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Die Menschheit am punctum saliens: Gemeinsame Zukunft - oder neuer Krieg?

Von Alexander Hartmann

„Das Ende des Kolonialismus: Eine neue gemeinsame Zukunft für die Menschheit“, lautete der Titel der Eröffnungsrede der Vorsitzenden und Gründerin des Schiller-Instituts, Helga Zepp-LaRouche, bei einer Konferenz, die das Schiller-Institut am 13. September 2018 in New York City veranstaltete, als dort auch die UN-Vollversammlung eröffnet wurde. Grußbotschaften zu der Veranstaltung kamen u.a. vom Ersten Stellvertretenden Permanenten Repräsentanten der Russischen Föderation bei den Vereinten Nationen Dmitri Poljanskij und von Donald Trumps langjährigem Berater Roger Stone.

„Wir müssen uns bewußt sein, in welchem historischen Moment wir uns befinden“, begann Helga Zepp-LaRouche ihre Rede. „Ich glaube nicht, daß ich übertreibe, wenn ich vom Standpunkt der Universalgeschichte aus sage, daß wir an einem Moment angekommen sind, den Schiller in seinen Dramen als den punctum saliens bezeichnet. Damit meint er, daß in der Entwicklung der gesamten Universalgeschichte oder in der Entwicklung eines Dramas ein Punkt erreicht wird, an dem alle anderen Möglichkeiten, die zuvor noch bestanden, erschöpft sind. Es ist ein dramatischer Moment, in dem alles vom moralischen Charakter der Hauptfigur auf der Bühne abhängt - ob das Drama zur Tragödie wird, oder ein Potential besteht, daß es in eine bessere Zeit führt. Und wenn man vom Standpunkt der Universalgeschichte die vielen Millionen Jahre, aber vor allem die letzten 10.000 oder 20.000 Jahre betrachtet, dann erreichen wir nun einen solchen Punkt in der Geschichte, wo, wie mein Ehemann oft gesagt hat, der Ausgang der historischen Periode ganz vom moralischen Charakter der Menschen abhängt, wo sich die Frage stellt: Hat die Menschheit die moralische Fähigkeit, zu überleben?“

Es gebe Lösungen für die gegenwärtige Krise, und führende Kräfte seien auch in der Lage, diese Lösungen umzusetzen. „Aber werden die Menschen in Amerika, die Menschen in Europa, die Menschen auf den übrigen Kontinenten diesen Anführern auch die notwendige Unterstützung geben, damit sie dies tun können?“

Eskalation der Krisen droht

Sie beschrieb dann ein Panorama der gegenwärtigen Lage. Es bestehe die unmittelbare Gefahr einer Eskalation der Krise und einer Konfrontation mit Rußland. Rußland habe vor einem dritten Giftgasangriff unter falscher Flagge in Syrien gewarnt. „Sie hatten Filmaufnahmen der Weißhelme und anderer Terroristen, die Giftgas - Sarin und andere Chemiewaffen - anliefern, es gibt Teams der Weißhelme, die bereitstehen, um ein solches Massaker zu filmen, und amerikanische Fernsehteams wurden in die Region Idlib verlegt. „All das geschieht, während die Syrer - mit Unterstützung der russischen Luftwaffe - versuchen, den letzten Rückzugsort der Terroristen auszuschalten, von Al-Nusra und ISIS, den Nachfolgern von Al-Kaida, die sich alle in Idlib versammelt haben. Die syrische Regierung macht Gebrauch von ihrem souveränen Recht, die letzte syrische Provinz zu erobern, und die Russen helfen ihr dabei durch Luftunterstützung.“

Nun solle ein Giftgasangriff unter falscher Flagge durchgeführt, von Filmteams aufgenommen und in alle Welt ausgestrahlt werden. „Die Streitkräfte der Vereinigten Staaten, Großbritanniens und Frankreichs haben bereits erklärt, daß sie bereit stehen, Militärschläge durchzuführen, sobald Beweise für einen solchen Angriff der Regierung Assad vorgelegt werden.“

Auch das deutsche Verteidigungsministerium habe bereits Pläne für eine deutsche Beteiligung an einem solchen Vergeltungsangriff erstellt, diesmal nicht nur mit Aufklärungsflugzeugen, sondern mit Tornado-Kampfbombern, „und der Wissenschaftliche Dienst des Deutschen Bundestages hat soeben ein Gutachten vorgelegt, das feststellt, daß dies ein klarer Verstoß gegen das Völkerrecht wäre, weil es keinen Beschluß des UN-Sicherheitsrates gibt, und daß es ein klarer Verstoß gegen das Grundgesetz wäre, das einen Angriffskrieg verbietet. Angesichts der deutschen Geschichte ist das eine sehr beachtenswerte Klausel. Wenn dies geschähe, würde Deutschland zum ersten Mal seit dem Zweiten Weltkrieg eine direkte militärische Konfrontation mit Rußland riskieren.“

Sie fuhr fort: „Wenn es ihnen gelingt, Präsident Trump zu einem umfassenden Angriff zu verleiten, dann könnte dieser Konflikt außer Kontrolle geraten. Was geschieht, wenn diese amerikanisch-britisch-französischen und möglicherweise auch deutschen Militärschläge russische Ziele in Syrien treffen? Würden die Russen stillhalten und nicht reagieren? Derzeit ist eine riesige Flotte der russischen Marine im Mittelmeer, dort sind 36 Schiffe der russischen Marine, und Schiffe der britischen und der amerikanischen Marine führen dort Manöver durch.“

Sie betonte: „Die Mainstream-Medien in den Vereinigten Staaten schüren eine Vorkriegshysterie, sie reden der Bevölkerung ein, Putin sei ein Dämon, Xi Jinping sei ein autokratischer Diktator, Trump sei nicht geeignet für das Präsidentenamt. Man muß sich fragen: Wo soll das alles hinführen? Verbreiten sie das nur zum Spaß? Oder ist da eine Absicht dahinter?“

Trump habe bisher noch keinen Krieg begonnen. Er habe im Wahlkampf versprochen, daß er versuchen werde, die Beziehungen zu Rußland zu verbessern, und sich bemüht, eine Freundschaft zu Xi Jinping aufzubauen. „Es ist ganz klar, daß die Fraktion des Britischen Empire - zu der die britische Regierung gehört, die Demokraten und die Neokonservativen in der Republikanischen Partei - alles versucht, um es Trump nicht zu erlauben, sein Wahlkampfversprechen zu erfüllen… Alle die Dinge sollen die Atmosphäre schaffen, um Trump auf die eine oder andere Weise aus dem Amt zu entfernen.“

Diese Fraktion sei bereit, einen präventiven Nuklearkrieg zu riskieren, sagte sie und verwies auf die Warnung des früheren Staatssekretärs im deutschen Verteidigungsministerium, Willy Wimmer, daß das einzige, was zwischen dem nächsten Krieg und uns allen stehe, Präsident Trump sei. „Worum es eigentlich geht“, betonte Helga Zepp-LaRouche, „ist, daß Trump sagt, er will eine Friedensordnung mit Rußland und China schaffen. Und das wollen die britischen Kräfte verhindern… Denn wenn es Trump gelänge, eine solche Beziehung mit Rußland und China aufzubauen, dann würde das die Fähigkeit des Britischen Empires, seine geopolitischen Manipulationen der Welt fortzusetzen, ein Ende bereiten.“

Das Paradigma der Neuen Seidenstraße

Sie fuhr fort: „Das ist die Lage. Aber die meisten Amerikaner haben keine Ahnung davon. Wie könnten sie auch, wenn die Mainstream-Medien nicht ein einziges Mal erwähnen, daß sich schon etwas vollkommen anderes entwickelt, eine andere Welt, nämlich das Paradigma der Neuen Seidenstraße?“

Sie beschrieb dann die Entwicklung in den letzten fünf Jahren, seit Chinas Präsident Xi seine Seidenstraßen-Initiative ankündigte. „Sie haben in den letzten fünf Jahren in Asien große Korridore aufgebaut, die China mit Europa verbinden… Afrika hat sich vollkommen verändert. Es gab in den letzten fünf Jahren chinesische Investitionen von insgesamt fünf Billionen Dollar.“

Es habe sich ein völlig neues System der internationalen Beziehungen entwickelt, „das auf Souveränität beruht, auf Respekt vor dem Gesellschaftssystem der anderen, auf Nichteinmischung, dem sich immer mehr Länder anschließen“. Die BRICS-Staaten Brasilien, Rußland, Indien, China und Südafrika hätten sich mit der Shanghaier Organisation für Zusammenarbeit und der Eurasischen Wirtschaftsunion zusammengeschlossen. Beim jüngsten Treffen der BRICS in Südafrika habe sich der „Globale Süden“ angeschlossen, „das ist praktisch die Gesamtheit der Länder, die man früher als Dritte Welt bezeichnet hat, das ist die G-77, Mercosur, die Organisation für Islamische Zusammenarbeit, die Afrikanische Union und viele andere regionale Organisationen, die alle darin übereinstimmen, daß sie ein neues System der internationalen Beziehungen aufbauen wollen.“ Seither habe es beim FOCAC-Treffen in Beijing und beim Östlichen Wirtschaftsforum in Wladiwostok weitere Fortschritte in diese Richtung gegeben.

Entscheidend sei jedoch, auch die Vereinigten Staaten ins Boot zu holen. „Denn wenn man die Vereinigten Staaten nicht in eine Lösung des Problems einbindet, dann werden alle diese schönen Versuche der übrigen Länder, andere Beziehungen aufzubauen, nicht funktionieren.“

Deshalb sei ein Neues Bretton-Woods-Abkommen notwendig. Die Macht, die derzeit den Westen beherrsche, „die Londoner City und die Wall Street, die auch hinter diesen Kriegsprovokationen und hinter vielen anderen Dingen stehen“, könne nur durch eine Vier-Mächte-Vereinbarung zwischen den Vereinigten Staaten, Rußland, China und Indien überwunden werden. Diese Kombination müsse eine globales Glass-Steagall-Bankentrennung durchsetzen, und ein Neues Bretton-Woods-System, „wie es Franklin Roosevelt beabsichtigte, das die Entwicklungsländer entwickelt; aber nicht mit den Methoden des 20. Jahrhunderts, sondern mit Methoden des 21. Jahrhunderts, die es den Ländern erlauben, auf die Ebene einer umfassenden Entwicklung zu springen, indem sie ihre Produktivität, ihren Lebensstandard, ihre Lebenserwartung steigern, und es ihnen erlauben, auf höchstem Niveau an den Früchten der Wissenschaft und Technologie teilzuhaben“.

Sie schloß ihre Ausführungen:

„Wir sollten uns heute vom Standpunkt von Schillers Universalgeschichte betrachten: Wie wollen Sie selbst gesehen werden, aus der Sicht ihrer Enkel und Urenkel? Sind wir jene Kraft, jene Generation, die die Transformation der Welt in ein neues Paradigma eingeleitet und zu ihr beigetragen hat, das den Kolonialismus beendet hat und das die Idee der einen Menschheit in die Geschichte der Menschheit eingeführt hat?

Kommen wir zurück zu der Idee des punctum saliens in der Geschichte, dem springenden Punkt, dem Punkt der Entscheidung, an der die gesamte moralische Kraft gefordert ist, die Dinge zu ändern, damit wir nicht in einer Tragödie enden, sondern eine neue, schönere Periode der menschlichen Zivilisation einleiten - das ist die Essenz unserer gegenwärtigen Lage. Arbeiten wir also vom Standpunkt des Geistes der Neuen Seidenstraße daran, wirklich menschlich zu werden, und lassen Sie uns das, im Sinne Percy Shelleys, zum wahren Geist unseres Zeitalters machen.“