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Ökologische Kriegswirtschaft? Deutsche Wirtschaft bricht zusammen

Eine Bestandsaufnahme von Alexander Hartmann und Rainer Apel nach dem Kollaps der Carola-Brücke in Dresden am 11.9.24.

Arbeitsplätze, Industrien, Brücken - alles bricht weg

Die deutsche Industrie setzte in den letzten Jahren massiv auf die Rationalisierung von Produktionsprozessen und auf Teilzeitjobs. So lag die Gesamtbeschäftigung in der Automobilbranche 2023 um 42.000 Stellen niedriger als 2018 mit 822.000. Doch das waren noch langsame Verschiebungen über mehrere Jahre.

Jetzt trifft die Deindustrialisierung die deutsche Wirtschaft mit voller Härte: Großunternehmen haben mindestens 55.000 Entlassungen bis Jahresende angekündigt, dazu kommen vier- bis fünfmal so viele bei Zulieferern, hauptsächlich mittelständischen Unternehmen. In der vergangenen Woche waren die Fälle ThyssenKrupp und Volkswagen (VW) in den Schlagzeilen, mit Warnungen vor Plänen zur drastischen Ausgabensenkung in noch unbekanntem Umfang. Sie sind die größten deutschen Unternehmen im Stahl- und im Automobilsektor.

Die großen Zulieferer wie Continental, Bosch und Scheffler werden ebenso betroffen sein wie tausende kleinere. Der Chefvolkswirt der ING Bank, Carsten Brzeski, wurde in der Presse mit der Prognose zitiert, der Arbeitsmarkt werde einen „Tod durch tausend Schnitte“ erleiden. Eine Umfrage der Unternehmensberatung Horvath unter 50 Zulieferern ergab, daß 60% der Unternehmen in den nächsten fünf Jahren ihre Belegschaft in Deutschland reduzieren wollen.

Zudem erwägen große Unternehmen, im Ausland zu produzieren und gutbezahlte, qualifizierte Arbeitsplätze an ihren deutschen Standorten abzubauen. Diese Stellen verschwinden dann für immer. Das Magazin Focus zitierte Holger Schäfer vom Kölner Institut der deutschen Wirtschaft (IW): „Wird in Deutschland ein Chemiewerk dichtgemacht, dann kommt das nicht mehr zurück.“

Schuld an der Krise sind vor allem die grünen Wunschträume: die höheren Energiekosten durch den Verzicht auf russisches Erdgas zugunsten von mehrfach teurerem US-Flüssiggas zu ersetzen; das EU-Verbot von Produktionsprozessen mit hohem CO2-Ausstoß, das u.a. die Autoindustrie zwingt, anstelle von Verbrennungsmotoren Elektromotoren in die Autos einzubauen; die Illusion vom „grünen Stahl“ mit Solar- und Windenergie als Energiequellen, usw.

Unter den Autobauern hat vor allem VW stark in die Produktion von E-Autos investiert, doch deren Absatz ist in den ersten sieben Monaten 2024 gegenüber dem Vorjahreszeitraum um 69% eingebrochen. Gründe dafür sind u.a. die Unsicherheit in Bezug auf Ladestationen und ein Ende der Kaufprämie. Insgesamt hat VW bisher 500.000 Autos weniger verkauft als im Vorjahr.
Wichtige Gründe für die Krise der Stahlbranche sind der Einbruch des Wohnungsbaus und der E-Auto-Verkäufe sowie der jahrelange Investitionsstau bei Schiene und Straße. Doch die fanatische Fixierung der Bundesregierung auf den Übergang zu „grünem Stahl“ mit teurem grünem Wasserstoff anstelle von Koks setzt ThyssenKrupp zusätzlich unter Druck. Nach der Zusage der Regierung, die Umstellung mit 2 Mrd. € mitzufinanzieren, klafft weiter eine Lücke von 8 Mrd. € oder mehr. Drastische Einschnitte in der Produktion und bei den derzeit 27.000 Arbeitsplätzen scheinen vorprogrammiert.

Nur in die Rüstung wird investiert

Der einzige Bereich, in dem die Bundesregierung nennenswerte Maßnahmen ergreift, um die verbliebenen Kapazitäten zu erhalten und auszubauen, ist der Rüstungssektor, und dieser Umbau unserer Volkswirtschaft zu einer Kriegswirtschaft soll noch weiter vorangetrieben werden. Experten des Kieler Instituts für Weltwirtschaft, ständiges Mitglied im Wirtschaftsrat der Bundesregierung, behaupten, daß Deutschland mit den jetzigen Maßnahmen erst in einigen Jahrzehnten kriegsbereit sein wird, und fordern eine erhebliche Steigerung der Verteidigungsausgaben, einschließlich einer Erhöhung des jährlichen Verteidigungshaushalts von 50 bis 80 Milliarden Euro. Dies erscheint bescheiden, wenn man es mit den Niederlanden vergleicht, wo der Verteidigungshaushalt verdoppelt wurde. Deutschland verfügt jedoch zusätzlich über einen separaten Militarisierungsfonds in Höhe von 100 Milliarden Euro.

Damit ist die Diskussion noch lange nicht zu Ende. Andere Experten haben bereits eine Verdreifachung des Sonderfonds für die Mobilisierung der Verteidigung gefordert, der von derzeit 100 Milliarden über mehrere Jahre hinweg auf 300 Milliarden Euro aufgestockt werden soll. Selbst dieser Vorschlag berücksichtigt nicht, daß die Pläne der derzeitigen deutschen Regierung zur Umstellung der Stahlproduktion auf „grünen Stahl“ aufgrund der enormen Kosten dieser Umstellung die militärische Ausrüstung, für die viel Stahl benötigt wird, um das Dreifache oder mehr verteuern wird. Wenn diese unsinnige Politik nicht rückgängig gemacht wird, sehen die Deutschen einer Zukunft entgegen, in der der „Verteidigungs“-Haushalt die Marke von 1 Billion Euro erreicht.

Infrastrukturdefizit muß abgebaut werden

Die Ironie ist, daß die massiven Aufrüstungsmaßnahmen wenig helfen werden, wenn die Truppen und ihre Gerätschaften aufgrund der verfallenden Infrastruktur nicht dorthin gelangen, wo sie eingesetzt werden sollen. Es gibt Tausende von Brücken in Deutschland, deren Zustand ähnlich bewertet wird wie der der Carolabrücke in Dresden, die am 11. September plötzlich eingestürzt ist und so in dramatischer Weise den verheerenden Zustand der Verkehrsinfrastruktur demonstriert hat. Marco Götze, Diplomingenieur und Vorsitzender der Bundesgütegemeinschaft Instandsetzung von Betonbauwerken, kommentierte das Unglück in einer Presseerklärung:

„Von mehr als 50.000 für den Verkehr relevanten Brücken haben laut der Bundesanstalt für Straßenwesen fast 30 Prozent eine Zustandsnote von befriedigend oder schlechter. Viele haben das Ende ihrer Belastbarkeit erreicht. Das überrascht nicht, schließlich sind mehr als die Hälfte von Deutschlands Brücken über 40 Jahre alt. FDP-Verkehrsminister Wissing forderte noch im Mai ein Pensum von 400 sanierten Brücken im Jahr, um die ,Generationenaufgabe‘ Brückensanierung zu bewältigen. So lassen sich vielleicht die akutesten Infrastruktur-Notfälle in greifbarer Zeit angehen - bis bei diesem Pensum allerdings die Brücken mit einer Note von ,befriedigend‘ oder schlechter angegangen werden, dürften knapp 35 Jahre ins Land gehen. Der Brückeneinsturz muß ein Weckruf für die Politik sein, massiv in den Erhalt und die Instandsetzung der Verkehrsinfrastruktur zu investieren und diese Aufgabe zur Chefsache zu machen.”

Schon seit langer Zeit fordern Infrastrukturexperten große Investitionsprogramme, um den aufgelaufenen Reparaturstau abzuarbeiten. Ein derartiges Programm würde die Nachfrage nach Baustoffen wie Stahl, Beton etc. dramatisch steigern und könnte Zehntausende von Arbeitsplätzen absichern oder neu erschaffen. Aber dazu müßte man sich von den grünen Wunschträumen verabschieden und die Milliarden, die jetzt in die Rüstung oder in die Energiewende fließen, in den Wiederaufbau der physischen Wirtschaft und ihrer Infrastruktur lenken.
 

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