Am Dienstag, den 27.9. um 10 Uhr wird die Sozialistische Fortschrittspartei der Ukraine (PSPU) in Kiew vor dem Obersten Gerichtshof ihren Antrag auf Aufhebung ihres Verbots durch ein im Mai 2022 verabschiedetes Gesetz einreichen. Die PSPU ist eine von 16 ukrainischen Oppositionsparteien, die vom Justizministerium im Rahmen des Gesetzes verboten wurden. Das Gesetz wird in einer Weise angewandt, die offenkundig gegen den Internationalen Pakt über Bürgerliche und Politische Rechte und die ukrainische Verfassung selbst verstößt.
Im Vorfeld der Berufung veröffentlichte die PSPU eine ausführliche Erklärung. Darin beschreibt sie, dass die Aufrechterhaltung des Verbots gegen 1) die Rechtsstaatlichkeit, 2) die Rechtssicherheit, 3) die Unzulässigkeit von Willkür bei der Entscheidungsfindung, 4) den Zugang zu einem ordentlichen Gerichtsverfahren, 5) die Achtung der Menschenrechte und 6) die Nichtdiskriminierung und Gleichheit vor dem Gesetz verstoßen würde.
Die PSPU sieht eine "erschreckende Parallele" zwischen der eklatanten politischen Unterdrückung der PSPU als Oppositionspartei zu dem Faschismus in Italien und Deutschland in den 1930er Jahren. Mit der Behauptung, die PSPU sei "anti-ukrainisch und pro-russisch", habe die Regierung "die Würde der Mitglieder unserer Partei, die gewissenhafte, gesetzestreue Bürger der Ukraine sind, beschmutzt und sie zu Feinden ihres eigenen Volkes gemacht" und damit "psychologischen und moralischen Terror ausgelöst und Bedingungen der Angst, des Leids und der Minderwertigkeit für die Mitglieder der PSPU geschaffen". Die Büros der PSPU wurden bereits 2016 durchsucht, das beschlagnahmte Material wurde erst 2020 nach jahrelangen Rechtsstreitigkeiten registriert.
In eklatanter Verletzung des in der ukrainischen Verfassung verankerten Rechtsgrundsatzes, dass "Gesetze und andere Rechtsakte keine rückwirkende Gültigkeit haben" und dass "niemand für Handlungen verantwortlich ist, die zum Zeitpunkt ihrer Begehung vom Gesetz nicht als Gesetzesverstöße anerkannt wurden", wird die PSPU, die ihre Tätigkeit am 24. Februar eingestellt hat, nun ausschließlich aufgrund von Äußerungen und Handlungen vor dem Inkrafttreten des Gesetzes verfolgt. Diese Ex-post-facto-Verfolgung zeugt von einer absoluten Missachtung des Rechtsstaates und der bloßen Ausübung von Macht gegen politische Gegner.
Änderungen des ukrainischen Gesetzes "Über politische Parteien in der Ukraine", die ein Verbot "prorussischer Parteien" beinhalten, wurden von der Werchowna Rada verabschiedet und im Mai 2022 in Kraft gesetzt. In den Verfahren, die das ukrainische Justizministerium gegen 16 Oppositionsparteien angestrengt hat, wurde dieses Gesetz jedoch konsequent rückwirkend auf Äußerungen und Handlungen angewandt, die lange vor Mai 2022 stattfanden, obwohl Artikel 15 des Internationalen Pakts über Bürgerliche und Politische Rechte, dem die Ukraine beigetreten ist, besagt "Niemand darf wegen einer Handlung oder Unterlassung, die zum Zeitpunkt ihrer Begehung nach innerstaatlichem oder internationalem Recht keinen Straftatbestand erfüllte, für schuldig befunden werden."
"Wenn der Oberste Gerichtshof das Urteil nicht aufhebt..." heißt es in der Erklärung der PSPU abschließend, "glauben wir, dass dies das Ende der Demokratie in der Ukraine bedeuten wird."
Die Berufung der Partei "Oppositionelle Plattform für das Leben" (OPFL) wurde schon am 15. September vor dem Obersten Gerichtshof verhandelt. Diese Partei hatte bei den Parlamentswahlen 2019 13 % der Stimmen erhalten und verfügte über 44 Sitze in der Werchowna Rada (Parlament), dem zweitgrößten Block. Der Oberste Gerichtshof hat das Urteil der Vorinstanz bestätigt, was bedeutet, dass die OPFL nun dauerhaft in der Ukraine verboten ist.
Die nächste Berufungsverhandlung ist für Dienstag, den 27. September um 10:00 Uhr Ortszeit (07:00 Uhr GMT) angesetzt. Vertreter der Sozialistischen Fortschrittspartei der Ukraine (PSPU) werden ihren Standpunkt darlegen, dass das Justizministerium und der ukrainische Sicherheitsdienst bei der Verhängung des Verbots ihrer Partei ein ordnungsgemäßes Verfahren und ihre grundlegenden bürgerlichen und politischen Rechte mit Füßen getreten haben.
Lesen Sie den Bericht und die vollständige Erklärung der PSPU mit dem Titel "Die ukrainische Demokratie muss vom Obersten Gerichtshof gegen die Diktatur der Regierung verteidigt werden" unter folgendem Link. Das internationale Schiller-Institut veröffentlichte diesen Update zum Verbot von Oppositionsparteien in der Ukraine und die Erklärung der Progressiven Sozialistischen Partei der Ukraine im Wortlaut.
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