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Ukraine: Militärexperten widersprechen dem Wunschdenken der NATO

Eine Analyse von Harley Schlanger

Zwei Veranstaltungen mit führenden Vertretern des NATO-Militärblocks am 30. November zeigten überdeutlich das gefährliche Wunschdenken – daß „die Ukraine gewinnt und Rußland verliert“ – hinter der fanatischen Politik, den Krieg in der Ukraine zu einem „permanenten Krieg“ auszuweiten. Dies war das durchgängige Thema der versammelten Kriegsherren auf dem NATO-Außenministertreffen in Bukarest, und es spiegelte sich auch in den Äußerungen von Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen vor EU-Bürokraten, wo sie forderte, ein Kriegsverbrechertribunal einzuberufen, um die russische Führung vor Gericht zu stellen, und das illegal beschlagnahmte russische Geld als Reparationsfonds für den Wiederaufbau der Ukraine zu verwenden.

Die hetzerischen Reden auf beiden Veranstaltungen waren ein Hohn auf das arrogante Selbstverständnis der Beteiligten, sie seien die „Guten“, die für höhere Werte handeln – während sie in Wirklichkeit nur bestrebt sind, mit militärischer Macht den Widerstand gegen ihre unipolare Ordnung niederzuschlagen. So beantwortete von der Leyen die unausgesprochene Frage, woher jemand sich das Recht nimmt, illegal beschlagnahmtes Vermögen eines fremden souveränen Staates auszugeben, mit einem bösen: „Wir haben die Mittel, daß Rußland für alles bezahlen muß.“

Zu der Selbstbeweihräucherung auf dem NATO-Gipfel gehörte auch die Behauptung, Rußland sei durch den Krieg „ernsthaft geschwächt“ und der Sieg sei sicher, solange die NATO nur einig bleibe und bereit sei, den Lebensstandard ihrer eigenen Bevölkerung zu ruinieren, um ständige Waffenlieferungen an die ukrainischen Freiheitskämpfer zu gewährleisten. Zudem wurde deutlich, daß es nicht nur um den militärischen Sieg geht, sondern auch um Rache, wie die First Lady der Ukraine, Olena Selenska, vor britischen Parlamentariern in London erklärte: „Die Ukraine braucht Gerechtigkeit“, und dazu müsse man ein neues „Nürnberger Tribunal“ gegen hochrangige russische Vertreter einrichten. Sie rief die britische Regierung auf, sich bei diesen Bemühungen an die Spitze zu stellen.

Im Triumphgeschrei dieser Kriegsutopisten ging unter, daß laut einem neuen Bericht 20 der 30 NATO-Mitglieder ihre Waffenvorräte erschöpft haben und daß sich wichtige Mitglieder wie Deutschland, Frankreich und Italien dagegen sträuben, für diesen Krieg ihr gesamtes Waffenarsenal zu leeren. Unbeeindruckt von den logistischen Engpässen hat die Regierung Biden fast 40 Mrd. Dollar weitere Hilfe zugesagt, und Großbritannien wird mehr als 3 Mrd. Pfund zur Verfügung stellen, obwohl der Lebensstandard im eigenen Land immer weiter sinkt.

Helga Zepp-LaRouche sagte zu diesen Versprechen, den Kampf gegen Rußland bis zum sprichwörtlichen „letzten Ukrainer“ fortzusetzen, diese Kriegsfanatiker glaubten, „daß mehr Waffen für die Ukraine zum Frieden führen werden, aber das Gegenteil ist der Fall“. Die Zerstörung der Infrastruktur durch russische Raketenangriffe mache die Lage in der Ukraine „ziemlich verzweifelt“.

Phantasiereden aus England

US-Generalstabschef Gen. Mark Milley, der wegen seiner Äußerung vom 9. November, es gebe möglicherweise ein Zeitfenster für Friedensgespräche in der Ukraine, von zahlreichen NATO-Falken scharf angegriffen wurde, knickte eine Woche später ein und stimmte selbst in den Chor seiner Kritiker ein. Er sagte, mit seiner Äußerung habe er gemeint, daß das russische Militär „wirklich schwer angeschlagen“ sei, während die Ukraine „einen Erfolg nach dem anderen“ erziele, und diese russische Schwäche und ukrainische Stärke eröffne die Möglichkeit einer „politischen Lösung“ mit einem Kriegsende durch den Abzug der russischen Truppen.

Milleys „Selbstkorrektur“ entspricht ganz der NATO-Linie, wonach die Ukraine dabei sei, den Krieg zu gewinnen, die russischen Streitkräfte in Auflösung begriffen seien und Präsident Putins Popularität kollabiere. Deshalb müsse man, so etwa NATO-Generalsekretär Stoltenberg, die Einheit der NATO aufrechterhalten, damit die Waffenlieferungen in die Ukraine weitergehen können.

Dieses Wunschdenken war auch schon eines der zentralen Argumente britischer Vertreter im Vorfeld der NATO-Tagung gewesen. Der frühere Verteidigungsminister George Robertson formulierte es in einem Beitrag im Economist vom 18. November, wo er dem Westen Selbstgefälligkeit vorwarf und forderte, die NATO in Kriegsbereitschaft zu versetzen. „Rußland befindet sich im Krieg mit uns“, schrieb er, „warum verteidigen wir uns nicht, als würden wir angegriffen?“ Und er schloß, daß in Kriegszeiten Austerität notwendig sei: „...die Menschen müssen Opfer bringen, vor allem bei den Lebenshaltungskosten“.

Auch der amtierende Verteidigungsminister, Ben Wallace, griff das in einer Rede am 24. November auf und behauptete: „Es ist Zeit für eine ukrainische Gegenoffensive.“ Rußland sei schwach und verliere, daher sei es „im Interesse der Ukraine, die Dynamik in diesem Winter aufrechtzuerhalten“. Dieselbe Linie der Kriegsfraktion vertrat auch Premierminister Sunak auf einer eilig arrangierten Pilgerfahrt nach Kiew zum obligatorischen Fototermin mit dem „Kriegshelden“ Selenskyj. Und Außenminister James Cleverly sagte seinem ukrainischen Amtskollegen: „Wir stehen hinter Ihnen... Unsere Unterstützung wird solange dauern wie nötig.“

Offenbar wollte keiner von ihnen bei diesen phantasievollen Lagebeurteilungen bedenken, daß in einem Großteil der Ukraine die Lichter ausgegangen sind und die für die Kriegsanstrengungen lebenswichtige Verkehrs- und Kommunikationsinfrastruktur schwer beschädigt ist – und das alles vor einer erwarteten neuen russischen Offensive in den kommenden Wochen.

Was sagen die ukrainischen „Demokratie-Helden“?

In einem gewissen Kontrast zu der demonstrativen, fröhlichen Kameradschaft, die auf dem Bukarester Gipfel zur Schau gestellt wurde, stand der bösartige, blutrünstige Schlachtruf des Sekretärs des Nationalen Sicherheits- und Verteidigungsrates, Olexij Danilow, auf dem Kiewer Sicherheitsforum. An dem Treffen in Kiew nahmen zahlreiche NATO-Prominente teil, darunter die pensionierten US-Generäle David Petraeus und Wesley Clark sowie der eingefleischte Falke Frederick Kempe, Vorsitzender des Atlantic Council.

Danilow betonte, die Russische Föderation „muß einfach zerstört werden, damit sie aufhört zu existieren, als Land in den Grenzen, in denen sie existiert... Die sind einfach Barbaren. Und wenn jemand sagt, daß wir uns mit diesen Barbaren an einen Tisch setzen und über irgendetwas reden sollten, dann halte ich das ganz allgemein für unangebracht.“

Er fuhr in seiner wilden Tirade fort: „Ich halte Hitler und Putin für siamesische Zwillinge ... sie sind ähnliche Menschen... Wir sind anders, wir haben nichts mit euch zu tun. Ihr seid Moskowiter, die nur auf ihrem Territorium waren, ihr seid Diebe, die ständig anderen die Geschichte stehlen. Ihr fordert ständig etwas, aber ihr seid es überhaupt nicht wert, daß irgend jemand in der Welt mit euch kommuniziert.“

Danilows Gekeife erinnert an „Hitlerbunker-Mentalität“, ist aber gar nicht so weit entfernt von den sich selbst verstärkenden Behauptungen und Phantasieerklärungen führender westlicher Vertreter wie Stoltenberg und von der Leyen.

Siegesillusionen contra Wirklichkeit

Zepp-LaRouches Einschätzung der tatsächlichen Lage in der Ukraine deckt sich mit der wirklicher Militärexperten – im Gegensatz zu den Militärs und Geheimdienstlern, die mit dem Militärisch-Industriellen Komplex verbunden sind und für die Krieg ein Geschäft ist, sowie den Sprachrohren des kollabierenden politischen und finanziellen Establishments, das Rußland ausschalten will, weil es zu den maßgeblichen Ländern gehört, die eine neue strategische und finanzielle Architektur außerhalb der Kontrolle der „einzigen Supermacht“ anstreben.

Einer dieser wirklichen Experten ist US-Oberst a.D. Douglas MacGregor, der auf die schwer beschädigte Energieinfrastruktur der Ukraine hinweist. Die Angriffe auf das Stromnetz, Eisenbahnknotenpunkte, Treibstoffdepots, Brücken und Kommandozentralen dienten dem Ziel, Kiews Fähigkeit zur Kriegsführung zu untergraben. Er betonte in mehreren Interviews, die Entsendung frischer Truppen werde es Rußland ermöglichen, die Nachschublinien aus Polen zu kappen, wodurch die ukrainischen Truppen abgeschnitten und verwundbar werden und in Gefangenschaft geraten oder getötet werden können.

US-Oberst a.D. Daniel L. Davis äußerte eine ähnliche Einschätzung. Er sprach von der russischen Absicht, die beiden Nachschubkorridore für die ukrainischen Truppen, von Polen und von Kiew, zu schließen. Dann „wäre es für Kiew nahezu unmöglich, Kriegsoperationen länger als ein paar Wochen aufrechtzuerhalten“. Er denkt, daß dies mit zusätzlichen gut 200.000 russischen Soldaten möglich ist.

Der ehemalige UN-Waffeninspektor Scott Ritter wies die Behauptung, Moskau wolle nur aus Schwäche verhandeln, als völlig falsch zurück. Da sich Präsident Selenskyj unter dem Druck der NATO weigere zu verhandeln, sei Rußland jetzt bereit, die Ukraine zu zerschlagen.

Ritter gab Stoltenberg und anderen in einem Interview am 1. Dezember eine vernichtende Antwort, indem er ihre Argumente zerpflückte und ihre Sophisterei entlarvte: „Die Ukraine wird niemals Mitglied der NATO sein, unter keinen Umständen. Niemals. Jedesmal, wenn Stoltenberg oder irgendein anderer darauf anspielt, ist das ein rein politisches Argument... Sie versuchen, politisch Punkte gegen Rußland zu sammeln, indem sie sagen, die Tür sei immer offen, Rußland dürfe nicht entscheiden, wer Mitglied der NATO sein kann und wer nicht, daß es so etwas wie eine russische Einflußsphäre nicht gibt. Deshalb sagen sie das.

Aber Rußland beweist genau das Gegenteil, nämlich daß die Ukraine in seiner Einflußsphäre liegt und daß Rußland den zukünftigen Kurs der Ukraine diktieren wird. Und Tatsache ist, wenn dieser Krieg weitergeht, wird die Ukraine am Ende des Konflikts kein lebensfähiger souveräner Staat sein.“

Wenn diese drei Experten Recht haben, wie wird die NATO dann reagieren? In Anbetracht der jüngsten Berichte über den Mangel an Munition und Kapazitäten zur Rüstungsproduktion der NATO-Länder gibt es keine praktikable Option außer einer umfassenden Kriegsbeteiligung der NATO-Streitkräfte – es sei denn, man verhandelt mit Rußland, wozu die NATO seit dem Maidan-Putsch vom Februar 2014 nicht mehr bereit ist.

 

Konferenz: https://schillerinstitute.com/de/blog/2022/11/01/stoppt-die-atomkriegsgefahr-jetzt-drittes-seminar-aktiver-und-ehemaliger-gewaehlter-amtstraeger-der-welt/