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Wie die Ukraine zum Spielball der anglo-amerikanischen Geopolitik wurde

In diesem Memorandum vom 31.12.2021: Internationale Mobilisierung gegen die Kriegsgefahr! Schlafwandeln wir in einen thermonuklearen Dritten Weltkrieg?  finden Sie u.a. wichtiges Hintergrundmaterial zum besseren Verständnis der Situation in der Ukraine. Ganzer Text: https://www.bueso.de/memorandum-internationalen-mobilisierung-gegen-kriegsgefahr-schlafwandeln-thermonuklearen-dritten

........ Entwicklungen in der Ukraine

Im Dezember 2008, nach dem militärischen Kräftemessen zwischen Georgien und Rußland, initiierten Carl Bildt und Radek Sikorski, die Außenminister Schwedens bzw. Polens, die sog. „Östliche Partnerschaft“ der Europäischen Union. Sie zielte auf sechs Länder ab, die früher Republiken innerhalb der Sowjetunion gewesen waren: drei in der Kaukasusregion (Armenien, Aserbaidschan, Georgien) und drei in Ostmitteleuropa (Weißrußland, Moldawien, Ukraine). Sie sollten nicht zu einer vollen EU-Mitgliedschaft eingeladen, sondern durch sogenannte Assoziierungsabkommen eingebunden werden, in deren Mittelpunkt jeweils ein umfassendes Freihandelsabkommen (DCFTA) stand.

Das Hauptziel dieser Bemühungen war die Ukraine. Das mit der Ukraine ausgehandelte, aber nicht sofort unterzeichnete Assoziierungsabkommen hätte den Kollaps der industriellen Wirtschaft des Landes bewirkt und den Handel mit Rußland beeinträchtigt (Rußland würde seine Freihandelsvereinbarungen mit der Ukraine beenden, um zu verhindern, daß seine eigenen Märkte auf dem Umweg über die Ukraine mit westlichen Gütern überschwemmt werden). Überdies würden andere EU-Marktteilnehmer sich die Agrar- und Rohstoffexporte der Ukraine unter den Nagel reißen.

Darüber hinaus sah das Abkommen eine „Konvergenz“ in Sicherheitsfragen und eine Integration in die europäischen Verteidigungssysteme vor. Das würde bedeuten, daß die langfristigen vertraglichen Vereinbarungen, unter denen die russische Marine die wichtigen Schwarzmeerhäfen auf der Halbinsel Krim nutzte - die seit dem 18. Jahrhundert russisch ist, aber Anfang der 1950er Jahre innerhalb der UdSSR verwaltungstechnisch der Ukraine zugeordnet wurde - aufgekündigt werden, und die NATO hätte letztlich eine vorgeschobene Basis an der unmittelbaren Grenze Rußlands erhalten.

Die Ukraine gegen Rußland zu wenden, war bereits ein langfristiges Ziel der anglo-amerikanischen Strategieplaner im Kalten Krieg gewesen, so wie es zuvor schon die kaiserlichen Geheimdienste Österreich-Ungarns während des Ersten Weltkriegs verfolgt hatten. Nach dem Zweiten Weltkrieg unterstützten die USA und das Vereinigte Königreich bis Mitte der 1950er Jahre in der Ukraine einen Aufstand gegen die Sowjetunion, einen Bürgerkrieg, der noch lange nach dem Friedensschluß von 1945 anhielt. Die Aufständischen gehörten der Organisation Ukrainischer Nationalisten (OUN) und Resten der Ukrainischen Aufständischen Armee (UPA) an. Die OUN war 1929 nach dem Vorbild der italienischen und anderer faschistischer Bewegungen in Europa gegründet worden. Ihr Anführer Stepan Bandera war mal mehr, mal weniger ein Verbündeter der Nazis, und die OUN-UPA verübte gegen Ende des Zweiten Weltkriegs im Rahmen einer Säuberungsideologie Massenmorde an ethnischen Polen und Juden in der Westukraine. Nach dem Krieg wurde Bandera vom britischen MI6 übernommen, und der CIA-Gründer Allen Dulles schleuste einen weiteren OUN-Führer, General Mykola Lebed, in die USA ein, obwohl der Geheimdienst der US-Armee aufgrund von Lebeds Kollaboration mit den Nazis und Kriegsverbrechen entschieden dagegen war. Die nächste Generation von Lebeds Anhängern, deren Basis, die Prolog Research Corporation in New York City, von Dulles' CIA finanziert wurde, um nachrichtendienstliche Informationen zu sammeln und nationalistische und andere Literatur in der UdSSR zu verbreiten, entsandte bis in die 80er Jahre Mitarbeiter zum US-Sender Radio Liberty nach München, der in die Ukraine sendete.(5)

Als die UdSSR im August 1991 zerfiel, versammelten sich führende Banderisten in Lviv (dem ehemaligen Lemberg) in der Westukraine - nur 1000 km oder 12 Autostunden von München entfernt - und begannen mit dem Wiederaufbau ihrer Bewegung. Die Region Lemberg, die viele Jahre lang zum österreichisch-ungarischen Reich und nicht zum Russischen Reich gehört hatte, war die Hochburg der OUN-Anhänger.

Nach der „Orangenen Revolution“ in Kiew 2004 erhielt der Einfluß der Banderisten einen neuen Schub. Unterstützt von der US-amerikanischen National Endowment for Democracy und den privaten Stiftungen des Finanziers George Soros wurde eine „Farbrevolution“ inszeniert, bei der die Ergebnisse einer Präsidentschaftswahl umgestoßen und in einer zweiten Abstimmung der Banker Viktor Juschtschenko als Präsident eingesetzt wurde.

Juschtschenko wurde 2010 abgewählt, weil die Bevölkerung gegen seine vom IWF mit Privatisierung und Deregulierung diktierte, brutale Sparpolitik rebellierte - doch da hatte er bereits die offizielle Geschichte der ukrainischen Beziehungen zu Rußland im Sinne eines radikalen, antirussischen Nationalismus umgeschrieben. Die Banderisten in Lviv rekrutierten neue Mitglieder, stärkten ihre Bewegung und veranstalteten paramilitärische Sommerlager für junge Leute auf dem ukrainischen Land und in anderen osteuropäischen Ländern. Zu den Ausbildern gehörten zeitweise auch „außerdienstliche“ Offiziere aus NATO-Ländern. 2008 beantragte Juschtschenko bei der NATO erstmals einen Aufnahmeantrag der Ukraine.

Der Wendepunkt für den Status der Ukraine als potentieller Auslöser der aktuellen Kriegsgefahr kam 2014. Die beständigen Bemühungen, die Ukraine zum Abschluß des EU-Assoziierungsabkommens zu bewegen, wurde von der Regierung Viktor Janukowitsch im November 2013 als unhaltbar zurückgewiesen. Ihr war klargeworden, daß die Freihandelsbestimmungen, mit denen europäische Waren über die Ukraine unbegrenzten Zugang zum russischen Markt erhielten, Vergeltungsmaßnahmen des größten Handelspartners der Ukraine, Rußland, nach sich ziehen und somit für die ukrainische Wirtschaft zum Bumerang würden. Als Janukowitsch am 21. November die Verschiebung des Abkommens ankündigte, wurden die langgehegten Pläne der Banderisten aktiviert, die Ukraine zu einem Instrument der Isolierung und Dämonisierung Rußlands zu machen.

Demonstranten gegen Janukowitschs Entscheidung versammelten sich umgehend auf dem Maidan-Platz in Kiew. Viele einfache Bürger kamen mit EU-Fahnen, weil die Schock-Deregulierung der 90er Jahre und die vom IWF diktierte Privatisierungs- und Sparpolitik in den Jahren der Orangenen Revolution die ukrainische Wirtschaft zerstört hatte. Viele glaubten in ihrer Verzweiflung, wie es die ukrainische Wirtschaftswissenschaftlerin Natalia Witrenko einmal ausdrückte, eine EU-Assoziierung brächte ihnen „Löhne wie in Deutschland und Sozialleistungen wie in Frankreich“. Ein überproportionaler Anteil der Demonstranten stammte aus dem äußersten Westen der Ukraine, und die von der paramilitärischen Bandera-Gruppe Rechter Sektor vorbereiteten Gewaltakte wurden dann zur systematischen Eskalation genutzt. Blutvergießen und Opfer, die allesamt dem Regime angelastet wurden, dienten dann dazu, die Radikalisierung auf dem Maidan bis in den Februar 2014 hinein aufrechtzuerhalten. (6)

Neonazi-Symbole und andere faschistische Symbole zierten Gebäudemauern und Plakate auf dem Maidan, aber das hielt die USA nicht davon ab, diesen Prozeß weiter zu unterstützen. Senator John McCain wandte sich im Dezember 2013 an die Menge, während die stellvertretende Außenministerin Victoria Nuland Gebäck verteilte und mit dem US-Botschafter in der Ukraine, Geoffrey Pyatt, darüber verhandelte, wen er nach dem Sturz Janukowitschs ins Amt bringen sollte. Ein entsprechendes Telefongespräch zwischen Nuland und Pyatt wurde auf Band aufgezeichnet und machte weltweit Furore.

Am 18. Februar 2014 kündigten die Führer des Maidan einen „friedlichen Marsch“ auf den Obersten Rada (Parlament) an, der in einen gewaltsamen Angriff ausartete und drei Tage lange Straßenkämpfe auslöste. Diese Zusammenstöße erreichten ihren Höhepunkt am 20. Februar, als Scharfschützen von hohen Gebäuden aus sowohl auf Demonstranten als auch auf Polizisten feuerten, was mehr als 100 Menschenleben forderte. Der in der Ukraine geborene Prof. Ivan Katchanovski von der Universität Ottawa hat anhand von Videoaufnahmen und anderen direkten Beweisen für diese Ereignisse überzeugend nachgewiesen, daß der Großteil des Scharfschützenfeuers von den paramilitärischen Stellungen auf dem Maidan und nicht von den Berkut-Spezialeinheiten der Regierung kam. (7)

Am 21. Februar unterzeichnete ein Trio von Maidan-Führern, darunter Arsenij Jazenjuk, den Nuland zum nächsten ukrainischen Ministerpräsidenten auserkoren hatte, ein Abkommen mit Präsident Janukowitsch, in dem sich beide Seiten zu einem friedlichen Machtwechsel verpflichteten: eine Verfassungsreform bis September, Präsidentschaftswahlen Ende des Jahres und die Abgabe der Waffen. An den Verhandlungen waren die Außenminister Frankreichs, Deutschlands und Polens beteiligt, ein Vertreter Moskaus fungierte als Beobachter. Als dieses Dokument auf den Maidan bekannt wurde, ergriff ein junger militanter Banderist das Mikrofon auf der Bühne, um den Mob zur Ablehnung anzustacheln, und drohte Janukowitsch mit dem Tod, falls er nicht bis zum Morgen zurücktreten würde. Janukowitsch verließ Kiew noch in der Nacht. In der Rada wurde in Verletzung der Verfassung ein neuer Präsident eingesetzt.

Zu den ersten Maßnahmen der neuen Regierung gehörte ein Beschluß der Rada, dem Russischen und anderen „Minderheitensprachen“ den Status einer regionalen Amtssprache zu entziehen. (Die Volkszählung 2001 hatte ergeben, daß Russisch im ganzen Land gesprochen und von einem Drittel der Bevölkerung als „Muttersprache“ angesehen wurde.) Diese und andere von Kiew angekündigte Maßnahmen führten zu einer starken Opposition gegen den Staatsstreich, die sich vor allem in den ostukrainischen Regionen Donezk und Luhansk (Donbaß) sowie auf der Krim formierte. In beiden Gebieten brach ein ziviler Konflikt aus, bei dem lokale Gruppen Regierungsgebäude in ihre Gewalt brachten.

Auf der Krim setzte sich der Aufstand gegen das im Staatsstreich eingesetzte Kiewer Regime durch. Bei einem Referendum am 16. März 2014 in der Autonomen Republik Krim und in der Stadt Sewastopol, einer separaten Verwaltungseinheit auf der Halbinsel, wurden die Wähler gefragt, ob sie sich der Russischen Föderation anschließen oder den Status der Krim als Teil der Ukraine beibehalten wollten. Auf der Krim stimmten 97% bei einer Wahlbeteiligung von 83% für die Integration in die Russische Föderation; in Sewastopol lag das Ergebnis ebenfalls bei 97% für die Integration, während die Wahlbeteiligung 89% betrug.

Die angebliche „russische Militärinvasion in der Ukraine“ hat es nie gegeben. Am 1. März 2014 beantragte und erhielt Präsident Putin vom russischen Parlament die Genehmigung, auf  ukrainischem Gebiet stationierte russische Streitkräfte zum Schutz des Lebens russischer Bürger und russischstämmiger Bewohner der Krim einzusetzen; es handelte sich dabei um Truppen aus den Einrichtungen der russischen Schwarzmeerflotte in und um Sewastopol, die unter den langfristigen Vereinbarungen bereits auf der Krim stationiert waren.

Das Schicksal der beiden selbsterklärten Donbaß-Republiken, die in den Regionen Donezk und Luhansk ausgerufen wurden, ließ sich nicht so schnell klären. Die dortigen Aufständischen wurden von Rußland inoffiziell unterstützt, unter anderem durch die freiwillige Beteiligung russischer Militärveteranen. In den Jahren 2014-15 kam es im Donbaß-Konflikt zu schweren Kämpfen, die bis heute weniger intensiv andauern; in den letzten sieben Jahren kamen dabei mehr als 13.000 Menschen ums Leben. Mehrere Niederlagen, die die Donbaß-Miliz den Kiewer Streitkräften beibrachten, darunter die vollständige Kontrolle über den internationalen Flughafen von Donezk im Januar 2015, bereiteten den Boden für die Zustimmung Kiews zu einem Waffenstillstand.

Nach einem Fehlstart - dem sogenannten Minsker Protokoll (8) im September 2014 - wurde im Februar 2015 mit dem Abkommen „Minsk II“ zwischen dem Regime in Kiew, damals unter Präsident Pjotr Poroschenko, und Vertretern der selbsterklärten Donbaß-Republiken ein Übergangszustand im Donbaß vereinbart, der von Kiew, Frankreich, Deutschland und Rußland mit Unterstützung der Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa (OSZE) ausgehandelt wurde. Es sah einen Waffenstillstand, den Rückzug von Waffen, den Austausch von Gefangenen und humanitäre Hilfe sowie eine politische Lösung innerhalb der Ukraine vor. Für den Donbaß sollte ein Sonderstatus erreicht werden, mit weitgehender regionaler Autonomie einschließlich des „Rechts auf sprachliche Selbstbestimmung“. Die Wiederherstellung der „vollen Kontrolle“ der Ukraine über ihre Grenze zu Rußland im Donbaß sollte nach der vorläufigen Gewährung des Sonderstatus und nach lokalen Wahlen erfolgen. Dieser Sonderstatus sollte bis Ende 2015 in der ukrainischen Verfassung verankert werden.

Der Sicherheitsrat der Vereinten Nationen hat Minsk II am 17. Februar 2015 gebilligt. Das Abkommen wurde aber nicht umgesetzt, weil Kiew sich praktisch sofort weigerte, Wahlen durchzuführen oder den Sonderstatus rechtlich zu beschließen, bevor es nicht die Kontrolle über die Grenze zwischen dem Donbaß und Rußland erhielte. Die heutige Selenskyi-Regierung in Kiew verweigert sogar jegliche Verhandlungen mit der Führung des Donbaß, sie behauptet, der Donbaß sei von Rußland „besetzt“ und Kiew könne daher nur mit Rußland und nicht mit den gewählten Führungen des Donbaß sprechen. Die sporadischen Kämpfe halten an, und die Schußwechsel an der „Kontaktlinie“ zwischen den Donbaß-Regionen und der übrigen Ukraine sind in letzter Zeit erneut eskaliert. .... (Soweit der Auszug aus dem Memorandum vom 31.12.2021)

(5) Quelle: Taras Kuzio, „U.S. support for Ukraine's liberation during the Cold War: A study of Prolog Research and Publishing Corporation“, Communist and Post-Communist Studies (2012), https://doi.org/10.1016/j.postcomstud.2012.02.007

(6) EIR veröffentlichte dazu im Mai 2014 ein Dossier, in dem die Vorbereitung und Durchführung dieser Eskalation dokumentiert werden, siehe: https://solidaritaet.com/neuesol/2014/22/Dossier_Ukraine_Neue_Solidaritaet_Ausgabe_22-2014.pdf

(7) Siehe: https://papers.ssrn.com/sol3/papers.cfm?abstract_id=2658245

(8) Siehe: https://peacemaker.un.org/UA-ceasefire-2014.

 

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