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Scheinheilige Sterbehilfe-Debatte

Man hätte fast darauf warten können. Inmitten der Turbulenzen um die sogenannte "Gesundheitsreform" ist wie nach Drehbuch auch die Debatte um die Sterbehilfe erneut entbrannt. Wenn Menschen zunehmend nur noch als Kostenfaktor gesehen werden, erhalten jene neodarwinistischen Kräfte immer mehr Auftrieb, die schließlich auch das menschliche Leben selbst verfügbar machen wollen.

Der eklatanteste Fall ist der Vorstoß einer Gruppe Bundestagsabgeordneter unter Führung von Rolf Stöckel (SPD), die in Deutschland die Sterbehilfe zulassen wollen. Stöckel ist auch führendes Mitglied im "Humanistischen Verband Deutschland" (HVD) und kündigte ausgerechnet kurz vor Ostern an, er wolle mit einem "Gesetz zur Autonomie am Lebensende" das Strafrecht so ändern, daß Tötung auf Verlangen nicht mehr unter allen Umständen rechtswidrig und strafbar ist. Maßgebliches Instrument dazu solle eine Patientenverfügung sein, die es Menschen erlaube, verbindliche Vorkehrungen für den Fall zu treffen, daß sie ihren Willen nicht mehr kundtun können.

Stöckels Bemühungen gehen dahin, einen fraktionsübergreifenden Antrag für eine Gesetzesänderung der Paragraphen 1904 BGB und 216 StGB einzubringen. In beiden Fällen soll die Rechtsverbindlichkeit von Patientenverfügungen unumstößlich festgelegt werden. Der Paragraph 1904 BGB soll dahingehend geändert werden, daß z.B. bei der von Angehörigen geforderten Einstellung der Sondenernährung eines Schwerstkranken eine Genehmigung des Vormundschaftsgerichtes entfallen soll, wenn "die/der Betreute seine Einwilligung dazu ausdrücklich oder durch eine konkret formulierte Patientenverfügung erklärt hat".

Der Paragraph 216 StGB soll einen Absatz 3 erhalten, der besagt: "Ein Unterlassen oder ein Abbruch lebensverlängernder Maßnahmen, der auf dem Wunsch der/des Verstorbenen beruhte, ist nicht rechtswidrig, wenn dieser Verzicht von der/dem Verstorbenen ausdrücklich oder durch eine gültige Patientenverfügung erklärt ist."

Hiermit ist die Stoßrichtung klar umrissen, mit der die Euthanasielobby versuchen will, Deutschland in das unselige Fahrwasser der Entwicklungen in den Niederlanden, Belgien und der Schweiz zu bringen. In Deutschland ging Stöckels Gesetzesantrag eine jahrelange Kampagne um Patientenverfügungen voraus, deren Aussage absolute Rechtsverbindlichkeit erhalten soll. Dann könnten nämlich Menschen dementsprechend manipuliert werden, ihren Sterbewunsch in einer Patientenverfügung zu formulieren, der dann selbst bei veränderter Meinungslage kein Arzt oder Betreuer mehr zuwiderhandeln dürfte.

Die Sterbehilfe à la Stöckel kommt nicht als brutaler Zyankali-Mord Hackethalscher Prägung daher, sondern wird kaschiert als Betonung der "Patientenautonomie" und der "Würde des Menschen". Einmal fragt man sich dabei, ob die beiden angesprochenen Paragraphen seit ihrer Inkraftsetzung die "Menschenwürde" so massiv verletzt haben, daß sie nur durch eine patiententestamentliche Verfügung ihre eigentliche Funktion wiedererhalten können. Zum anderen ist es äußerst umstritten, ob eine Patientenverfügung den tatsächlichen Willen eines Menschen auch in Situationen ausdrücken kann, die der Betreffende so gar nicht vorhersehen kann. (Siehe auch die zahlreichen Stellungnahmen dazu auf der [url:"http://www.club-of-life.de/]Internetseite des Club of Life[/url].)

 

[h3][/url]Einfallstor für die Euthanasielobby[/h3]

Der Club of Life hat seit langem davor gewarnt, daß die Euthanasielobby das Thema Patientenverfügung zum Einfallstor ihres antihumanen Menschenbildes machen werde. Denn Fragen, die in Patientenverfügungen aufgeworfen werden, bewegen sich immer im Grenzbereich von Leben und Tod; sie berühren damit nicht nur den ebenfalls strittigen Bereich der Grenzen des Selbstbestimmungsrechtes, sondern auch Fragen des Strafrechts. Ein Beispiel mag das verdeutlichen. Tötung auf Verlangen ("aktive Sterbehilfe") ist nach deutschem Recht verboten. Somit ist nach Gesetzeslage ausgeschlossen, daß Patientenverfügungen, die derartiges verlangen, Gültigkeit erlangen können.

Wer, aus welchen Motiven auch immer, eine "gesetzliche Verankerung von Patientenverfügungen als Rechtsinstrument" anstrebt, setzt sich dem Vorwurf aus, damit bewußt oder unbewußt die Sache der Euthanasielobby zu betreiben.

So hat auch das Bundesgesundheitsministerium in einer von Ulla Schmidt schon vor einigen Jahren in Auftrag gegebenen Studie mit dem Titel "Möglichkeiten einer standardisierten Patientenverfügung" genau in diese Richtung eine Weichenstellung vorgenommen. Mitwirkende an der Studie waren einflußreiche Bioethiker und andere namhafte Kapazitäten auf diesem Gebiet unter dem Dach der umstrittenen Göttinger Akademie für Ethik in der Medizin, die sich seit Jahren für eine Ausweitung der Sterbehilfe einsetzt. Darunter ist auch der Düsseldorfer Bioethiker Dieter Birnbacher, der sich zusammen mit Stöckel im "Humanistischen Verband Deutschland" engagiert. So untersuchte das Gutachten, "durch welche gesetzlichen Maßnahmen die Rechtssicherheit für Patienten und Ärzte erhöht und die Verbreitung und Akzeptanz von Patientenverfügungen, Vorsorgevollmachten und Betreuungsverfügungen verbessert werden könnte". Es herrsche diesbezüglich "Gesetzgebungsbedarf", um die "Etablierung von Patientenverfügungen als Rechtsinstitut" zu erreichen.

Der ökonomische Aspekt von Patientenverfügungen spielt dabei nicht zufällig eine ganz prominente Rolle, denn die heute so hochgelobten "Gesundheitsökonomen" interessiert bei dieser Frage nur eines: Um wieviel lassen sich bei einer höheren Akzeptanz von Patiententestamenten die Gesundheitsausgaben senken? Vom Standpunkt der Euthanasielobby könnte ohnehin kaum etwas Besseres passieren, als daß "teure" Patientengruppen freiwillig und vorab planbar auf medizinische Behandlung verzichten.

Auf genau diesen perversen Mechanismus zielt der Gesetzesvorstoß der Parlamentariergruppe um Stöckel ab. Ohne Zögern ist sie bereit, die im Zuge der brutalen Sparpolitik ohnehin schon schwer angeschlagenen ethisch-sozialen Fundamente unserer Gesellschaft endgültig zum Einsturz zu bringen.

 

[h3][/url]Ein antihumanistischer Verband[/h3]

Der Vorstoß des Abgeordneten Stöckel hat im Bundestag zwar keine Chance auf eine Mehrheit, doch die Ziele seines "Humanistischen Verbandes Deutschland" sind ohnehin viel langfristiger angelegt. Der sogenannte "Freidenker-Verband", der schon seit Jahren für die Legalisierung aktiver Sterbehilfe wirbt, versteht sich als eine Art "postreligiöse" Kirche, als Vereinigung bekennender Atheisten, die dem Christentum den Kampf angesagt hat. Als "Kirche der Entkirchlichten" hat sich der Verband einmal in seiner Mitgliederzeitschrift mit dem bezeichnenden Namen [i]Diesseits[/i] benannt. Der HVD entfaltet in Deutschland bereits seit langem verschiedene karitative und soziale Aktivitäten, Dienstleistungen von Kindertagesstätten über "Lebenskunde-Unterricht" bis zur Ausrichtung von Jugendfeiern, die der HVD in der Nachfolge der DDR-Jugendweihen anbietet.

Der Humanistische Verband Deutschlands, 1993 aus westdeutschen wie ostdeutschen antikirchlichen Organisationen entstanden, hat seinen Namen von dem noch viel größeren Humanistischen Verband der Niederlande entlehnt, der sogar "humanistische" Universitäten betreibt und in der dortigen Euthanasiebewegung tonangebend ist.

Folgerichtig ist das Thema "Sterben und Tod" schon lange eines der zentralen Anliegen des HVD in Deutschland. In Berlin betreibt der HVD den Hospizpflegedienst "Visite", der im Falle einer Legalisierung der Sterbehilfe wohl zur Speerspitze einer neuen Euthanasiebewegung werden würde. Schon heute fordert der HVD die Freigabe von Tötungshandlungen an Alten und Kranken, etwa die "ärztlich assistierte Selbsttötungshilfe" oder die "aktive Hilfe zum friedlichen Hinüberdämmern und zur Leidbefreiung auf Wunsch des Patienten", weswegen der Paragraph 216 des Strafgesetzbuches (Tötung auf Verlangen) dringend reformiert werden müsse - so heißt es in einem "10-Punkte-Positionspapier des HVD zu Patientenschutz und Sterbehilfe". Der Vorsitzende Stöckel hat mit seiner Gesetzesinitiative jetzt Taten folgen lassen.

 

[h3][/url]Machtkampf geht weiter[/h3]

Die Warnung des Club of Life, daß die Euthanasielobby sogenannte Patientenverfügungen für ihre Zwecke mißbrauchen könnte, richtete sich auch an die Bundesärztekammer, die 1998 eigene "Grundsätze zur Sterbebegleitung" vorgelegt hatte. Schon damals war deutlich geworden, daß die "Bioethiker-Fraktion" unter den Ärztefunktionären in dieser Frage einen Putsch gegen die an traditionellen Ansichten orientierten Mediziner veranstalten wollte. Zahlreiche mißverständliche Formulierungen und unhaltbare Positionen konnten zwar in der Endversion des Textes nach heftigen Auseinandersetzungen vermieden werden, aber gerade in der Frage der Patientenverfügungen blieben viele Zugeständnisse an den Zeitgeist bestehen.

Nun hat die Bundesärztekammer fast zeitgleich zu dem Stöckel-Vorstoß eine weitere Neufassung der "Grundsätze zur Sterbebegleitung" im [i]Ärzteblatt[/i] Nr. 19 vom 7. Mai 2004 veröffentlicht. Ohne einer ausführlicheren Würdigung dieses Papiers vorzugreifen, fällt sofort ins Auge, daß darin der Bedeutung und Verbindlichkeit von Patientenverfügungen ein noch breiterer Raum gegeben wird als früher. Natürlich gebietet es das Selbstbestimmungsrecht eines erwachsenen, mündigen und aufgeklärten Patienten, daß der Arzt dessen Willen respektiert, selbst wenn sich dieser nicht mit den aus ärztlicher Sicht gebotenen Diagnose- und Therapiemaßnahmen deckt. Doch die Grenze muß eindeutig dort gezogen werden, wo vom Arzt verlangt wird, wider besseres Wissen und gegen die eigene Berufsethik Maßnahmen zu ergreifen oder zu unterlassen, die über Leben und Tod des ihm anvertrauten Patienten entscheiden.

Es ist zu befürchten, daß diese Art der "Kompromißsuche" zwischen prinzipiell unvereinbaren Positionen sehr bald zu kaum mehr rückgängig zu machenden Entscheidungen in Rechtsprechung und Politik führen werden, die einer Euthanasiepraxis wie in Holland, Belgien oder der Schweiz Tor und Tür öffnen. Die Ärzte selbst hätten dann gar keine andere Wahl, als sich zu Vollstreckern von verbindlichen Patientenverfügungen zu machen, deren Zustandekommen sie gar nicht mehr überprüfen können. Durch die Hintertür hätten Stöckel und seine angeblichen "Humanisten" dann doch ihr Ziel erreicht.