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Nur eine kulturelle Renaissance kann die Krise „des Westens“ überwinden!

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Von Helga Zepp-LaRouche

Der Massenmord von Hanau hat nicht nur in Deutschland, sondern in der ganzen Welt Entsetzen ausgelöst. Wenn eine solche barbarische, wahnsinnige Tat gewissermaßen aus dem Blauen heraus als Akt offenbar eines Einzeltäters möglich ist, man aber doch annehmen muß, daß sie zugleich irgendwie das Resultat einer ideologischen Verblendung ist, in der Rassismus und apokalyptische Vorstellungen von einer angeblichen „Überbevölkerung“ der Welt eine Rolle spielen, die von einer ganzen Reihe solcher Attentäter geteilt wird, dann ist eine tiefer gehende Analyse dringend angebracht. Was läuft in unserer Gesellschaft falsch? Wieso scheint das Gesamtgefüge der Gesellschaft allmählich zu zerbröckeln, wie es u.a. in den wachsenden Spannungen zwischen dem Westen und Osten Deutschlands spürbar ist? Haben die Ereignisse um die Landtagswahl in Thüringen nur einen ersten Vorgeschmack gegeben für etwas, was sich auch anderswo ereignen könnte?

Szenenwechsel. Nur drei Tage vor dem Attentat von Hanau ging in München die Münchener Sicherheitskonferenz 2020 zu Ende, die dieses Mal das Thema „Westlessness“ hatte - eine Wortneuschöpfung, die die Krise des Westens ausdrücken soll, und zwar sowohl die reduzierte Position des Westens in der Welt, als auch der Rückgang der inneren Kohäsion. Gleich am Anfang der Konferenz-Broschüre wurde Oswald Spenglers Buch „Der Untergang des Abendlandes“ zitiert, in dem er den bevorstehenden Verfall und den letztendlichen Untergang der westlichen Zivilisation prognostiziert habe. Im Verlauf der dreitägigen Konferenz entfalteten sich dann die Extreme des gegenwärtigen strategischen Spektrums: Pompeo, Esper und Nancy Pelosi auf der gleichen Linie, daß der Westen gewinne, aber Rußland und China das Problem seien; diverse Europäer, die auf verschiedene Weise die Besorgnis ausdrückten, zwischen den USA und China irgendwie als Sandwich eingeklemmt zu werden und deshalb eine größere eigenständige Rolle Europas forderten, aber letztlich bei einem energischen „Weiter so“ bezüglich der neoliberalen Politik blieben; und schließlich die Außenminister Chinas und Rußlands, die zum wiederholten Male auf die von ihnen gemachten und nie beantworteten Kooperationsangebote hinwiesen.

Nachdrücklich demonstrierte Pelosi ihre neokonservative Geistesverwandtschaft mit Pompeo bezüglich der Dämonisierung Chinas und Rußlands. Den Vogel aber schoß Pompeos Kumpan Esper ab, der China eine langdauernde Manipulation der regelbasierten Ordnung vorwarf.

Diese Anschuldigung verdient es indes etwas genauer betrachtet zu werden.

Es muß festgehalten werden, daß trotz des PR-wirksamen Themas „Westlessness“ kein einziger Vertreter dieses Westens den Versuch machte, die Gründe für diesen relativen Machtverlust in der Politik des Westens selbst zu suchen, also etwa die Gründe für die globale Rebellion zu hinterfragen, die seit dem Brexit, der Wahlniederlage Hillary Clintons, den Gelbwesten-Demonstrationen und Generalstreiks in Frankreich, den Massendemonstrationen von Chile bis Libanon und Algerien im Gang ist und sich gegen die neoliberale Austeritätspolitik richtet, die die Bevölkerung trifft und nur dem Profit des Finanzsektors dient.

Der Aufstieg der AfD, die als Anti-Euro-Partei begonnen hatte, ist derselben Dynamik geschuldet. Und hätte Europa nicht direkt oder implizit die Interventionskriege der Briten sowie der Regierungen Bush und Obama unterstützt, und hätte Europa sich von seiner kolonialistischen Politik gegenüber Afrika abgewandt und das getan, womit China nun begonnen hat - nämlich den afrikanischen Kontinent durch Investitionen in Infrastruktur entwickeln zu helfen -, dann wäre die Flüchtlingskrise niemals so eskaliert, wovon die AfD in der zweiten Phase ihres Einflußgewinns profitierte.

Damit soll die Monstrosität des Rassismus in all seinen Erscheinungsformen in keiner Weise entschuldigt oder relativiert werden, er repräsentiert eine der niedrigsten Geisteshaltungen, zu der Menschen fähig sind. Aber man macht es sich zu einfach, wenn man so tut, als müßten jetzt nur alle „Guten“ zusammenstehen und die Rassisten entschlossen ausgrenzen, dann wäre das Problem gelöst. Es sollte schon die Frage erlaubt sein, woher diese Attentäter denn ihre Endzeitvisionen über eine angebliche Überbevölkerung des Planeten haben, wie sie in den sogenannten Manifesten der Attentäter von Christchurch, El Paso, Halle und nun Hanau zum Ausdruck gekommen sind. Ist erst einmal die Vorstellung medienwirksam in die öffentliche Debatte gebracht, daß wir „nur noch zwölf Jahre“ haben, oder daß die endlichen Ressourcen der Erde nicht für alle reichen, dann ist das der Schlaf der Vernunft, der die Ungeheuer hervorbringt.

In der Konsequenz ist die radikale Politik von Mark Carney und Mike Bloomberg, des von den Zentralbanken und der EU angestrebten „green financing“ und der Kreislaufwirtschaft nicht minder rassistisch, denn sie senkt die Energieflußdichte im Produktionsniveau auf ein Niveau ab, das es einigen Milliarden Menschen unmöglich machen wird, zu überleben. Und daß die meisten dieser Menschen in den Entwicklungsländern leben, also farbig sind, ist den Befürwortern des „green financing“ sicher auch schon aufgefallen.

Die Schuldzuweisung an China, das gerade demonstriert hat, daß es im Fall des Corona- Virus bereit war, erhebliche Einbußen bei der eigenen Ökonomie in Kauf zu nehmen, um das Leben der Menschen zu schützen und die internationale Ausbreitung des Virus einzudämmen, ist ebenso unmoralisch, wie verlogen. Denn schauen wir mal an, wie es der sich als ach so überlegen aufplusternde Westen mit der Einhaltung der Regeln seiner „regelbasierten Ordnung“ eigentlich hält.

  • Wahl nach Regeln des Wahlrechts, wenn auch zugegebenermaßen mit Tricks der AfD im dritten Wahlgang zum Ministerpräsidenten in Thüringen? Plötzlich ist der „Tabubruch“ (ist der im Wahlrecht erwähnt?) wichtiger als die Wahlrechtsordnung. Kurzerhand telefoniert Merkel aus Südafrika, das Wahlergebnis müsse rückgängig gemacht werden. Dann wählen wir eben so lange, bis das gewünschte Ergebnis da ist.
  • Spätestens seit den Nürnberger Prozessen haben Menschen die Verantwortung, Informationen über schwerste Verbrechen von Staatsvertretern an die Öffentlichkeit zu bringen, um Menschenleben zu schützen? Nicht so, wenn man Julian Assange heißt. Dann sieht ganz Europa zu, wie Schweden, Großbritannien und die USA an Assange ein Exempel statuieren wollen. Daß der UN-Sonderberichterstatter über Folter, Nils Melzer, die „Glaubwürdigkeit des Rechtsstaates schwer angeschlagen“ sieht, zählt nicht. Regeln sind schließlich dazu da, daß man sie anpaßt.
  • Die Ermordung eines iranischen Militärführers in einem Drittland mit Hilfe von Drohnen? Der wissenschaftliche Dienst des Bundestags sieht darin einen „Verstoß gegen das Recht auf Leben“ im Sinne von Artikel 6 des UN-Zivilpakts. Für die Bundesregierung kein Grund Stellung zu beziehen. Das Völkerrecht wird einfach mal kurz beurlaubt, soviel muß die Regel-basierte Ordnung schon aushalten.
  • Der Oppositionsführer in Venezuela Juan Guaido erklärt sich anstelle des ordentlich gewählten Nicolas Maduro zum Präsidenten? Natürlich unterstützt das die EU, schließlich gehört der Neue zum neoliberalen Lager. Regel-basiert kann ja auch heißen, daß man diese nur selektiv anwendet.
  • Die von Großbritannien und der amerikanischen NED großzügig finanzierte Opposition in Hongkong benutzt wochenlang terroristische Methoden gegen die lokalen Institutionen? Aber nicht doch, das sind Freiheitskämpfer!
  • Die EU-Grenzschutzagentur Frontex kooperiert mit dem brutalen Vorgehen der ungarischen Grenzbeamten gegen Flüchtlinge, darunter auch Kinder, unter der Einsatz von Tränengas und Pfeffer-Spray, was u.a. von der Frontex-Beauftragten Inmaculada Arnaez und der UN-Kommissarin für Menschenrechte, Michelle Bachelet kritisiert wird. Report München sieht Frontex selbst bei vielen seiner Operationen an Grundrechtsverletzungen beteiligt. Ach so, das Mittelmeer ist ein rechtsfreier Raum, da gelten Regeln natürlich nicht.
  • Regeln bei den Präsidentschaftswahlen in den USA? Wahlversammlungen, Vorwahlen, gleichberechtigte Chancen für alle Kandidaten? Für den Späteinsteiger und Multimilliardär Bloomberg ändert der DNC einfach mal schnell die Regeln, und schon steht das Weiße Haus zum Verkauf für den Meistbietenden.

Was hat das alles mit dem Massenmord von Hanau zu tun? Direkt natürlich nichts, indirekt eine ganze Menge. Wenn das Verhalten der sogenannten Führungseliten über einen langen Zeitraum bei der Bevölkerung das Gefühl entstehen läßt, daß es Gerechtigkeit nur für die Reichen gibt, daß es für einen Teil der Bürger letztlich keine Instanz gibt, an die man sich wenden kann, wenn die eigenen existentiellen Interessen bedroht sind, dann erodiert der Zusammenhalt der Gesellschaft allmählich. Dann entsteht daraus jene gefährliche Mischung von Basisopposition, Selbstjustiz und Entgrenzung, die den Nährboden für alle möglichen Übel entstehen läßt.

Die Themensetzung der Münchener Sicherheitskonferenz verrät eine gewisse, wenn auch späte Einsicht, daß es um den Westen nicht gut bestellt ist. Eine positive Lösung wurde dort aber noch nicht einmal ansatzweise geboten.

Europa, d.h. Deutschland, Italien, Frankreich usw. hätte durchaus das Potential, die gegenwärtige Krise zu überwinden. Wir haben in den vergangenen rund zweieinhalb tausend Jahren unserer Geschichte einige der großartigsten Leistungen in der Universalgeschichte hervorgebracht. Das Ideal der griechischen Klassik über den inneren Zusammenhalt des Guten, Schönen und Wahren, das humanistische Menschenbild der italienischen Renaissance, der unwiderlegbare Beweis für das kreative Potential der menschlichen Vernunft, das in den Erfindungen von Leonardo da Vinci bis Johannes Kepler und Albert Einstein demonstriert wird, die universelle Sichtweise des Gottfried Wilhelm Leibniz, für den es eindeutig nur eine einzige menschliche Rasse gegeben hat, das wunderbare Menschenbild, das in der deutschen Klassik in Dichtung und Musik zum Ausdruck kommt - all diese und noch viel mehr Schätze stehen uns zur Verfügung, wenn wir unsere Gesellschaft erneuern wollen.

Es ist zugegebenermaßen nicht einfach zu sehen, woher eine solche Renaissance kommen soll. Sie müßte damit anfangen, daß diejenigen Menschen, die sich zu dieser humanistischen Tradition bekennen, den Kult der Häßlichkeit zurückweisen, der uns in den Theatern, Opernhäusern und von der sogenannten Unterhaltungsindustrie in den Medien zugemutet wird. Natürlich muß der Rassismus in all seinen Ausformungen verdammt und aus der Gesellschaft ausgejätet werden. Aber funktionieren wird dies nur, wenn die Menschen wieder das Ideal für sich selbst aufstellen, eine schöne Seele im Sinn Friedrich Schillers werden zu wollen.

zepp-larouche@eir.de