüber beeinflußt, was geschehen würde, wenn Georgien oder die Ukraine Vollmitglieder der NATO würden.

Die Entwicklungen in der Ukraine

Im Dezember 2008, nach dem militärischen Kräftemessen zwischen Georgien und Rußland, initiierten Carl Bildt und Radek Sikorski, die Außenminister Schwedens bzw. Polens, die sog. „Östliche Partnerschaft“ der Europäischen Union. Sie zielte auf sechs Länder ab, die früher Republiken innerhalb der Sowjetunion gewesen waren: drei in der Kaukasusregion (Armenien, Aserbaidschan, Georgien) und drei in Ostmitteleuropa (Weißrußland, Moldawien, Ukraine). Sie sollten nicht zu einer vollen EU-Mitgliedschaft eingeladen, sondern durch sogenannte Assoziierungsabkommen eingebunden werden, in deren Mittelpunkt jeweils ein umfassendes Freihandelsabkommen (DCFTA) stand.

Das Hauptziel dieser Bemühungen war die Ukraine. Das mit der Ukraine ausgehandelte, aber nicht sofort unterzeichnete Assoziierungsabkommen hätte den Kollaps der industriellen Wirtschaft des Landes bewirkt und den Handel mit Rußland beeinträchtigt (Rußland würde seine Freihandelsvereinbarungen mit der Ukraine beenden, um zu verhindern, daß seine eigenen Märkte auf dem Umweg über die Ukraine mit westlichen Gütern überschwemmt werden). Überdies würden andere EU-Marktteilnehmer sich die Agrar- und Rohstoffexporte der Ukraine unter den Nagel reißen.

Darüber hinaus sah das Abkommen eine „Konvergenz“ in Sicherheitsfragen und eine Integration in die europäischen Verteidigungssysteme vor. Das würde bedeuten, daß die langfristigen vertraglichen Vereinbarungen, unter denen die russische Marine die wichtigen Schwarzmeerhäfen auf der Halbinsel Krim nutzte - die seit dem 18. Jahrhundert russisch ist, aber Anfang der 1950er Jahre innerhalb der UdSSR verwaltungstechnisch der Ukraine zugeordnet wurde - aufgekündigt werden, und die NATO hätte letztlich eine vorgeschobene Basis an der unmittelbaren Grenze Rußlands erhalten.

Die Ukraine gegen Rußland zu wenden, war bereits ein langfristiges Ziel der anglo-amerikanischen Strategieplaner im Kalten Krieg gewesen, so wie es zuvor schon die kaiserlichen Geheimdienste Österreich-Ungarns während des Ersten Weltkriegs verfolgt hatten. Nach dem Zweiten Weltkrieg unterstützten die USA und das Vereinigte Königreich bis Mitte der 1950er Jahre in der Ukraine einen Aufstand gegen die Sowjetunion, einen Bürgerkrieg, der noch lange nach dem Friedensschluß von 1945 anhielt. Die Aufständischen gehörten der Organisation Ukrainischer Nationalisten (OUN) und Resten der Ukrainischen Aufständischen Armee (UPA) an. Die OUN war 1929 nach dem Vorbild der italienischen und anderer faschistischer Bewegungen in Europa gegründet worden. Ihr Anführer Stepan Bandera war mal mehr, mal weniger ein Verbündeter der Nazis, und die OUN-UPA verübte gegen Ende des Zweiten Weltkriegs im Rahmen einer Säuberungsideologie Massenmorde an ethnischen Polen und Juden in der Westukraine. Nach dem Krieg wurde Bandera vom britischen MI6 übernommen, und der CIA-Gründer Allen Dulles schleuste einen weiteren OUN-Führer, General Mykola Lebed, in die USA ein, obwohl der Geheimdienst der US-Armee aufgrund von Lebeds Kollaboration mit den Nazis und Kriegsverbrechen entschieden dagegen war. Die nächste Generation von Lebeds Anhängern, deren Basis, die Prolog Research Corporation in New York City, von Dulles' CIA finanziert wurde, um nachrichtendienstliche Informationen zu sammeln und nationalistische und andere Literatur in der UdSSR zu verbreiten, entsandte bis in die 80er Jahre Mitarbeiter zum US-Sender Radio Liberty nach München, der in die Ukraine sendete.5

Als die UdSSR im August 1991 zerfiel, versammelten sich führende Banderisten in Lviv (dem ehemaligen Lemberg) in der Westukraine - nur 1000 km oder 12 Autostunden von München entfernt - und begannen mit dem Wiederaufbau ihrer Bewegung. Die Region Lemberg, die viele Jahre lang zum österreichisch-ungarischen Reich und nicht zum Russischen Reich gehört hatte, war die Hochburg der OUN-Anhänger.

Nach der „Orangenen Revolution“ in Kiew 2004 erhielt der Einfluß der Banderisten einen neuen Schub. Unterstützt von der US-amerikanischen National Endowment for Democracy und den privaten Stiftungen des Finanziers George Soros wurde eine „Farbrevolution“ inszeniert, bei der die Ergebnisse einer Präsidentschaftswahl umgestoßen und in einer zweiten Abstimmung der Banker Viktor Juschtschenko als Präsident eingesetzt wurde. Juschtschenko wurde 2010 abgewählt, weil die Bevölkerung gegen seine vom IWF mit Privatisierung und Deregulierung diktierte, brutale Sparpolitik rebellierte - doch da hatte er bereits die offizielle Geschichte der ukrainischen Beziehungen zu Rußland im Sinne eines radikalen, antirussischen Nationalismus umgeschrieben. Die Banderisten in Lviv rekrutierten neue Mitglieder, stärkten ihre Bewegung und veranstalteten paramilitärische Sommerlager für junge Leute auf dem ukrainischen Land und in anderen osteuropäischen Ländern. Zu den Ausbildern gehörten zeitweise auch „außerdienstliche“ Offiziere aus NATO-Ländern. 2008 beantragte Juschtschenko bei der NATO erstmals einen Aufnahmeantrag der Ukraine.

Der Wendepunkt für den Status der Ukraine als potentieller Auslöser der aktuellen Kriegsgefahr kam 2014. Die beständigen Bemühungen, die Ukraine zum Abschluß des EU-Assoziierungsabkommens zu bewegen, wurde von der Regierung Viktor Janukowitsch im November 2013 als unhaltbar zurückgewiesen. Ihr war klargeworden, daß die Freihandelsbestimmungen, mit denen europäische Waren über die Ukraine unbegrenzten Zugang zum russischen Markt erhielten, Vergeltungsmaßnahmen des größten Handelspartners der Ukraine, Rußland, nach sich ziehen und somit für die ukrainische Wirtschaft zum Bumerang würden. Als Janukowitsch am 21. November die Verschiebung des Abkommens ankündigte, wurden die langgehegten Pläne der Banderisten aktiviert, die Ukraine zu einem Instrument der Isolierung und Dämonisierung Rußlands zu machen.

Demonstranten gegen Janukowitschs Entscheidung versammelten sich umgehend auf dem Maidan-Platz in Kiew. Viele einfache Bürger kamen mit EU-Fahnen, weil die Schock-Deregulierung der 90er Jahre und die vom IWF diktierte Privatisierungs- und Sparpolitik in den Jahren der Orangenen Revolution die ukrainische Wirtschaft zerstört hatte. Viele glaubten in ihrer Verzweiflung, wie es die ukrainische Wirtschaftswissenschaftlerin Natalia Witrenko einmal ausdrückte, eine EU-Assoziierung brächte ihnen „Löhne wie in Deutschland und Sozialleistungen wie in Frankreich“. Ein überproportionaler Anteil der Demonstranten stammte aus dem äußersten Westen der Ukraine, und die von der paramilitärischen Bandera-Gruppe Rechter Sektor vorbereiteten Gewaltakte wurden dann zur systematischen Eskalation genutzt. Blutvergießen und Opfer, die allesamt dem Regime angelastet wurden, dienten dann dazu, die Radikalisierung auf dem Maidan bis in den Februar 2014 hinein aufrechtzuerhalten.6

Neonazi-Symbole und andere faschistische Symbole zierten Gebäudemauern und Plakate auf dem Maidan, aber das hielt die USA nicht davon ab, diesen Prozeß weiter zu unterstützen. Senator John McCain wandte sich im Dezember 2013 an die Menge, während die stellvertretende Außenministerin Victoria Nuland Gebäck verteilte und mit dem US-Botschafter in der Ukraine, Geoffrey Pyatt, darüber verhandelte, wen er nach dem Sturz Janukowitschs ins Amt bringen sollte. Ein entsprechendes Telefongespräch zwischen Nuland und Pyatt wurde auf Band aufgezeichnet und machte weltweit Furore.

Am 18. Februar 2014 kündigten die Führer des Maidan einen „friedlichen Marsch“ auf den Obersten Rada (Parlament) an, der in einen gewaltsamen Angriff ausartete und drei Tage lange Straßenkämpfe auslöste. Diese Zusammenstöße erreichten ihren Höhepunkt am 20. Februar, als Scharfschützen von hohen Gebäuden aus sowohl auf Demonstranten als auch auf Polizisten feuerten, was mehr als 100 Menschenleben forderte. Der in der Ukraine geborene Prof. Ivan Katchanovski von der Universität Ottawa hat anhand von Videoaufnahmen und anderen direkten Beweisen für diese Ereignisse überzeugend nachgewiesen, daß der Großteil des Scharfschützenfeuers von den paramilitärischen Stellungen auf dem Maidan und nicht von den Berkut-Spezialeinheiten der Regierung kam.7

Am 21. Februar unterzeichnete ein Trio von Maidan-Führern, darunter Arsenij Jazenjuk, den Nuland zum nächsten ukrainischen Ministerpräsidenten auserkoren hatte, ein Abkommen mit Präsident Janukowitsch, in dem sich beide Seiten zu einem friedlichen Machtwechsel verpflichteten: eine Verfassungsreform bis September, Präsidentschaftswahlen Ende des Jahres und die Abgabe der Waffen. An den Verhandlungen waren die Außenminister Frankreichs, Deutschlands und Polens beteiligt, ein Vertreter Moskaus fungierte als Beobachter. Als dieses Dokument auf den Maidan bekannt wurde, ergriff ein junger militanter Banderist das Mikrofon auf der Bühne, um den Mob zur Ablehnung anzustacheln, und drohte Janukowitsch mit dem Tod, falls er nicht bis zum Morgen zurücktreten würde. Janukowitsch verließ Kiew noch in der Nacht. In der Rada wurde in Verletzung der Verfassung ein neuer Präsident eingesetzt.

Zu den ersten Maßnahmen der neuen Regierung gehörte ein Beschluß der Rada, dem Russischen und anderen „Minderheitensprachen“ den Status einer regionalen Amtssprache zu entziehen. (Die Volkszählung 2001 hatte ergeben, daß Russisch im ganzen Land gesprochen und von einem Drittel der Bevölkerung als „Muttersprache“ angesehen wurde.) Diese und andere von Kiew angekündigte Maßnahmen führten zu einer starken Opposition gegen den Staatsstreich, die sich vor allem in den ostukrainischen Regionen Donezk und Luhansk (Donbaß) sowie auf der Krim formierte. In beiden Gebieten brach ein ziviler Konflikt aus, bei dem lokale Gruppen Regierungsgebäude in ihre Gewalt brachten.

Auf der Krim setzte sich der Aufstand gegen das im Staatsstreich eingesetzte Kiewer Regime durch. Bei einem Referendum am 16. März 2014 in der Autonomen Republik Krim und in der Stadt Sewastopol, einer separaten Verwaltungseinheit auf der Halbinsel, wurden die Wähler gefragt, ob sie sich der Russischen Föderation anschließen oder den Status der Krim als Teil der Ukraine beibehalten wollten. Auf der Krim stimmten 97% bei einer Wahlbeteiligung von 83% für die Integration in die Russische Föderation; in Sewastopol lag das Ergebnis ebenfalls bei 97% für die Integration, während die Wahlbeteiligung 89% betrug.

Die angebliche „russische Militärinvasion in der Ukraine“ hat es nie gegeben. Am 1. März 2014 beantragte und erhielt Präsident Putin vom russischen Parlament die Genehmigung, auf ukrainischem Gebiet stationierte russische Streitkräfte zum Schutz des Lebens russischer Bürger und russischstämmiger Bewohner der Krim einzusetzen; es handelte sich dabei um Truppen aus den Einrichtungen der russischen Schwarzmeerflotte in und um Sewastopol, die unter den langfristigen Vereinbarungen bereits auf der Krim stationiert waren.

Das Schicksal der beiden selbsterklärten Donbaß-Republiken, die in den Regionen Donezk und Luhansk ausgerufen wurden, ließ sich nicht so schnell klären. Die dortigen Aufständischen wurden von Rußland inoffiziell unterstützt, unter anderem durch die freiwillige Beteiligung russischer Militärveteranen. In den Jahren 2014-15 kam es im Donbaß-Konflikt zu schweren Kämpfen, die bis heute weniger intensiv andauern; in den letzten sieben Jahren kamen dabei mehr als 13.000 Menschen ums Leben. Mehrere Niederlagen, die die Donbaß-Miliz den Kiewer Streitkräften beibrachten, darunter die vollständige Kontrolle über den internationalen Flughafen von Donezk im Januar 2015, bereiteten den Boden für die Zustimmung Kiews zu einem Waffenstillstand.

Nach einem Fehlstart - dem sogenannten Minsker Protokoll8 im September 2014 - wurde im Februar 2015 mit dem Abkommen „Minsk II“ zwischen dem Regime in Kiew, damals unter Präsident Pjotr Poroschenko, und Vertretern der selbsterklärten Donbaß-Republiken ein Übergangszustand im Donbaß vereinbart, der von Kiew, Frankreich, Deutschland und Rußland mit Unterstützung der Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa (OSZE) ausgehandelt wurde. Es sah einen Waffenstillstand, den Rückzug von Waffen, den Austausch von Gefangenen und humanitäre Hilfe sowie eine politische Lösung innerhalb der Ukraine vor. Für den Donbaß sollte ein Sonderstatus erreicht werden, mit weitgehender regionaler Autonomie einschließlich des „Rechts auf sprachliche Selbstbestimmung“. Die Wiederherstellung der „vollen Kontrolle“ der Ukraine über ihre Grenze zu Rußland im Donbaß sollte nach der vorläufigen Gewährung des Sonderstatus und nach lokalen Wahlen erfolgen. Dieser Sonderstatus sollte bis Ende 2015 in der ukrainischen Verfassung verankert werden.

Der Sicherheitsrat der Vereinten Nationen hat Minsk II am 17. Februar 2015 gebilligt. Das Abkommen wurde aber nicht umgesetzt, weil Kiew sich praktisch sofort weigerte, Wahlen durchzuführen oder den Sonderstatus rechtlich zu beschließen, bevor es nicht die Kontrolle über die Grenze zwischen dem Donbaß und Rußland erhielte. Die heutige Selenskyi-Regierung in Kiew verweigert sogar jegliche Verhandlungen mit der Führung des Donbaß, sie behauptet, der Donbaß sei von Rußland „besetzt“ und Kiew könne daher nur mit Rußland und nicht mit den gewählten Führungen des Donbaß sprechen. Die sporadischen Kämpfe halten an, und die Schußwechsel an der „Kontaktlinie“ zwischen den Donbaß-Regionen und der übrigen Ukraine sind in letzter Zeit erneut eskaliert.

USA demontieren die Sicherheitsarchitektur

Die Trump-Administration beschleunigte den Abbau der gesamten Architektur internationaler Rüstungskontrollabkommen. Die USA kündigten den 1987 von den Präsidenten Ronald Reagan und Gorbatschow unterzeichneten INF-Vertrag (über nukleare Mittelstreckensysteme) und den 1992 von der NATO und den Warschauer-Pakt-Staaten ausgehandelten Vertrag über den Offenen Himmel (der es den Vertragsteilnehmern gestattet, gegenseitig ihre Territorien auf festgelegten Routen zu überfliegen und durch Beobachter und mittels technischer Sensoren Lagebilder zu erstellen). Damit blieb nur der New START-Vertrag (zur Reduzierung und Begrenzung strategischer Offensivwaffen, unterzeichnet von den USA und Rußland 2010) als letztes der bestehenden Rüstungskontrollabkommen übrig - dasjenige, das schwere Interkontinentalraketen betrifft. Bei seinem Amtsantritt Anfang 2021 verlängerte Präsident Biden den New-START-Vertrag um fünf Jahre, eine Entscheidung, die von Moskau begrüßt wurde.

Am 19. Januar 2018 gab das US-Verteidigungsministerium seine neue Nationale Verteidigungsstrategie bekannt. „Der Wettbewerb der Großmächte - und nicht der Terrorismus - steht nun im Mittelpunkt der nationalen Sicherheit der USA“, sagte der damalige Verteidigungsminister James Mattis in einer Rede, in der er das Dokument vorstellte. „Wir sehen uns einer wachsenden Bedrohung durch so unterschiedliche revisionistische Mächte wie China und Rußland gegenüber, Nationen, die versuchen, eine Welt zu schaffen, die ihren autoritären Modellen entspricht - und die ein Vetorecht über wirtschaftliche, diplomatische und sicherheitspolitische Entscheidungen anderer Nationen anstreben.“

Stunden später sagte der russische Außenminister Sergej Lawrow als Reaktion auf die neue Pentagon-Strategie: „Wir bedauern, daß die Vereinigten Staaten, anstatt einen normalen Dialog zu führen und sich auf das Völkerrecht zu stützen, versuchen, ihre Führungsrolle durch konfrontative Konzepte und Strategien zu beweisen.“

Während dieser ganzen Zeit hat Moskau wiederholt gegen das konfrontative Vorgehen der USA protestiert, jedoch ohne Erfolg. „Trotz unserer zahlreichen Proteste und Bitten wurde die amerikanische Maschinerie in Gang gesetzt, das Fließband bewegt sich vorwärts“, sagte Präsident Putin in seiner dramatischen Rede vor der russischen Bundesversammlung am 1. März 2018, in der er öffentlich die Entwicklung einer neuen Generation strategischer Waffen ankündigte, von denen mindestens zwei, das Hyperschall-Gleitfahrzeug Avangard für Interkontinentalraketen und die aeroballistische Rakete Khinzhal, inzwischen in Dienst gestellt wurden.

Die wirtschaftliche Komponente

Seit März 2014, unmittelbar nach dem Putsch in Kiew im Februar 2014, verhängten die Vereinigten Staaten finanzielle und wirtschaftliche Sanktionen gegen Rußland, angeblich wegen der Krim und der Donbaß-Republiken. Es gab fünf Kongreßgesetze, sechs präsidiale Verordnungen, zehn „Direktiven gemäß den Verordnungen“ und zwei zusätzliche präsidiale „Festlegungen“. Dies geht aus der Sanktionsliste des US-Finanzministeriums hervor. Zusätzlich gab es noch weitere Sanktionen, Beschlagnahmungen von Eigentum, Ausweisungen von Diplomaten aus anderen vorgeschobenen Gründen sowie andere Formen wirtschaftlicher Kriegsführung. Alle Sanktionen im Zusammenhang mit der Ukraine/Krim sind nach wie vor in Kraft, keine wurde aufgehoben. Die letzte große Runde von Sanktionen wurde 2018 verhängt (CAATSA-Gesetz), zeitgleich mit neuen Sanktionen im Zusammenhang mit dem Fall Skripal.

Verschiedenen Schätzungen zufolge belaufen sich die Kosten all dieser Sanktionen für die russische Wirtschaft (BIP) auf 250 bis 400 Milliarden US-Dollar, wobei die europäischen Volkswirtschaften vergleichbare Verluste erlitten.

Außerdem hatte Präsident Putin bereits 2016 und 2017 der Obama-Regierung vorgeworfen, sich mit Saudi-Arabien abgesprochen zu haben, um den Ölpreis zu senken und dadurch die russische Wirtschaft zu schädigen. Während der Trump-Administration schien sich dies nicht fortgesetzt zu haben, denn Rußland und Saudi-Arabien schlossen zwei wichtige Vereinbarungen über die Preisgestaltung für Öl, die zweite im Jahr 2019 mit einer gewissen Beteiligung der Trump-Administration. 

Im Jahr 2021 spitzte sich die Krise dann zu.

Chronologie der Eskalation 2021

2. Februar: In den Proceedings des U.S. Naval Institute erscheint ein Artikel von Adm. Charles Richard, dem Befehlshaber des Strategischen Kommandos der USA, worin er behauptet, das Risiko eines Atomkriegs mit Rußland oder China wachse. „Es besteht die reale Möglichkeit, daß eine regionale Krise mit Rußland oder China schnell zu einem Konflikt mit Atomwaffen eskalieren könnte, wenn diese der Meinung sind, daß eine konventionelle Niederlage das Regime oder den Staat bedrohen würde. Das US-Militär muß von der Grundannahme, daß ein Nukleareinsatz nicht möglich ist, zu der Annahme übergehen, daß ein Nukleareinsatz eine sehr reale Möglichkeit ist.“

15. März: Die von der US-Armee geleitete Militärübung Defender Europe 21, an der 28.000 Soldaten aus 27 Ländern teilnehmen, beginnt und dauert bis Juni. Die Übung umfaßte „nahezu gleichzeitige Operationen in mehr als 30 Übungsbereichen“ in einem Dutzend Ländern, berichtete die Army Times.

16. März: Die britische Regierung von Premierminister Boris Johnson veröffentlicht ihre „Integrierte Überprüfung der Sicherheits-, Verteidigungs-, Entwicklungs- und Außenpolitik“. In dem Bericht wird unter anderem angekündigt, daß das britische Atomwaffenarsenal von 180 auf 260 Sprengköpfe aufgestockt werden soll. Dies geschehe „in Anerkennung des sich entwickelnden Sicherheitsumfelds, einschließlich des sich entwickelnden Spektrums an technologischen und doktrinären Bedrohungen“.

1. April: US-Verteidigungsminister Lloyd Austin telefoniert laut Angaben des Pentagon mit dem ukrainischen Verteidigungsminister Andriy Taran, um die regionale Sicherheitslage zu besprechen.

 „Er verurteilte die jüngste Eskalation des aggressiven und provokativen Verhaltens Rußlands in der Ostukraine und sprach Minister Taran sein Beileid zum Tod von vier ukrainischen Soldaten am 26. März aus“. Austin versichert Taran, „daß Washington die Ukraine nicht aufgeben wird, falls Rußland seine Aggression eskalieren sollte.“ Taran unterrichtet Austin unter anderem über die Ereignisse vom 26. März in der Nähe des Dorfes Shumy, wo „russische Besatzungstruppen heimtückisch vier ukrainische Soldaten töteten“.

Austin betont, „daß die Vereinigten Staaten im Falle einer Eskalation der russischen Aggression die Ukraine nicht sich selbst überlassen werden und ebenfalls nicht zulassen werden, daß Rußlands aggressive Bestrebungen gegenüber der Ukraine verwirklicht“.

13. April: Der russische Verteidigungsminister Sergej Schoigu besucht das Hauptquartier der Nordflotte in Seweromorsk, wo er sagte, daß die Vereinigten Staaten und ihre NATO-Verbündeten See- und Landstreitkräfte in der Arktis aufbauen, die Intensität der Kampfausbildung erhöhen und die militärische Infrastruktur ausbauen und modernisieren. „Ich stelle fest, daß diese Aktivitäten nicht nur für die arktische Region typisch sind. In den letzten drei Jahren hat der Nordatlantikblock seine militärischen Aktivitäten in der Nähe der russischen Grenzen verstärkt“, sagte er. Anschließend äußert sich Schoigu zu der Übung Defender Europe 21, die am 15. März begonnen hatte: „Jetzt werden amerikanische Truppen vom kontinentalen Teil Nordamerikas über den Atlantik nach Europa verlegt. Es gibt eine Truppenbewegung in Europa an die russischen Grenzen. Die Hauptkräfte sind in der Schwarzmeerregion und im Baltikum konzentriert... Insgesamt werden 40.000 Militärangehörige und 15.000 Einheiten an Waffen und Militärausrüstung, einschließlich strategischer Flugzeuge, in der Nähe unseres Territoriums konzentriert... Als Reaktion auf die militärischen Aktivitäten des Bündnisses, die Rußland bedrohen, haben wir geeignete Maßnahmen ergriffen“, erklärt Schoigu. Innerhalb von drei Wochen wurden zwei Armeen und drei Formationen russischer Luftlandetruppen an die westlichen Grenzen der Russischen Föderation verlegt. „Die Truppen haben gezeigt, daß sie bereit und in der Lage sind, die Aufgaben zur Gewährleistung der militärischen Sicherheit des Landes zu erfüllen“, sagt er.

15. April: Das Weiße Haus erläßt eine Präsidialverfügung, in der es heißt, daß verschiedene „böswillige“ Aktionen Rußlands „eine ungewöhnliche und besondere Bedrohung für die nationale Sicherheit, die Außenpolitik und die Wirtschaft der Vereinigten Staaten darstellen“. Die Verfügung enthält eine Reihe neuer Sanktionen gegen Rußland, u.a. werden zehn Diplomaten ausgewiesen, sechs russische Technologieunternehmen auf eine schwarze Liste gesetzt, Sanktionen gegen 32 Einrichtungen und Einzelpersonen verhängt und - am wichtigsten - US-Finanzinstituten wird verboten, sich am Primärmarkt für Rubel- oder Nicht-Rubel-Anleihen zu beteiligen, die nach dem 14. Juni 2021 von der russischen Regierung und ihren Finanzinstituten ausgegeben werden. Ausdrücklicher Zweck der Maßnahmen war es, eine umfangreiche Kapitalflucht und eine „negative Rückkopplung“ auszulösen, die der russischen Wirtschaft Schaden zufügen würde.

In einem Hintergrundbriefing eines ungenannten hochrangigen US-Regierungsbeamten heißt es: „Es gibt Elemente der neuen Verfügung, die uns zusätzliche Befugnisse geben, die wir bisher noch nicht hatten... Wir sind im weiteren entschlossen, [Rußland] erhebliche und dauerhafte Kosten zu verursachen, wenn dessen Verhalten anhält oder eskaliert... Wir geben auch ein klares Signal, daß der Präsident maximale Flexibilität hat, um die Verbote bezüglich der Staatsanleihen auszuweiten, wenn Rußlands bösartige Aktivitäten anhalten oder eskalieren.“

Letzteres wird weithin als Drohung verstanden, daß weitere Sanktionen folgen könnten, die Rußland von der Teilnahme am weitaus wichtigeren Sekundäranleihenmarkt ausschließen würden - bis hin zum Ausschluß Rußlands aus dem von Banken weltweit genutzten Überweisungs- und Zahlungssystem SWIFT.

14. Juni: Die am 15. April 2021 angekündigte Präsidialverfügung tritt zwei Tage vor dem Gipfeltreffen zwischen den Präsidenten Biden und Putin am 16. Juni 2021 offiziell in Kraft.

23. Juni: Das russische Verteidigungsministerium gibt bekannt, daß ein russisches Kriegsschiff Warnschüsse auf den Zerstörer HMS Defender der Royal Navy abgefeuert hat, der das russische Hoheitsgebiet um die Krim im Schwarzen Meer verletzt hatte. Die HMS Defender war in der Nähe von Kap Fiolent auf der Krim in von Rußland beanspruchte Gewässer eingedrungen und hatte Warnungen ignoriert, das Gebiet zu verlassen. In der Presse nicht erwähnt, aber auf Flugverfolgungs-Webseiten zu sehen war zum gleichen Zeitpunkt ein elektronisches Aufklärungsflugzeug der US-Luftwaffe vom Typ RC-135V an der Westküste der Krim unterwegs. Die BBC, die einen Reporter an Bord der HMS Defender hatte, bestätigt, daß das britische Kriegsschiff absichtlich in von Rußland beanspruchte Gewässer eingefahren war, um eine Reaktion der russischen Streitkräfte zu provozieren. „Dies war ein bewußter Schritt, um gegenüber Rußland ein Zeichen zu setzen. Die HMS Defender sollte innerhalb des 19-km-Bereichs der Hoheitsgewässer vor der Krim kreuzen“, so der BBC-Reporter.

23. Juni: Der russische Verteidigungsminister Sergej Schoigu warnt in einer Rede auf der Internationalen Sicherheitskonferenz in Moskau erneut vor der strategischen Gefahr für Europa. „Die Situation in Europa ist insgesamt explosiv und erfordert konkrete Schritte zur Deeskalation. Die russische Seite hat eine Reihe von Maßnahmen vorgeschlagen. So hat sie beispielsweise vorgeschlagen, Manövergebiete von der Kontaktlinie weg zu verlegen“, sagt Schoigu. Er verweist auch auf den russischen Vorschlag eines Moratoriums zur Stationierung von Mittel- und Kurzstreckenraketen in Europa und bezeichnet diese als „besondere Gefahr“ für Europa, da ihre Stationierung „die Situation wiederherstellen wird, in der die Europäer Geiseln der Konfrontation zwischen der UdSSR und den USA waren“.

Auf der gleichen Konferenz nennt der russische Generalstabschef, General Walerij Gerassimow, die NATO einen destabilisierenden Faktor. „Die maritimen Aktivitäten der NATO in der Nähe unserer Grenzen haben erheblich zugenommen“, sagt er. „Kriegsschiffe, die mit Präzisionswaffen großer Reichweite ausgerüstet sind, operieren ständig im Schwarzen Meer und in der Ostsee, während Aufklärungs-, Patrouillen- und Angriffsflugzeuge sowie unbemannte Luftfahrzeuge unterwegs sind. Die Operationen der Kriegsschiffe der Vereinigten Staaten und ihrer Verbündeten sind eindeutig provokativer Natur... Es werden Voraussetzungen für das Auftreten von Zwischenfällen geschaffen, was nicht zum Abbau der militärischen Spannungen beiträgt“, sagte er.

20. September: Die NATO beginnt auf dem Truppenübungsplatz Jaworiw in der Westukraine mit der Übung Rapid Trident 21, an der 6000 Soldaten aus 15 Ländern, darunter 300 aus den Vereinigten Staaten, teilnehmen. Der Co-Leiter des Manövers, Brigadegeneral Wladislaw Klotschkow, bezeichnet sie als „einen wichtigen Schritt zur europäischen Integration der Ukraine“.

6. Oktober: Die NATO ordnet die Ausweisung von acht Diplomaten der russischen Vertretung im NATO-Hauptquartier in Brüssel an, weil es sich um „nicht deklarierte russische Geheimdienstmitarbeiter“ handle. Im Gegenzug kündigt Moskau am 18. Oktober an, die russische Mission bei der NATO ganz zu schließen, das NATO-Informationsbüro in Moskau zu schließen und seinen Mitarbeitern die Akkreditierung zu entziehen. Vize-Außenminister Alexander Gruschko erklärt in Reaktion auf die NATO-Aktion: „Falls irgendjemand jemals an die Aufrichtigkeit dieser Erklärungen geglaubt hat, so existiert diese heute nicht mehr. Ihr wahrer Wert ist jedem klar.“

19. Oktober: US-Verteidigungsminister Lloyd Austin landet in Kiew und verspricht dem Regime, daß die USA es in seinem Konflikt mit Rußland unterstützen werden. „Lassen Sie mich unterstreichen, was Präsident Biden während des jüngsten Besuchs von Präsident Selenskyi in Washington sagte. Die Unterstützung der USA für die Souveränität und territoriale Integrität der Ukraine ist unerschütterlich“, erklärt er auf einer Pressekonferenz im ukrainischen Verteidigungsministerium. Die USA hätten 2,5 Mrd. Dollar zur Unterstützung der ukrainischen Streitkräfte ausgegeben, „damit sie die territoriale Integrität ihres Landes wahren und seine Grenzen und Hoheitsgewässer sichern können“. Am nächsten Tag sagt Austin in Rumänien: „Ich denke, daß unsere Haltung in der Region weiterhin eine glaubwürdige Bedrohung für Rußland darstellt und es den NATO-Streitkräften ermöglicht, effektiver zu operieren, wenn die Abschreckung versagt. Und ich denke, dies resultiert aus unserer Verpflichtung, eine rotierende Präsenz der US-Streitkräfte aufrechtzuerhalten.“

21. Oktober: Die NATO-Verteidigungsminister billigen am ersten Tag ihres Treffens in Brüssel „einen neuen, allumfassenden Plan zur Verteidigung unseres Bündnisses“. Der neue Plan umfaßt „signifikante Verbesserungen unserer Luft- und Raketenabwehr, die Stärkung unserer konventionellen Fähigkeiten mit Kampfjets der fünften Generation, die Anpassung unserer Übungen und Aufklärung sowie die Verbesserung der Bereitschaft und Wirksamkeit unserer nuklearen Abschreckung“. NATO-Generalsekretär Jens Stoltenberg erklärt, die Allianz habe ihre Präsenz am Schwarzen Meer verstärkt, „weil das Schwarze Meer für die NATO von strategischer Bedeutung ist.“

21. Oktober: Putin warnt in einer Rede vor dem Waldai-Club, die Ukraine könne auch dann eine strategische Bedrohung für Rußland darstellen, wenn sie nicht formell in das NATO-Bündnis aufgenommen werde. „Eine formelle Mitgliedschaft in der NATO wird es vielleicht nicht geben, aber die militärische Erschließung des Territoriums ist bereits im Gange. Und das stellt wirklich eine Bedrohung für die Russische Föderation dar... Morgen könnten Raketen in der Nähe von Charkow auftauchen, was werden wir dann tun? Nicht wir platzieren dort unsere Raketen, sondern sie schieben uns ihre vor die Nase.“

Putin erinnert an das Versprechen der NATO, ihre Infrastruktur nach der Wiedervereinigung Deutschlands nicht nach Osten auszuweiten - ein Versprechen, das nicht gehalten wurde. „Jeder auf allen Seiten sagte, daß sich die Infrastruktur der NATO nach der Wiedervereinigung unter keinen Umständen nach Osten verlagern würde, Rußland hätte in der Lage sein sollen, sich zumindest darauf verlassen zu können. Das haben sie gesagt, es gab öffentliche Erklärungen. Aber in der Praxis? Sie haben gelogen ... und dann haben sie einmal erweitert, und dann haben sie immer wieder erweitert.“

30. Oktober: Die Washington Post berichtet unter Berufung auf namentlich nicht genannte Beamte, Rußland verlege mehr Truppen an die Grenze zur Ukraine. Die Truppenbewegungen hätten die im April aufgekommenen Bedenken neu entfacht. „Der Punkt ist: Es handelt sich nicht um eine Übung. Es scheint sich nicht um ein Manöver zu handeln. Irgend etwas passiert hier. Was ist es?“ fragt Michael Kofman, Direktor des Rußland-Studienprogramms bei der Analysegruppe CNA aus Virginia.

1. November: Politico veröffentlichte Satellitenbilder, die angeblich einen russischen Truppenaufmarsch nahe der ukrainischen Grenze zeigen, darunter gepanzerte Einheiten, Panzer und selbstfahrende Artillerie sowie Bodentruppen, die sich in der Nähe der russischen Stadt Jelnja nahe der Grenze zu Weißrußland sammeln. Elemente der 1. Gardepanzerarmee seien in dem Gebiet gesichtet worden. Die Armee „wurde entwickelt, um Operationen auf jeder Ebene des Kampfes durchzuführen, von der Aufstandsbekämpfung bis hin zur mechanisierten Kriegsführung“, berichtet Jane's Defense Analysis Group.

Sogar das ukrainische Verteidigungsministerium dementierte den angeblichen russischen Aufmarsch und erklärte offiziell: „Mit Stand vom 1. November 2021 wurde keine zusätzliche Verlegung von russischen Einheiten, Waffen und militärischer Ausrüstung an die Staatsgrenze der Ukraine registriert.“

2. November: Der russische Sicherheitsrat gibt bekannt, daß CIA-Direktor Nicholas Burns sich zu zweitägigen Gesprächen mit dem Sekretär des Sicherheitsrats, Nikolai Patruschew, in Moskau aufgehalten hat. Laut CNN vom 5. November hat Präsident Biden Burns nach Moskau geschickt, um die Russen aufzufordern, ihre Truppenaufstockung in der Nähe der ukrainischen Grenzen, die von den USA genau beobachtet werde, zu stoppen.

8. November: Zum ersten Mal wird von beiden Kammern des US-Kongresses eine Resolution verabschiedet, die Forderung nach „vernichtenden Sanktionen“ gegen die russische Wirtschaft erhebt, angeblich um die Nord Stream 2-Pipeline zu stoppen. Senator James Risch begründet dies damit, daß „Rußland die Energiekrise verursacht hat und als Waffe einsetzt“ - in Wirklichkeit wird diese Energiekrise durch die grüne Energiepolitik der EU und die spekulativen Energiespotmärkte verursacht. Senator Ron Johnson sagte, die USA sollten „vernichtende Sanktionen anwenden, um die Pipeline zu stoppen“. Senator Tom Cotton fügte hinzu: „Die Nord Stream 2-Pipeline wird den russischen Einfluß ausweiten und die Energiesicherheit in ganz Europa gefährden. Da die Regierung Biden Putin nicht zur Rechenschaft ziehen will, muß der Kongreß Maßnahmen ergreifen, um sicherzustellen, daß unsere NATO-Verbündeten nicht zu Geiseln der russischen Energie werden.“

11. November: Kreml-Sprecher Dmitri Peskow warnt, Rußland sei bereit, sich gegen jegliche Provokationen der NATO zu wehren. „Wenn nötig, werden wir Maßnahmen ergreifen, um unsere Sicherheit zu gewährleisten, wenn es provokative Aktionen unserer Gegner in der Nähe unserer Grenzen gibt. Ich beziehe mich auf die NATO und die NATO-Streitkräfte, die ziemlich aktive und gewagte Aktionen in unmittelbarer Nähe unserer Grenzen durchführen, sei es in der Luft, zu Wasser oder zu Lande.“

16. November: Der britische Verteidigungsminister Ben Wallace trifft in Kiew mit dem ukrainischen Präsidenten Selenskyi zusammen und unterzeichnet eine gemeinsame Erklärung mit dem ukrainischen Verteidigungsminister Olexi Resnikow. Selenskyi „dankte Ben Wallace für die unerschütterliche Unterstützung des Vereinigten Königreichs für die Unabhängigkeit und territoriale Integrität unseres Landes innerhalb seiner international anerkannten Grenzen“, heißt es in einer von seinem Büro veröffentlichten Erklärung. Wolodymyr Selenskyi „lobte auch die Unterzeichnung des ukrainisch-britischen bilateralen Rahmenabkommens über offizielle Kredithilfen für den Ausbau der ukrainischen Flotte. ,Das Vereinigte Königreich ist unser wichtigster Partner beim Aufbau der ukrainischen Flotte. Ich erwarte, daß zukünftige Sicherheitsprojekte, die im Rahmen dieses Abkommens geplant sind, effektiv umgesetzt werden‘, betonte der Präsident.“

18. November: In einer Rede vor dem russischen Außenpolitischen Rat protestiert Präsident Putin gegen die wiederholten Flüge von US-Bombern in der Nähe der russischen Grenzen. „Tatsächlich äußern wir ständig unsere Besorgnis über diese Angelegenheiten und sprechen über rote Linien, aber natürlich verstehen wir, daß unsere Partner in dem Sinne eigenartig sind, daß sie einen - um es milde auszudrücken - sehr oberflächlichen Umgang bezüglich unserer Warnungen über rote Linien haben.“ Putin betont zum wiederholten Male, die russischen Bedenken über die NATO-Osterweiterung seien „völlig ignoriert“ worden.

19. November: Die Nationale Geheimdienstdirektorin der USA, Avril Haines, landet in Brüssel, um die NATO-Botschafter über die amerikanischen Erkenntnisse zur Lage und eine mögliche russische Militärintervention in der Ukraine zu informieren. NATO-Chef Stoltenberg deutet an, daß die derzeit in Deutschland gelagerten B61-Atombomben nach Osten verlegt werden könnten, falls die neue deutsche Regierung, die sich noch in Koalitionsverhandlungen befindet, aus der NATO-Vereinbarung zur nuklearen Teilhabe aussteigt. „Natürlich liegt es an Deutschland zu entscheiden, ob die Atomwaffen in diesem Land stationiert werden, aber es gibt eine Alternative dazu: Die Atomwaffen können leicht in andere europäische Länder verlegt werden, auch in solche östlich von Deutschland“ – also noch näher an Rußlands Grenzen.

20. November: Der Chef des ukrainischen Militärgeheimdienstes, Brigadegeneral Kyrilo Budanow, erklärt am Rande der Internationalen Sicherheitskonferenz in Halifax gegenüber der Military Times, Rußland habe mehr als 92.000 Soldaten an den Grenzen der Ukraine zusammengezogen und bereite sich auf einen Angriff Ende Januar oder Anfang Februar 2022 vor.

21. November: Bloomberg zitiert in einem Bericht anonyme Quellen, die USA hätten ihren europäischen Verbündeten nachrichtendienstliche Informationen und Karten zur Verfügung gestellt, aus denen hervorgehe, daß Rußland 100.000 Soldaten und Artillerieeinheiten positioniert hat, um einen schnellen, großangelegten Vorstoß in die Ukraine von mehreren Standorten aus vorzubereiten, falls Putin sich zu einer Invasion entschließen sollte.

30. November: Radio Free Europe berichtet, die Republikaner im Kongreß hätten die Abstimmung über den Verteidigungshaushalt so lange blockiert, bis in das Gesetz Sanktionen gegen Nord Stream 2 eingefügt wurden, weil durch die Ostseepipeline dem „Verbündeten“ Ukraine jährliche Einnahmen in Milliardenhöhe entgingen. (Die Jamal-Europa-Pipeline auf dem Landweg verläuft durch die Ukraine, die Transitgebühren erhebt.)

5. Dezember: Die neokonservative Demokratin Michelle Flournoy, ehemalige Unterstaatssekretärin für Verteidigungspolitik unter Präsident Obama, sagt in der Sendung Fox News Sunday, Präsident Biden werde bei seinem bevorstehenden Videokonferenz-Gipfel mit Putin am 7. Dezember mit „viel schärferen“ Finanz- und Wirtschaftssanktionen gegen Rußland drohen. „Unsere Administration erwägt zusammen mit unseren Verbündeten aktiv eine fortschreitende Reihe von Sanktionen, die über die bisherigen Maßnahmen hinausgehen. Ich bin sicher, daß sie Sanktionen gegen das Bankensystem und den Energiesektor ins Auge fassen und Rußland möglicherweise vom SWIFT-System ausschließen, das alle internationalen Finanztransaktionen ermöglicht. Sie denken also an viel ernsthaftere Mittel..., viel schmerzhaftere Maßnahmen“ als alles, was Rußland bisher erfahren habe.

6. Dezember: Am Tag vor der Videokonferenz zwischen Biden und Putin informiert wieder einmal ein „anonymer“ hochrangiger Beamter des Weißen Hauses die Presse darüber, daß sich alle NATO-Verbündeten auf ein Paket „finanzieller Sanktionen geeinigt haben, die der russischen Wirtschaft erheblichen und schweren Schaden zufügen würden“, falls Rußland in die Ukraine einmarschieren sollte.

Er wird zitiert: „Wir glauben, daß es hier einen Weg nach vorne gibt, der es uns ermöglicht, Rußland eine klare Botschaft zu übermitteln, daß es echte und tiefgreifende und dauerhafte Kosten haben wird, wenn es sich für eine militärische Eskalation entscheidet... Wir haben intensive Gespräche mit unseren europäischen Partnern darüber geführt, was wir im Falle einer größeren russischen militärischen Eskalation in der Ukraine gemeinsam tun würden, und wir glauben, daß wir einen Weg nach vorne haben, der erhebliche wirtschaftliche Gegenmaßnahmen sowohl der Europäer als auch der Vereinigten Staaten beinhalten würde. Wir haben ein verdammt aggressives Paket zusammen gestellt.“

CNN sprach in seiner Berichterstattung direkt die „nukleare Option“ an: „Beamte erwägen auch, Rußland vom internationalen Zahlungssystem SWIFT abzukoppeln, von dem Rußland nach wie vor in hohem Maße abhängig ist, so zwei mit den Diskussionen vertraute Quellen. Dies gilt als die ,nukleare’ Option. Das Europäische Parlament hat im Frühjahr eine rechtlich nicht bindende Resolution verabschiedet, in der ein solcher Schritt für den Fall eines russischen Einmarsches in die Ukraine gefordert wird, und die USA haben dies mit ihren EU-Kollegen erörtert.“

Später am selben Tag, nachdem Biden persönlich mit den europäischen Staats- und Regierungschefs gesprochen hatte, gab das Weiße Haus eine Erklärung ab, in der weder finanzielle Sanktionen noch erhebliche wirtschaftliche Schäden für Rußland erwähnt wurden. Darin heißt es: „Diplomatie ist der einzige Weg, um den Konflikt im Donbaß durch die Umsetzung der Minsker Vereinbarungen zu lösen.“

7. Dezember: Die Präsidenten Biden und Putin halten ein Gipfeltreffen per Videokonferenz ab. Anschließend versichert der Nationale Sicherheitsberater Jake Sullivan den Medien, Biden habe „Präsident Putin direkt gesagt, daß die Vereinigten Staaten und unsere europäischen Verbündeten mit starken wirtschaftlichen Maßnahmen reagieren würden, wenn Rußland weiter in die Ukraine eindringt“. Biden habe Putin auch gesagt, daß „wir den Ukrainern zusätzliches Verteidigungsmaterial zur Verfügung stellen würden, über das hinaus, was wir bereits bereitstellen“, und die USA „unsere NATO-Verbündeten an der Ostflanke mit zusätzlichen Fähigkeiten verstärken würden, um auf eine solche Eskalation zu reagieren“. Biden selbst betonte später, er werde über Putins Forderung nach Sicherheitsgarantien nachdenken, die später zu den russischen Vertragsentwürfen führten (s.u.).

12. Dezember: Die neue deutsche Außenministerin, Annalena Baerbock von den Grünen, erklärt in einem Fernsehinterview, Nord Stream 2 könne nicht in Betrieb genommen werden, da die Pipeline laut den Koalitionsvereinbarungen der Regierung nicht mit dem europäischen Energierecht vereinbar sei. Die Vorgängerregierung von Angela Merkel hatte das Gegenteil festgestellt. Baerbock, von der grünen Kriegsfraktion, erklärte die Kehrtwende nicht. Die Washingtoner Zeitung The Hill weist darauf hin, daß die Grünen für einen NATO-Betritt der Ukraine sind.

17. Dezember: Das russische Außenministerium veröffentlicht zwei Vertragsentwürfe über Garantien für die Sicherheit Rußlands, einen zwischen Moskau und der NATO und den anderen zwischen Moskau und Washington. Die Dokumente fordern die Anerkennung des Grundsatzes der „Nichteinmischung in die inneren Angelegenheiten“ der jeweils anderen Seite, erkennen an, daß „ein direkter militärischer Zusammenstoß zwischen ihnen zum Einsatz von Atomwaffen führen könnte, was weitreichende Folgen hätte“, bekräftigen, „daß ein Atomkrieg nicht gewonnen werden kann und niemals geführt werden darf“, und erkennen an, „daß alle Anstrengungen unternommen werden müssen, um das Risiko des Ausbruchs eines solchen Krieges zwischen Staaten, die über Atomwaffen verfügen, zu verhindern“.

Der entscheidende Teil des amerikanisch-russischen Vertrages fordert dazu auf, keine Maßnahmen zu ergreifen, „die die grundlegenden Sicherheitsinteressen der anderen Vertragspartei untergraben könnten“. In Anbetracht der Bestrebungen zur Einbindung der Ukraine in die NATO heißt es in Artikel 4: „Die Vereinigten Staaten von Amerika verpflichten sich, eine weitere Osterweiterung der NATO zu verhindern und den Staaten der ehemaligen UdSSR den Beitritt zum Bündnis zu verweigern“, und „Die Vereinigten Staaten von Amerika werden keine Militärstützpunkte im Hoheitsgebiet der Staaten der ehemaligen UdSSR, die nicht Mitglied der NATO sind, errichten, ihre Infrastruktur für militärische Aktivitäten nutzen oder eine bilaterale militärische Zusammenarbeit mit ihnen entwickeln.“ Weiter heißt es, daß die Vertragsparteien (die USA und Rußland) außerhalb ihrer eigenen Grenzen keine militärischen Aktionen durchführen werden, die die nationale Sicherheit der jeweils anderen Seite bedrohen, oder Bomber oder Kriegsschiffe außerhalb ihrer Hoheitsgewässer in einer Weise fliegen, die eine gegenseitige Bedrohung darstellt. Zur Ausweitung der US-Atomwaffen auf die in Deutschland gelagerten Atomwaffen heißt es in dem Vertrag: „Die Vertragsparteien unterlassen die Stationierung von Atomwaffen außerhalb ihrer nationalen Hoheitsgebiete und geben die bereits stationierten Waffen ... in ihre nationalen Hoheitsgebiete zurück.“

19. Dezember: Der unvermeidliche „anonyme hochrangige Beamte des Weißen Hauses“ erklärt gegenüber CNN und anderen Medien, es gäbe „nur ein etwa vierwöchiges Zeitfenster“, um Rußland zu einer Deeskalation zu zwingen, und die von den USA geplanten Sanktionen „wären überwältigend und unmittelbar und würden der russischen Wirtschaft und ihrem Finanzsystem erhebliche Kosten aufbürden“.

21. Dezember: In einem ausführlichen Bericht für eine erweiterte Sitzung des Verteidigungsministeriums erklärt der russische Verteidigungsminister Sergej Schoigu: „Die Spannungen an den westlichen und östlichen Grenzen Rußlands nehmen zu. Die Vereinigten Staaten verstärken ihre militärische Präsenz an den russischen Grenzen... Die Vereinigten Staaten und die NATO erhöhen gezielt den Umfang und die Intensität ihrer militärischen Ausbildungsaktivitäten in der Nähe Rußlands. Sie beziehen zunehmend die strategische Luftfahrt ein und führen simulierte Abwürfe von Atomraketen auf unsere Einrichtungen durch. Die Zahl ihrer Flüge in der Nähe der russischen Grenzen hat sich mehr als verdoppelt. Die NATO schenkt den Fragen der Verlegung von Truppen an die Ostflanke des Bündnisses, einschließlich vom kontinentalen Teil der Vereinigten Staaten, besondere Aufmerksamkeit. Bei den Übungen werden verschiedene Optionen für den Einsatz von Koalitionsverbänden gegen Rußland unter Einbeziehung von bündnisfreien Staaten - Georgien, Moldawien und der Ukraine - geübt.“

Schoigu fährt fort: „Die Anwesenheit von mehr als 120 Mitarbeitern amerikanischer Söldnerfirmen in den Siedlungen Awdejewka und Priasowskoje in der Region Donezk wurde verläßlich nachgewiesen. Sie rüsten Schießstände in Wohnhäusern und sozial bedeutsamen Einrichtungen aus, bereiten ukrainische Sondereinsatzkräfte und radikale bewaffnete Gruppen auf aktive Feindseligkeiten vor. Zum Zwecke einer Provokation wurden Panzer mit nicht identifizierten chemischen Komponenten in die Städte Awdejewka und Krasny Liman geliefert.“

Auf derselben Sitzung schlägt auch Präsident Putin persönlich Alarm: „Was sie [die USA] jetzt auf dem Territorium der Ukraine tun oder zu tun versuchen und tun werden - das ist nicht Tausende von Kilometern von unserer Landesgrenze entfernt. Es ist direkt vor unserer Haustür. Sie müssen verstehen, daß wir uns einfach nicht weiter zurückziehen können... Glauben sie, daß wir diese Bedrohungen nicht wahrnehmen? Oder denken sie, daß wir so willensschwach sind, daß wir die Bedrohungen für Rußland einfach ignorieren?“ Putin schließt: „Wie ich bereits gesagt habe, werden wir im Falle der Fortsetzung der offensichtlich aggressiven Linie unserer westlichen Kollegen angemessene militärisch-technische Vergeltungsmaßnahmen ergreifen und auf unfreundliche Schritte hart reagieren. Und ich möchte betonen, daß wir jedes Recht haben, Maßnahmen zu ergreifen, um die Sicherheit und Souveränität Rußlands zu gewährleisten... Wir sind äußerst besorgt über die Stationierung von Elementen des globalen Raketenabwehrsystems der USA in der Nähe Rußlands.“

pdf-Version des vollständigen Memorandums zum Ausdrucken

BüSo-Flugblatt (zweiseitige Kurzfassung mit link zur BüSo-Webseite)