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Die Offene Verschwörung: H.G. Wells und der Kampf der Zivilisationen

H.G. Wells hatte bereits Ende des 19. Jahrhunderts die Strategie entwickelt, durch einen Kampf der Zivilisationen, einschließlich des Einsatzes modernster biologischer und chemischer, später auch atomarer Waffentechnologien, die Ausweitung des britischen Empire zum Weltimperium zu erzwingen.

In seiner Schrift Zbigniew Brzezinski und der 11. September1 warnt Lyndon H. LaRouche eindringlich vor dem "Kampf der Zivilisationen", der die Menschheit in einen dritten Weltkrieg, in einen neuen dreißigjährigen Religionskrieg zu stürzen droht. Die beiden prominentesten Verfechter des "Kampfes der Zivilisationen", Zbigniew Brzezinski und Samuel P. Huntington, beschreibt er als typische Vertreter der sogenannten "Utopier-Fraktion" im anglo-amerikanischen Militär- und Geheimdienstapparat. Die pathologische Geisteshaltung dieser Leute bezeichnet er (nach dem britischen Schriftsteller und Geheimdienstmann Herbert George Wells) als "Wellssche Mentalität". Brzezinski und Huntington, sowie auch Henry A. Kissinger, sind politische Zöglinge von Prof. William Yandell Elliott, der den Ansichten des britisch-imperialen "Utopiers" H.G. Wells (1868-1946) in Amerika Geltung verschaffte.2

Wells hatte bereits Ende des 19. Jahrhunderts die Strategie entwickelt, durch einen Kampf der Zivilisationen, einschließlich des Einsatzes modernster biologischer und chemischer, später auch atomarer Waffentechnologien, die Ausweitung des britischen Empire zum Weltimperium zu erzwingen. Die geopolitischen Ziele dieser Strategie sind nach wie vor:

1. die euro-asiatische Zusammenarbeit für den infrastrukturellen und technisch-industriellen Aufbau Eurasiens als Motor für eine neue, gerechte Weltwirtschaftsordnung zu zerstören,

2. die weltweiten Rohstoffvorkommen zu kontrollieren,

3. neomalthusianische Bevölkerungskriege zur Reduzierung der Weltbevölkerung zu führen und

4. die multipolare Weltordnung souveräner Nationalstaaten durch eine unipolare neomalthusianische Weltdiktatur eines damals britischen, heute anglo-amerikanischen Weltimperiums zu ersetzen.

Die Kernpunkte dieser Strategie veröffentlichte H.G. Wells 1928 in seiner Schrift Die Offene Verschwörung - Entwurf für die Weltrevolution.

Wells ist auch heute noch bekannt durch seine zahlreichen Science-Fiction-Romane, wie z.B. Die Zeitmaschine (1895), Die Insel des Dr. Moreau (1896), Der Krieg der Welten (1898) oder deren Verfilmungen. Weniger bekannt jedoch ist sein politisches Wirken.

Wells wurde Ende des 19. Jahrhunderts in der neuen Labour Party tätig und kandidierte später auch für das britische Parlament. Er war Mitglied im britischen Empire-Club der "Koeffizienten", in der sozialistischen "Fabian Society", im PEN-Club und in zahlreichen malthusianischen Organisationen zur Geburtenkontrolle. Im Ersten Weltkrieg leitete er die Propagandaabteilung des britischen Geheimdienstes gegen Deutschland. Und da er sich schon 1901 mit neuen Militärtechniken wie dem Panzer beschäftigt hatte, wurde er bei der technischen Verbesserung von Kriegsgerät zu Rate gezogen, ebenso später im Zweiten Weltkrieg. Zusammen mit dem Experten für bakteriologische Kriegsführung, Sir Ray Jankester, gründete Wells die "British Science Guild". Darüber hinaus war Wells jahrelang mit dem Spezialisten für chemische und biologische Kriegsführung, J.B.S. Haldane, eng befreundet. 1922 war er Delegierter Großbritanniens auf der internationalen Abrüstungskonferenz in Washington. Er arbeitete eng mit Winston Churchill zusammen und interviewte Lenin, Stalin und F.D. Roosevelt. In den USA, wo Wells im Weißen Haus mehrere Male zu Gast war, wurde das einflußreiche Magazin The New Republic nach Wells' Utopie einer "Neuen Republik" benannt.3

Antizipierung eines Weltstaates

Wells Weltsicht lag ein tiefer Pessimismus zugrunde. Er war überzeugt, daß die Menschheit sich durch den fortwährenden wissenschaftlichen und technischen Fortschritt in einem alles vernichtenden Krieg selbst zerstören werde. Nur wenn eine kleine oligarchische Elite Wissenschaft und Technik, einschließlich der modernsten Waffentechnologien, unter ihre Kontrolle brächte, könnte in einem "Weltstaat" der Weltfrieden gesichert werden. H.G. Wells' Version des Universalfaschismus hatte entscheidenden Einfluß auf die heute dominierenden Ideologien der Globalisierung und des Freihandels, des Ökologismus und des Neomalthusianismus, der nuklearen Abschreckung und des Kampfes der Kulturen.4

1901 veröffentlichte Wells erstmals in seiner Schrift Antizipierungen der Wirkung des technischen und wissenschaftlichen Fortschritts auf das menschliche Leben und Denken sein Konzept der "Offenen Verschwörung" zur Schaffung eines "Weltstaats mit einheitlicher Sprache und einheitlicher Herrschaft", den er die "Neue Republik" nannte.

Das Ziel der "Offenen Verschwörung" ist, das grundlegende Ideen- und Wertesystem des demokratisch und republikanisch verfaßten Nationalstaates und seiner Bürger durch das eines imperialen Weltstaates und seiner Untertanen zu ersetzen. Das Denken und die Moral in den Köpfen und Herzen der Menschen soll in solcher Weise kontrolliert, verändert und gelenkt werden, daß sie sogar "freiwillig" die Neue Weltordnung der "Offenen Verschwörung" wünschen. Die "Offene Verschwörung" ist eine von den Ideen her erkennbare, vernetzte Struktur von privaten und öffentlichen Personen und Institutionen, die sich - parallel zu den legitimen staatlichen Institutionen - zum Staat im Staate entwickeln soll, um diesen schließlich abzuschaffen und eine "Weltregierung" zu errichten. In den Antizipierungen schreibt Wells:

"Ich glaube, die Offene Verschwörung wird zunächst als eine bewußte Organisation intelligenter und wahrscheinlich in einigen Fällen reicher Männer erscheinen, als eine Bewegung mit ausgeprägten sozialen und politischen Zielen, die zugestandenermaßen den größten Teil des bestehenden Apparates der politischen Kontrolle ignoriert, oder ihn als beiläufiges Werkzeug zum Erreichen dieser Ziele nutzt."

Nach Wells soll die zunächst nur sehr lose organisierte Bewegung der "Offenen Verschwörung" nach und nach den Charakter eines fließenden Systems von Konzernen, Universitäten und militärischen Diensten entwickeln, die sich "wie ein Staat verhalten... eine Art offene Geheimgesellschaft... eine zwanglose und offene Freimaurerei. Auf allen erdenklichen Wegen werden sie den Apparat der vorgeblichen Regierung beeinflussen und kontrollieren."5

Die politisch-sozialen Ziele der "Offenen Verschwörung" haben einen ausschließlich darwinistisch-neomalthusianischen Charakter. Das herrschende ethische System der "neuen Republik" soll in erster Linie das Vorzügliche, das Leistungsfähige und das Schöne im Menschen hervorbringen: einen schönen und starken Körper, einen klaren und mächtigen Geist und ein wachsendes Wissen. Was oberflächlich betrachtet zunächst als human erscheint, entpuppt sich jedoch als menschenverachtendes System der "natürlichen Auslese", in dem nur der Stärkere überlebt. Wells fordert, das Minderwertige, das Armselige und Häßliche und das Bestialische zu töten:

"Für eine große Zahl von nichtswürdigen und dummen Kreaturen, angstgetrieben, hilflos und nutzlos, unglücklich, oder hassenswert glücklich in verkommener Schmach, kraftlos, häßlich, untauglich, geboren aus ungezügelter Wollust, wachsend und sich vermehrend durch bloße Unmäßigkeit und Dummheit, werden die Männer der Neuen Republik wenig Mitleid und noch weniger Wohlwollen haben."6

Der kosmopolitische Imperialist

H.G. Wells ließ nicht den geringsten Zweifel daran, daß der Vorläufer des neuen Weltstaates das britische Empire ist. 1902 wurde er Mitglied eines 14köpfigen Eliteclubs mit dem Namen "Koeffizienten". Zu ihm gehörten die späteren Minister der Liberalen Regierung im Ersten Weltkrieg Richard B. Haldane, Lord Robert Cecil, Lord Edward Grey und der "britische Rassenpatriot" Lord Alfred Milner. Die totalitären Sozialisten Beatrice und Sydney Web von der "Fabian Society" und W.S. Hewins und W.P. Reeves, Direktoren der von den Fabiern gegründeten London School of Economics (LSE), nahmen ebenfalls an den Sitzungen teil. Außerdem saßen die Geopolitiker Leo Amery und Halford Mackinder mit in der Runde. Lord Bertrand Russell stand H.G. Wells in dem Kreis am nächsten. Aus dieser Gruppe wurde später der British Roundtable (Cliveden Set) gebildet, der aus seiner Unterstützung für Adolf Hitler keinen Hehl machte. Die heute maßgeblichen geopolitischen "Denkfabriken" der anglo-amerikanischen Politik - das Royal Institute for International Affairs (RIIA) in London und der Council on Foreign Relations (CFR) in New York - sind aus diesem Roundtable hervorgegangen.7

Politischer Orientierungspunkt für den Koeffizienten-Club - darüber wachte Lord Alfred Milner, der erste Verwalter des Cecil-Rhodes-Trusts - war Lord Cecil Rhodes' Testament von 1877. Rhodes hatte verfügt, "einen Trust zu gründen für die Errichtung, Förderung und Entwicklung einer Geheimgesellschaft, deren wahres Ziel und wahrer Zweck die Ausdehnung der britischen Herrschaft über die ganze Welt ist... die Besetzung des gesamten afrikanischen Kontinents, des Heiligen Landes, des Euphrat-Tals, der Inseln Zypern und Candia (römischer Name der Insel Kreta), von ganz Südamerika, der Inseln im Pazifischen Ozean, soweit sie noch nicht in britischem Besitz sind, des gesamten Malaiischen Archipels, der Küsten Chinas und Japans durch britische Siedler und endlich die Rückeroberung der Vereinigten Staaten von Amerika als integraler Bestandteil des britischen Empire. Die Konsolidierung des gesamten Empire... die Grundlegung einer derartig großen Macht, die Kriege unmöglich macht und die besten Interessen der Menschheit fördert..."8

Die Verwirklichung dieser Ziele schien damals allerdings in weite Ferne gerückt zu sein. Die "Lincoln-Revolution" von 1861-76 hatte die USA zur wirtschaftlich mächtigsten und technologisch entwickeltsten Industrienation der Welt gemacht. Das Erfolgsmodell des Amerikanischen Systems der politischen Ökonomie verbreitete sich über den ganzen Globus. Die Meiji-Restauration leitete die industrielle Revolution in Japan ein. Frankreich, Deutschland, Rußland und China unternahmen gemeinsame Anstrengungen, den gesamten eurasischen Kontinent durch Eisenbahnen infrastrukturell zu erschließen und einer industriellen Entwicklung nach amerikanischen Modell zuzuführen. Die globale Vormachtstellung des britischen Empire war dadurch existentiell bedroht. Unter den Lords des Empire breitete sich Panik aus.

H.G. Wells, der sich inzwischen als "kosmopolitischer Imperialist" fühlte, wollte unter allen Umständen das Empire und dessen Wirtschaftssystem des Freihandels retten. Er schlug vor, keine größere Selbständigkeit der Kolonien mehr zuzulassen. Die Gründung Südafrikas und Rhodesiens z.B. verurteilte er:

"Ich dachte, es wäre besser gewesen, Südafrika vereint und als Teil eines großen weltweiten Systems zu halten, als zwei engstirnigen Republiken zu erlauben, die Lebenskraft der Kaffir [Bantu-Völker] und den Reichtum an Mineralien einer großen Region zu monopolisieren, die der ganzen Menschheit nützen sollten. Ich habe Nationalismus niemals für eine plausible Rechtfertigung dafür gehalten, große Gebiete potentiellen Reichtums zu sterilisieren, nur weil rückständige Völker gerade dort lebten. Die ganze Erde gehört der ganzen Rasse."9 "Der ganzen Rasse" bedeutete selbstverständlich "dem britischen Empire", das diese Gebiete als seinen alleinigen Besitz ansah.

Viel wichtiger jedoch als die bloße Verteidigung des bestehenden Kolonialbesitzes war für Wells seine Strategie der "offenen Hand": Das Empire sollte durch Verschmelzung mit anderen Großmächten zu einem Weltstaat ausgedehnt werden. "Die Idee einer eventuellen Verschmelzung des Empire mit anderen Mächten zu einer umfassenden Weltkontrolle, tauchte tatsächlich regelmäßig auf", erinnerte sich Wells später an die Gespräche im Koeffizienten-Club. "Wir hatten einen Pool im Kopf. Das Empire wurde als friedfertiger Vorläufer eines praktischen Weltstaates betrachtet. Unsere ,Rohstoff'-Besitzungen wurden als Teil des gemeinsamen Besitzes des Menschengeschlechts, als unsere Beteiligung am Trust gesehen; unsere Marine als Weltpolizei, die zuletzt so entnationalisiert wäre wie die Templer-Ritter."10

1928 stellte Wells in seiner bereits erwähnten Schrift Die Offene Verschwörung - Entwurf für die Weltrevolution ausführlich dar, wie die umfassende Weltkontrolle des neuen "friedfertigen Weltstaates" aussehen und wie sie durch die Methoden der "Offenen Verschwörung" verwirklicht werden sollte. Seine damaligen Pläne sind im Laufe der letzten 75 Jahre bereits in erschreckendem Umfang Wirklichkeit geworden.

Pax Britannica - Pax Universalis

"Will man das unbestrittene Übel des Krieges vermeiden, will man jenen Grad von Wohlstand und Kraft erreichen, der uns jetzt vorschwebt, so muß eine wirksame Weltkontrolle nicht nur der Rüstungen, sondern auch der Produktion und des Warenmarktes, der Völkerbewegung und der Bevölkerungszunahme einsetzen. Es ist unsinnig, anders als auf der Grundlage einer solchen Kontrolle von Frieden und weltumfassendem Fortschritt zu träumen."11

Das neue Weltimperium wird weder nach den Prinzipien freiheitlicher, demokratisch und republikanisch verfaßter souveräner Nationalstaaten regiert, in denen das Volk der Souverän ist, noch von einem einzelnen Führer, sondern von einem sog. "Weltdirektorat". Dieses hat die Oberaufsicht über Land und Meer und kontrolliert den gesamten globalisierten Wirtschaftsprozeß, von der Gewinnung und Verarbeitung der Rohstoffe bis zur Warenproduktion, dem Warenverkehr und der Warenverteilung. Es stützt sich dabei auf eine Weltbankorganisation, ein globales "Central-Intelligence-Office" und andere zu schaffende supranationale Körperschaften. Diese weltweite Planwirtschaft des Weltdirektorats erfordert eine Revision der Eigentumsverhältnisse in Richtung Kollektivbesitz.

"Das Rohmaterial der Erde sollte allen gehören, dürfte nicht von einem erwerbsüchtigen Individuum oder einem raffenden Staat monopolisiert und seine Ausbeutung zum allgemeinen Besten nicht unterbunden werden durch zufällig vorhandene Ansprüche auf territoriale Vorrechte, die dieser oder jener rückständige oder geschäftstüchtige Einzelne oder Stamm geltend macht." Im Zuge der Globalisierung werden die freischaffende Selbständigkeit und der Privatbesitz abgeschafft. Der Grund-, Gruben-, und Fabrikbesitzer mutiert zum Pächter, Hausverwalter, Konzessionsinhaber und Landarbeiter. "Diese Fusionen und Kombinationen, diese Verdrängung der vielen kleinen Geschäfte durch umfassende Konzerne, dieser ganze Wandel vollzieht sich mit der Grausamkeit und Rücksichtslosigkeit eines Naturereignisses."

H.G. Wells war ein erklärter Anhänger der "Globalisierung" im Sinne der von Adam Smith geprägten britischen Freihandelsideologie. Jedoch betrachtete er die ökonomischen Ideen und den Internationalismus des marxistischen Sozialismus als zweite Seite derselben Medaille, weil am Ende beide zur Abschaffung des souveränen Nationalstaates, dem Haupthindernis zur Verwirklichung eines neuen Weltimperiums, führen würden.

Wells behauptete, die bloße Existenz von Nationalstaaten müsse notwendigerweise zu kriegerischen Auseinandersetzungen führen, deshalb sollten sie eliminiert werden. In Wirklichkeit wurde die Idee des Nationalstaates jedoch aus der Verantwortung für das Gemeinwohl aller Bürger geboren. Die politische Institution des souveränen Nationalstaates entstand im Kampf gegen die Unterdrückung des Menschen durch die unterschiedlichsten Formen imperialer bzw. oligarchischer Herrschaft. Das beste Beispiel dafür sind die Vereinigten Staaten von Amerika, die aus dem Unabhängigkeitskrieg gegen das britische Empire als souveräner Nationalstaat, als erste verfassungsmäßige Republik in der Menschheitsgeschichte, hervorgingen. Die Zusammenarbeit von souveränen Nationen auf der Basis des amerikanischen Systems der politischen Ökonomie stellte den einzig wirksamen Schutz gegen die freibeuterische Freihandelspolitik des britischen Empire dar und führte zu den bahnbrechenden technisch-industriellen Revolutionen des 19. und 20. Jahrhunderts. Genau das ist es, was Wells und seine utopischen Anhänger zerstören wollen, und dazu ist ihnen jedes Mittel recht:

"Der Weltstaat (muß) seine eigenen wissenschaftlichen Methoden der Vorbeugung haben, solange es auf unserem Planeten noch Menschen geben wird, die mit Fahnen, Uniformen und Waffen herumlaufen, bereit, im Namen der nationalen Geltung ihrem Nachbarn Gewalt anzutun und den freien Warenaustausch zu verhindern", und "da nun einmal in der heutigen Welt Armeen bereitstehen, um gewalttätig vorzugehen, so muß die Offene Verschwörung in sich hinreichende Möglichkeiten bereithalten, militärischer Gewalt zu trotzen und Armeen, die sich ihr in den Weg stellen, zu bekämpfen und zu vernichten."

Der Kampf der Kulturen

In den "atlantischen Zivilisations- und Staatsgemeinschaften" Westeuropa und Amerika lokalisierte H.G. Wells die Widerstände gegen die Ziele der "Offenen Verschwörung" in jenem "patriotischen Komplex", der das Prinzip der Souveränität der Nationalstaaten keinesfalls aufgeben will. Und in den Entwicklungsländern, stellte Wells fest, stoße der Plan der "Offenen Verschwörung" sogar insgesamt auf Ablehnung. Sie würden den Plan als ausgeklügelten Versuch des Westens ansehen, sie noch intensiver als bisher auszuplündern und zu unterjochen. Aus dieser Analyse der weltweiten Widerstände gegen die "Offene Verschwörung" zur Schaffung eines neuen Weltimperiums entwickelte Wells die Strategie des "Kampfes der Kulturen". Dieser ziele nicht so sehr auf die Entwicklungsländer ab, sondern solle vielmehr - damals wie heute - die europäische Idee des am Gemeinwohl orientierten souveränen Nationalstaates in den atlantischen Zivilisationsgemeinschaften beseitigen, so daß sich die westeuropäischen Staaten und Amerika der "Offenen Verschwörung" beugen würden.

"Zum Teil werden sich diese kritischen Widerstände der verfallenden Gemeinwesen außerhalb der atlantisch-kapitalistischen Sphäre nicht so sehr gegen die sich entwickelnden Methoden der kommenden Weltgemeinschaft richten, als vielmehr gegen die westlichen Traditionen und Vorbehalte, die sich hemmend über sie gelagert haben, und insoweit kann der Zusammenprall des Ostens und des Westens den Zielen der Offenen Verschwörung sogar förderlich sein. Über dem Kampf der alten Traditionen und der daraus erwachsenden heillosen Verwirrung vermag es sehr wohl zu einer schnellen Annahme der auf die Offene Verschwörung abzielenden Ideenverbindungen kommen."

Generell konzentriert sich die "Offene Verschwörung" in ihrer Tätigkeit auf die atlantischen Staaten, deren Regierungen sie als vorübergehende Einrichtungen betrachtet. Die souveränen Nationalstaaten sollen geschwächt und in ein Instrument der "Offenen Verschwörung" verwandelt werden, um insbesondere ihr Gewaltmonopol, d.h. ihre Polizei- und Militärgewalt, zur Herbeiführung eines Weltimperiums zu benutzen:

"Es ist nicht einzusehen, weshalb die Offene Verschwörung, die auf dem Prinzip der Verneinung eines jeglichen Nationalismus beruht, schädliche und halsstarrige Staatswesen nur darum schonen sollte, weil gerade sie auf ihrem Fleckchen Erde das Prinzip des Nationalismus aufrecht erhalten wollen. Die atlantischen Staaten haben es in der Hand, den Frieden über die ganze Welt zu verbreiten und von einem Ende der Erde bis zum andern die Freiheit der Bewegung zu gewährleisten."

Wells bestreitet vehement, daß es sich bei dieser imperialen Einmischung in nationale Angelegenheiten um ein Verbrechen handelt, denn "es zeugt von phantastischer Engherzigkeit, wenn man mit der Schaffung friedlicher und geordneter Zustände auf der ganzen Welt so lange warten will, bis alle Welt der Offenen Verschwörung beigetreten ist".

Die "Offene Verschwörung" ist eine universalfaschistische Bewegung, deren organisatorischer Aufbau nach dem Vorbild der italienischen Fascis gestaltet ist. Wells formuliert sechs Kernpunkte als Leitmotiv für die Aktivitäten dieser Bewegung einer faschistischen Weltrevolution:

"1. Wir stehen unerschütterlich auf dem Standpunkte, daß jede bestehende Regierung und unsere Zustimmung zu ihr nur provisorischen Charakters ist - und handeln danach.

2. Wir sind entschlossen, mit allen verfügbaren Mitteln die Konflikte zwischen diesen Regierungen, ihren Mißbrauch von Menschen und Eigentum zu militärischen Zwecken und ihren Widerstand gegen die Errichtung eines Weltwirtschaftssystems auf ein Minimum herunterzudrücken.

3. Wir verlangen die Übereignung des privaten, kommunalen oder staatlichen Eigentums, zumindest in den Fällen des Kredit- und Transportwesens wie auch der Massengüterproduktion an ein der Allgemeinheit verantwortliches Weltdirektorat, das nur die allgemeinen Ziele der Menschheit im Auge haben darf.

4. Wir bestehen auf praktischer Anerkennung der Notwendigkeit, biologische Fragen, wie die der Bevölkerungsdichte und der Volksgesundheit, einer Weltkontrolle zu unterwerfen.

5. Mit Gültigkeit für die ganze Welt muß dem Individuum ein Minimum an Freiheit und Wohlstand gewährleistet werden. Und

6. Als oberste Pflicht gilt der Einsatz des persönlichen Daseins für die Ziele der Errichtung eines Weltdirektorats, das zur Durchführung dieser Aufgaben und zur allgemeinen Förderung menschlichen Wissens, Könnens und Vermögens fähig ist."

Die "Offene Verschwörung" soll ein breites politisches Spektrum nichtstaatlicher und halbstaatlicher Bewegungen, wie z.B. pazifistischer, ökologischer und Bewegungen zur Geburtenkontrolle, schaffen. Wells sah die Einschränkung der Geburtenziffer - zum damaligen Zeitpunkt lebten knapp zwei Milliarden Menschen auf der Erde - als wichtigste Aufgabe der "Offenen Verschwörung" und des Weltimperiums an.

Wells und Hitler

In seiner Autobiographie teilt Wells mit, daß er schon als 13Jähriger Hitlers spätere Rassenideen im Kopf gehabt habe, und später überzeugt war, daß Hitler, je mehr er über ihn erfuhr, sogar sein geistiger Zwillingsbruder sei.12

Was vielleicht zunächst eine Verirrung des jugendlichen Wells war, festigte sich im Laufe seines Studiums zu einem geschlossenen Weltbild. Wells erhielt 1884 ein Stipendium für das Studium an der Normal School of Science in South Kensington und wurde dort drei Jahre von Thomas H. Huxley unterrichtet. Huxley, der lautstärkste Verfechter von Charles Darwins Evolutionstheorie, brachte ihm die Theorien von Spencer, Darwin und Malthus bei. Später ließ Huxley seine beiden Enkel Aldous und Julian bei Wells in die Lehre gehen. Sie wurden Schlüsselfiguren bei der Einführung der Rock-Drogen-Sex-Gegenkultur als Gehirnwäschetechnik zur sozialen Kontrolle sowie des völkermörderischen Neomalthusianismus nach dem Zweiten Weltkrieg.13

Wells bezeichnete seine universalfaschistische Ideologie vom "Kampf ums Überleben", der "natürlichen Auslese" und dem "Überleben des Stärkeren" als "Human-Ökologie". Diese besagt, daß der Mensch den gleichen ökologischen Gesetzmäßigkeiten unterworfen sei wie alle anderen Lebewesen auch. Im Kampf ums Dasein zähle allein die Fähigkeit, sich durch die "natürliche Auslese" der Eliminierung nichtanpassungsfähiger entarteter Individuen an die kontinuierlich verändernde Umwelt anzupassen, um das ökologische Gleichgewicht wieder herzustellen. Bisher sei die Tierart Mensch zwar ein einzigartiger biologischer Erfolg, der wissenschaftlich-technische Fortschritt habe zu einer kontinuierlichen Verbesserung der Lebensbedingungen einer ständig wachsenden Weltbevölkerung geführt, doch dieser Erfolg müsse durch den beschleunigten Verbrauch der natürlichen Ressourcen in einer jähen Katastrophe enden.

Bisher hätte noch der Krieg, den Wells auch als das "Freiwerden überschüssiger Energie" bezeichnet, für die Beseitigung des "entarteten Gedränges" der Überbevölkerung und damit für das ökologische Gleichgewicht gesorgt. Doch unter den neuen technologischen Bedingungen sei der Krieg kein geeignetes Mittel mehr zur Anpassung, sondern drohe die ganze Menschheit auszulöschen. Für Wells bedeutet der permanente wissenschaftlich-technische Fortschritt und seine industrielle Anwendung das Ende der Evolution. Diese Ende-der-Evolutionstheorie liegt jenem pathologischen Pessimismus zugrunde, der in den letzten Jahrzehnten durch Institutionen wie den Club of Rome (COR) und den World Wide Fund for Nature (WWF) sowie alle neomalthusianischen Öko-Bewegungen gesellschaftsfähig gemacht wurde. Wells glaubte, daß die Evolution nur durch eine neomalthusianische Weltdiktatur gerettet werden könnte.

"Der Weltfrieden wird immer eine leere Hoffnung bleiben, solange man nichts an die Stelle des gegenwärtigen Wettlaufs der Staaten um die Beherrschung des Marktes und des Rohmaterials zu setzen und das bedrohliche Anwachsen der Bevölkerungsziffer nicht einzudämmen weiß." Wells beantwortete die "Kardinalfrage der Bevölkerungsdichte" im malthusianischen Sinne: Am Tisch der Natur haben nicht alle Platz. "Nur durch kluge Beeinflußung der Bevölkerungszahl vermag der Mensch sich außerhalb des Existenzkampfes zu stellen, der bisher für die Abwandlung der Arten bestimmend war. Eine andere Möglichkeit, diesen Kämpfen zu entgehen, gibt es für ihn nicht."

Wells vertrat diese völkermörderische Politik u.a. als Vizepräsident der 1921 entstandenen "Gesellschaft für konstruktive Geburtenkontrolle". Deren Präsidentin Marie Stopes sympathisierte mit der von Darwins Vetter Francis Galton 1908 gegründeten "Eugenikgesellschaft", die eine menschliche Superrasse züchten wollte. Geburtenkontrolle und Sterilisation der Schwachen und Armen waren fester Bestandteil von Stopes' und Wells' Programm, ganz besonders für die damaligen Kolonialgebiete, wo Wells "eine erschreckende Zunahme der geringwertigen Bevölkerung, von Leuten, die körperlich und geistig unterwertig sind", festgestellt hatte.

Außerdem verfaßte Wells die Einleitung zum 1922 erschienenen Buch Pivot of Civilisation der amerikanischen Neomalthusianerin und Rassistin Margret Sanger. Mit ihr hatte der mehrmals verheiratete Wells eine seiner zahlreichen Liebesaffären. Margret Sanger war von Emma Goldmann, der Priesterin der "freien Liebe", in der Anarchistenszene aufgelesen worden. Einer von Emmas Liebhabern hatte 1901 den amerikanischen Präsidenten McKinley erschossen, der eine industrielle Schutzzollpolitik gegen das britische Empire betrieben hatte. Einem Gerichtsprozeß wegen Unterstützung der freien Abtreibung entzog sich Sanger durch Flucht nach England. Dort lernte sie Haveloch Ellis kennen, der über 50 Bücher über verschiedene Sexualpraktiken verfaßt hatte und sie in den Gebrauch von Mescalin einführte.

Ellis, ein weiterer Liebhaber Sangers, verkehrte in den Kreisen von H.G. Wells, Aldous und Julian Huxley, Bertrand Russell, John Maynard Keynes und George Bernhard Shaw. Er war überzeugter Eugeniker und saß im Vorstand der englischen "Eugenics Education Society" und der "Weltliga für Sexualreform".14 Wells betrachtete die damalige Eugenik aber als noch nicht praktikabel, um durch "bewußte Zuchtwahl... die allgemeine Geburtenquote oder die Quote bestimmter Typen zu bestimmen". Das erhoffte er sich in Zukunft von den gentechnischen Forschungen in New York, über die er sehr gut unterrichtet war. Um diese zu beschleunigen, schlug Wells eine "fortschrittliche Weltorganisation für reine Forschung" vor, "die durch keine moralischen, soziologischen und ,praktischen' Betrachtungen beschwert ist".

Keine Utopien, sondern Imperative

Wells darwinistisch-neomalthusianische Weltanschauung prägt auch seine Science-Fiction-Romane. In ihnen erzählt Wells keine utopischen Geschichten, sondern erarbeitet detaillierte Szenarien für seine politischen Strategien. Am Vorabend des Ersten Weltkrieges, von dem Wells erhoffte, es sei der Krieg, der alle Kriege beenden würde, formulierte Wells eine neue Variante "umfassender Weltkontrolle", die sich auf die Kraft einer neuen Waffentechnik stützten sollte - auf die explosive Kraft der Kernwaffen. 1914 führte er mit der Veröffentlichung seines Romans Befreite Welt den Begriff der "Atombombe" in der Öffentlichkeit ein.

Er widmete das Buch dem Physiker und Chemiker Frederick Soddy. Dieser hatte 1908 in Glasgow eine Vorlesungsreihe über Radium und Radioaktivität durchgeführt und sie ein Jahr später als Buch veröffentlicht. Soddy war davon überzeugt, daß mit der Beherrschung der Atomenergie ein neues Zeitalter nahezu unendlicher Energieversorgung für die Menschheit anbrechen werde. Wells jedoch faszinierten vor allem die zerstörerischen Möglichkeiten der neuen Energiequelle. Er glaubte, durch die Schrecken eines Atomkrieges, schon durch die bloße Androhung von Atomschlägen könnte die terrorisierte Menschheit, könnten die ihm verhaßten souveränen Nationalstaaten zur Akzeptanz einer neuen Weltordnung gezwungen werden, einer "Weltregierung", die den Weltfrieden mit nuklearer Waffengewalt sichere.

Zu Beginn seines Romans Befreite Welt läßt Wells den Professor begeistert über seine Forschungen berichten:

"Das ist das Wunderbarste an dieser Entdeckung. Noch vor kurzem war das Atom für uns etwas Ähnliches wie ein Ziegelstein, ein solides Baumaterial, ein fester Stoff, eine einheitliche Menge lebloser Materie, und siehe da! Diese Ziegelsteine sind Truhen, Schatztruhen, Truhen voll geballter Energie... Und in dieser Flasche, meine Damen und Herren, in den Atomen, die diese Flasche enthält, schlummert fast ebensoviel Energie, wie wir durch Verbrennung von hundertsechzig Tonnen Kohle erhalten. Wenn ich diese Energie jetzt in diesem Augenblick auf einmal freimachen könnte, würde sie uns und unsere gesamte Umgehung zerreißen; wenn ich sie in das Elektrizitätswerk unserer Stadt leiten könnte, würde sie Edinburgh eine Woche lang hell erleuchten. Aber bisher weiß kein Mensch, bisher hat kein Mensch auch nur die leiseste Ahnung, wie dieses kleine Quantum Materie dazu gebracht werden kann, seine Energie rascher freizugeben... Stellen Sie sich vor, wir fänden eine Möglichkeit, diesen Zerfall zu beschleunigen?... Jedes Stückchen fester Materie auf der Welt würde zu einem Reservoir geballter Energie werden...

Es würde eine derart große Veränderung im menschlichen Leben bedeuten, daß ich sie nur mit der Entdeckung des Feuers vergleichen kann, dieser ersten Entdeckung, mit der sich der Mensch über das Tier erhob. Wir stehen heute vor der Radioaktivität ebenso wie unser Urahne vor dem Feuer, als er noch nicht wußte, wie es zu entfachen war. Er kannte es als etwas, über das er keine Macht hatte, als Flammen über dem Gipfel eines Vulkans, als rote Zerstörungskraft, die sich durch den Wald fraß. Ebenso geht es uns heute mit der Radioaktivität. Das - das ist die Morgenröte eines neuen Zeitalters. Am Höhepunkt dieser Zivilisation, die ihre Anfänge im behauenen Steindustel und dem Kienspan des Wilden hatte, und gerade zu dem Zeitpunkt, da es offensichtlich wird, daß unsere stets wachsenden Bedürfnisse nicht unbegrenzt durch unsere derzeitigen Energiequellen befriedigt werden können, entdecken wir plötzlich die Möglichkeit einer vollkommen neuen Zivilisation. Die Energie, die wir für unsere Existenz benötigen und mit der die Natur bisher so gegeizt hat, liegt in Wirklichkeit überall um uns in unvorstellbaren Mengen verborgen. Wir können heute den Schlüssel dazu noch nicht finden, aber - "15

Im Roman wird im Jahre 1953 die Atomenergie schließlich beherrscht, doch alle Hoffnungen und Erwartungen auf ein neues goldenes Zeitalter werden bitter enttäuscht. Die Einführung der neuen Technologie in Form von "Atommaschinen" führt zum Zusammenbruch der konkurrierenden Kohle-, Öl-, und Stahlindustrie. Streiks und soziale Unruhen brechen aus und führen zu politisch-gesellschaftlichem Chaos. 1956 bricht der Weltkrieg aus, es kommt zum Einsatz von Atombomben und die Hauptstädte aller Nationen werden zerstört.

"Und nun, unter dem Schock der Atombomben, waren große Teile der Bevölkerung, die sich bisher in ungeheuren schmutzigen Städten zusammengedrängt hatten, entwurzelt und strömten mit katastrophalen Auswirkungen in die ländliche Umgebung. Es war, als hätte eine grausame Macht schließlich die Geduld mit der menschlichen Unvernunft verloren und mit Bedacht die Welt erschüttert, um die Bevölkerung zweckmäßiger zu verteilen... In manchen Teilen der Welt herrschten Hungersnöte, und vielerorts wüteten Seuchen... Die Atomkatastrophe, die die Menschen aus den Städten, aus ihrem Geschäftsleben und ihren ökonomischen Beziehungen vertrieb, erschütterte auch die überkommene Denkweise und die unreflektierten Überzeugungen und Vorurteile, die sie von ihren Vorfahren übernommen hatten. Um einen Ausdruck aus der alten Chemie zu gebrauchen, die Menschen wurden in den Entstehungszustand versetzt; sie wurden von alten Bindungen befreit und waren auf Gedeih und Verderb zu einer neuen Gesellschaftsbildung bereit."16

Am Schluß schließen sich verschiedene Führungspersonen, die die Mehrzahl der Atombomben unter ihrer Kontrolle haben, zu einer "Weltregierung" zusammen, zwingen alle noch aufmüpfigen Nationen dazu, ihre Staatlichkeit aufzugeben, und rufen einen neuen "Weltstaat" ins Leben.

Für Wells waren seine Utopien aber keine apokalyptischen Spielereien. Mit Befreite Welt leitete Wells in der Tat die Ära des nuklearen Schreckens und der Strategie der "gegenseitig gesicherten Zerstörung" (MAD) ein, die nach dem Zweiten Weltkrieg die Schrecken des Kalten Krieges bestimmte. In ähnlicher Weise kündigte Wells 1933 in seinem Roman The Shape of Things to Come an, daß ein neuer Weltkrieg 1940 in Polen ausbrechen und der Einsatz von Atombomben und der Ausbruch der Pestilenz die Hälfte der Menschheit dahinraffen werde. Schließlich werde eine neue Herrenrasse den von ihr erzwungenen Weltstaat errichten und beherrschen. Wells beschrieb hier keine Utopien, sondern Imperative, wie er 1935 selbst betonte.17

Ein fundamentalistischer Kult

"Eine auf unsere Zeit umgestellte Religion macht den Kampf um die Errichtung eines Weltstaates zur obersten Pflicht."18 Die "Offene Verschwörung" ist nichts anderes als ein neuer, gegen die monotheistischen Religionen, aber insbesondere gegen die christliche Religion gerichteter synthetischer Kult. Sie will zwei zentrale Ideen der monotheistischen Religionen zerstören: 1. die Idee eines Schöpfergottes als das absolut Gute und 2. die Idee des Menschen als lebendiges Abbild Gottes, der sich kraft seiner Vernunft unendlich vervollkommnen und dem Schöpfergott ähnlich werden kann.

"Solange wir vom Guten in der Welt sprechen können, sagen einige, können wir von einem Gott sprechen. Gott beschließt in sich die Möglichkeit zum Guten, er ist das Prinzip des Guten in der Welt." Wells brüstet sich damit, hiergegen zur Aushöhlung des Gottesbegriffes entscheidend beigetragen zu haben, indem er das Gute vom Begriff des Gottes abgetrennt habe. "Das Wort bleibt, obschon der Begriff sich immer mehr verflüchtigt. Gott rückt der Wirklichkeit fern und ferner, und Seine Ausdeutung wird in immer steigendem Maße eine Zusammenfassung von Negationen, bis Er schließlich in Seiner Rolle als das Absolute ein völlig negatives Gepräge bekommt." Gegen den Schöpfergott der monotheistischen Religionen setzt Wells die Götzen "Weltstaat" und "Evolution", denen sich der Mensch zu unterwerfen habe.

"Wir denken nicht mehr an Unterwerfung unter die unumstößlichen Gebote einer absoluten Gewalt... Es gibt keinen Sündenfall, um den Widerstreit von Gut und Böse zu erklären, es gibt nur einen stürmischen Aufstieg. Das Leben, wir wissen es, ist nichts als ein immerwährender Anfang."

Die "Offene Verschwörung" verdirbt die Seele des Menschen, zerstört sein Gewissen, seine Moral und macht ihn zum willenlosen Geschöpf unveränderlicher ökologischer Gesetze. Des Menschen Unsterblichkeit löst sich in Nichts auf. "In dem Maße, in dem das Einzelwesen an Bedeutung verliert, wird auch das Ideal der inneren Vollkommenheit zurückgedrängt. Wir denken nicht mehr daran, unser Selbst zu ertöten, zu läutern, zu vervollkommnen, wir wollen uns an ein umfassenderes Dasein verlieren. Wir denken immer weniger daran, das Ich zu unterjochen, und immer mehr uns vom Ich zu befreien... Der oberste Satz in dem neuen Glaubensbekenntnis muß daher nicht heißen: ,Ich glaube' sondern: ,ich gebe mich hin'."

Diese Art der "Hingebung" hält Wells für das Wesen aller Religion und will sie seinem Götzen "Weltstaat" dienstbar machen. Seiner Priesterschaft der "offenen Verschwörer" legt Wells nahe:

"Im äußersten Falle wird der Mensch zu einem streitsüchtigen, bösartigen, gefährlichen und grausamen Tier. Und nur wenige von uns, ja, keiner von uns ist in dieser Hinsicht seiner selbst sicher... Unser Geist muß von allen diesen abgebrauchten und belastenden Ansichten und Wertungen gesäubert werden, wenn anders der neue Glaube freies Spiel haben soll. Und nicht nur unser Geist, sondern auch der Geist all derer, die unsere Verbündeten sein oder werden könnten... Halte unsere Bewegung von bösen Gefühlen rein; bedenke, daß der Mensch ein bösartiges Tier ist, und daß du ein Mensch bist."

Wells schlug vor, die "Offene Verschwörung" sollte diese Art der Gehirnwäsche mit Methoden der Psychologie und Massenpsychologie bei der Jugend anwenden, um "bessere" Menschen zu züchten. Er nannte das "Kulturkampf" oder den "Kampf um die Erziehung". Als Grundlage dafür verfaßte er eine dreiteilige Enzyklopädie, die er die "Provisorische Bibel" der "Offenen Verschwörung" nannte, worin er seine darwinistisch-malthusianische Ende-der-Evolutionstheorie weiter ausführte.19 Wells schwebte eine Weltenzyklopädie vor, eine Sammlung von biologischen Tatsachen, die für jeden jederzeit abrufbar sein sollte (durchaus ähnlich der heutigen Vorstellung von einer Informations- bzw. Wissensgesellschaft per Internet, aber wohl offenbar nach Wellschen Vorstellungen kontrolliert).

Die "Offene Verschwörung" spricht dem Menschen seine Würde ab, sie will ihm die Freiheit rauben und ihn in einem Weltimperium unterjochen. Doch im Gegensatz zur Wellschen Auffassung, ist der Mensch kein bösartiges Tier, das den ökologischen Gesetzen willenlos ausgeliefert ist. Vielmehr unterscheiden ihn seine kognitiven Fähigkeiten, seine Fähigkeit zu wahrer Erkenntnis und höherer Einsicht, zu schöpferischem Denken, zur Entdeckung neuer physikalischer universeller Prinzipien und seine unendliche Erfindungsgabe grundsätzlich von allen anderen Lebewesen. Er verändert sich und seine Umwelt durch Ideen, in Form des wissenschaftlich-technischen Fortschritts. Diese kognitiven Fähigkeiten geben dem Menschen eine (wie der russische Wissenschaftler Werndaskij sagen würde) "geologische" Kraft, die Biosphäre derart zu verändern, daß das relative Bevölkerungspotential der Menschheit wächst und damit auch die Macht und Verantwortung des Menschen für das Universum. Dieses jedem Menschen innewohnende Potential schöpferischer Vernunft macht ihn zum Ebenbild Gottes, darin liegt seine Würde und Freiheit begründet. Und hieraus wird er auch die Kraft schöpfen, das bösartige Gespenst eines neomalthusianischen Weltimperiums der "Offenen Verschwörung" schließlich zu verscheuchen.

Stephan Marienfeld

Anmerkungen

1. Lyndon H. LaRouche, Zbigniew Brzezinski and September 11th, EIR, Vol. 29, No. 1, 11.1. 2. Stanley Ezrol, "How the Lost Corpse buried America's Intellectual Tradition", EIR, Vol. 28, No. 29, 3.8.2001.

3. Stuart Rosenblatt, "Walter Lippmann and the Cult of Public Opinion", EIR Vol. 28, No. 23, 12.6.2001.

4. Lyndon H.LaRouche, "The Wells of Doom", EIR Vol. 24, No. 51, 19.12.1997.

5. Carol White, The New Dark Age Conspiracy, New Benjamin Franklin House, New York 1980.

6. Wells et al., In Their Own Words, siehe 4.

7. siehe 5.

8. Harald Herrmann, "Das neue finstere Zeitalter der britischen Oligarchie", in: Sind die Ziele und Aktivitäten Otto von Habsburgs und der Paneuropa-Union verfassungswidrig?, Campaigner Publications, Wiesbaden 1979.

9. H.G. Wells, The Way the World is Going - Guesses and Forecasts of the Years ahead. Doubleday, Doran, New York 1929.

10. ebenda.

11. H.G. Wells, Die Offene Verschwörung, Paul Zsolnay Verlag, Berlin, Wien, Leipzig 1928; auch alle folgenden Zitate, wenn nicht ausdrücklich anders vermerkt.

12. H.G. Wells, Experiment in Autobiography, New York, Macmillan, 1934.

13. Zu Aldous Huxley siehe Carol Greene, Der Fall Charles Manson. Mörder aus der Retorte, Dr. Böttiger-Verlags-GmbH, Wiesbaden 1992. Zu Julian Huxley siehe Gabriele Liebig, "Die Menschheit ist unter Attacke", Neue Solidarität Nr. 37, 12.9.2001

14. Elke Fimmen, "Die Geschichte der Bevölkerungskontrolle", in: Die Entvölkerungsstrategie der Vereinten Nationen, EIRNA-Studie, Wiesbaden 1994.

15. H.G. Wells, Befreite Welt, Paul Zsolnay Verlag, Wien 1985.

16. ebenda.

17. H.G. Wells, The New America: The New World.

18. H.G. Wells, Die Offene Verschwörung, Paul Zsolnay Verlag, Berlin, Wien, Leipzig 1928; auch alle folgenden Zitate, wenn nicht ausdrücklich anders vermerkt.

19. H.G. Wells, The Outline of History, 1923; The Science of Life, 1931; The Work, Wealth and Happiness of Mankind, 1932.

Neue Solidarität Nr. 11/2002