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Die Universalgeschichte darf nicht in einer Tragödie enden!

Von Helga Zepp-LaRouche

Mit dieser Rede eröffnete Helga Zepp-LaRouche am 10. September die zweitägige Internetkonferenz „Wie die Menschheit die größte Krise der Weltgeschichte überleben kann“, die aus Anlaß des 100. Jahrestags der Geburt ihres Ehemanns Lyndon LaRouche vom internationalen Schiller-Institut veranstaltet wurde.

Guten Tag, ich heiße Sie willkommen, wo auch immer auf der Welt Sie sich befinden mögen.

Ich möchte über das Thema sprechen, daß die Weltgeschichte nicht in einer Tragödie enden darf. Wer will die Tatsache leugnen, daß wir vor dem gefährlichsten Moment der Geschichte überhaupt stehen? Lassen Sie mich das von Anfang an mit Nachdruck sagen: Diese vielschichtige, beispiellose Krise ist ausschließlich das Ergebnis einer falschen Politik, und deshalb kann sie korrigiert werden - wenn der politische Wille dazu vorhanden ist. Diesen politischen Willen zu mobilisieren, darum geht es bei dieser Konferenz, die dem 100. Geburtstag meines verstorbenen Mannes Lyndon LaRouche gedenkt.

Wir stehen vor der akuten Gefahr, daß die strategische Situation außer Kontrolle gerät und zu einem thermonuklearen Dritten Weltkrieg führt: eine Situation, die gefährlicher ist als auf dem Höhepunkt der Kubakrise, und die, wenn es dazu kommt, zur Vernichtung der Menschheit führen würde, zu einem nuklearen Winter. Und es bliebe nicht einmal ein Historiker übrig, um die Gründe dafür zu untersuchen.

Obwohl diese Gefahr zweifellos sehr real ist, gibt es immer noch einige Politiker, die sagen, kein Szenario sei ausgeschlossen. Die Bild-Zeitung prahlt heute damit, daß die derzeitige ukrainische Offensive in Charkiw massiv von der NATO unterstützt wird, mit gepanzerten Fahrzeugen aus den USA und der Türkei, mit Panzern aus Polen, mit Geheimdienstinformationen von der NATO, und daß die USA der Ukraine Waffen im Wert von insgesamt 10 Milliarden Dollar zur Verfügung stellen. Sind alle diese Länder und die NATO damit nicht bereits Kriegsparteien? Die Frage ist: Wann ist die rote Linie überschritten und wann gibt einen ausgewachsenen Krieg zwischen Rußland und der NATO?

Hinzu kommt, daß das Finanzsystem der transatlantischen Welt hoffnungslos bankrott ist. Es steht entweder vor einem Ausbruch von Hyperinflation wie in der Weimarer Republik 1923 - nur daß es dieses Mal nicht ein Land, sondern den gesamten sogenannten Westen träfe -, oder wir könnten in Kürze eine Kettenreaktion eines Crashs erleben, ausgelöst durch die verspätete Anhebung der Zinssätze durch die Zentralbanken. Die Europäische Zentralbank hat gerade um 0,75% erhöht, die größte Anhebung in ihrer Geschichte. Jerome Powell von der Federal Reserve beschwört den „Schmerz“ der Hochzinspolitik von Paul Volcker herauf, die Ende der 1970er und Anfang der 1980er Jahre bei über 20% lag. Wenn man das jetzt in die bereits völlig bankrotte Situation vieler überschuldeter Firmen hineinrechnet, dazu die Kapitalflucht aus den Schwellenländern, dann könnte das in jedem Land, das vom transatlantischen Finanzsystem abhängt, einen lang anhaltenden Absturz in ein finsteres Zeitalter auslösen.

Wenn es zu einem solchen Zusammenbruch käme, würde das natürlich sofort die Kriegsgefahr erhöhen. Es herrscht bereits eine weltweite Hungersnot. Schon jetzt sind 1,7 Milliarden Menschen vom Hungertod bedroht. Nach Angaben der Vereinten Nationen sterben jeden Tag 25.000 Menschen völlig unnötig an Hunger! Es liegt auf der Hand, daß ein Crash den Tod von Hunderten von Millionen, wenn nicht Milliarden von Menschen zur Folge hätte.

Die Pandemie ist nicht besiegt, und neue drohen aus dem gleichen Grund, aus dem COVID-19 ausgebrochen ist: weil in einer völlig unterentwickelten Welt in weiten Teilen ganzer Kontinente das Immunsystem ganzer Bevölkerungen geschwächt ist.

In Europa und insbesondere in Deutschland sind wir gerade dabei, mit der Politik der jetzigen Regierung in diesem Winter gegen die Wand zu fahren. Es wird Pleitewellen, Massenarbeitslosigkeit, Notstände, Stromausfälle geben. Banken wie JPMorgan Chase bereiten sich bereits darauf vor, Deutschland in Richtung London oder anderer Hauptstädte zu verlassen, falls es zu einem großen Stromausfall kommt, womit sie rechnen.

Nach offizieller Darstellung haben wir es mit einer strategischen Situation zu tun, in der die regelbasierte Ordnung der „Demokratien“ des Westens gegen die ruchlosen „Autokratien“ und Diktaturen Rußlands und Chinas steht. In Wirklichkeit ist die Situation spiegelbildlich: Die Länder Asiens, angeführt vom Aufstieg Chinas, der BRICS, der Shanghaier Organisation für Zusammenarbeit und eines Großteils des globalen Südens, bauen ein neues Wirtschaftssystem auf, um die Armut zu überwinden und eine echte wirtschaftliche Entwicklung zu erreichen. Es gibt eine Renaissance des Geistes von Bandung, die Wiederbelebung der Bewegung der Blockfreien. Diese Länder sind diesmal fest entschlossen, den Kolonialismus endgültig zu beenden - den Kolonialismus, den es offiziell nicht gibt, der aber in neuem Gewand daherkommt. Sie wollen dieses Mal die Fünf Prinzipien der friedlichen Koexistenz auf jeden Fall umsetzen.

Faschismus mit demokratischem Gesicht

Schauen wir uns das mal näher an. Wie ist es eigentlich um den sogenannten Westen bestellt?

Es gibt keine Demokratie mehr. Die Möglichkeit, daß der Westen auf ein System des „Faschismus mit demokratischem Gesicht“ hinläuft, war schon Mitte der 1970er Jahre ein Thema für die Trilaterale Kommission und andere Denkfabriken. Sie sprachen offen darüber, daß es im Falle eines wirtschaftlichen Zusammenbruchs „notwendig“ sein könnte, so drakonische Sparmaßnahmen zu ergreifen, daß man die grundlegenden Verfassungsrechte abschaffen muß. Samuel Huntington - berühmt für die These vom „Kampf der Kulturen“, eine Blaupause für einen Nord-Süd-Konflikt anstelle des Ost-West-Konfliktes, und Autor des schrecklichen Buches The Soldier and the State, das für Söldnerarmeen zur Verteidigung des Empire wirbt - schrieb 1975 für die Trilaterale Kommission The Crisis of Democracy. Das war die Idee, daß Nullwachstum es notwendig machen würde, die Demokratie einzuschränken; und wenn die Regierungen zu demokratisch seien, könnte nur eine katastrophale Krise als Weg dienen, den Menschen die „notwendigen Opfer“ aufzuerlegen.

Nun ist die Politik von Carl Schmitt:- daß der Souverän derjenige ist, der über den Ausnahmezustand entscheidet. Das bringt uns zu dem Punkt zurück, als Abba Lerner LaRouche in ihrer berühmten Debatte am Queens College im Dezember 1971 sagte, wenn die Menschen Hjalmar Schachts Politik akzeptiert hätten, wäre Hitler „nicht notwendig gewesen“ (Abbildung 1).

47 Jahre später ist die Demokratie, von der man früher noch annahm, dazu gehöre das Recht auf freie Meinungsäußerung, wo eine demokratische Vielzahl von Standpunkten ausgetauscht werden kann, völlig verschwunden. Es darf keine wißbare Wahrheit mehr geben, die man zumindest annähernd herausfinden kann, zum Beispiel durch den sokratischen Dialog; stattdessen darf man nur noch das eine Narrativ akzeptieren. Und ein Großteil dessen, was heute unter dem Mantel der Politik betrieben wird, ist der fanatische Versuch, dieses Narrativ diktatorisch aufrecht zu erhalten.

Teil dieses Narrativs ist, daß der Krieg in der Ukraine das Ergebnis einer „unprovozierten russischen Aggression“ war. Allein wenn man erwähnt, daß das Ganze nicht am 23. Februar 2022 begonnen hat, wenn man sagt, daß es eine Vorgeschichte gibt, dann macht das einen schon zum „Putin-Agenten“, einem Anhänger oder Befürworter russischer Propaganda. Genauso, wenn man vorschlägt, den Krieg so schnell wie möglich zu beenden, obwohl das auch die Meinung führender Militärexperten ist.

So schreibt z.B. der deutsche General a.D. Kujat, ehemals Generalinspekteur der Bundeswehr und Vorsitzender des NATO-Militärausschusses - eine sehr hohe Position -, in einem kürzlich erschienenen Artikel, daß der Krieg von keiner Seite gewonnen werden kann, daß die Sanktionen der deutschen Wirtschaft irreversiblen Schaden zufügen können, daß unsere Freiheit weder am Hindukusch verteidigt wurde noch jetzt in der Ukraine verteidigt wird, und daß die Eskalation die Gefahr eines Atomkrieges birgt.

All dies sind natürlich sehr gute Gründe, über eine Friedenslösung zu verhandeln. Aber wenn man das sagt, wird man auf ukrainischen Webseiten, die vom US-Außenministerium finanziert werden, auf eine Todesliste gesetzt. Das ist natürlich „wahre Demokratie“! Und die europäischen Regierungen nehmen regelmäßig an Sitzungen der ukrainischen Institutionen teil, die diese Seiten betreiben, wie z.B. das ukrainische Zentrum für Desinformationsbekämpfung.

In den meisten westeuropäischen Ländern und Amerika - am meisten in Großbritannien - herrscht derzeit eine Gleichschaltung, ein Gleichschritt in den Mainstream-Medien, der Goebbels vor Neid erblassen ließe. Es herrscht eine Atmosphäre des McCarthyismus, es gibt eine digitalisierte Gestapo. Und in den letzten Monaten haben mir Dutzende von Menschen privat gesagt, daß sie Angst haben, ihre Meinung zu sagen, selbst in privaten Kreisen, weil sie sonst fürchten, geächtet zu werden.

Und ich will eines fürs Protokoll festhalten: Wir brauchen keine russischen Analysen, um zu unseren Schlußfolgerungen zu kommen. Wir haben eine internationale private Nachrichtenagentur, Executive Intelligence Review, die 1974 von Lyndon LaRouche gegründet wurde. Der Direktor für internationale Wirtschaftsangelegenheiten im Nationalen Sicherheitsrat der USA, Norman Bailey, sagte uns 1984 in seiner Funktion als Berater der Reagan-Regierung im Weißen Haus, er halte EIR für den besten privaten Nachrichtendienst der Welt. Noch wichtiger ist, daß wir unsere Erkenntnisse nicht gewinnen, indem wir Zeitungsausschnitte lesen, sondern indem wir unsere eigene Politik vorschlagen, und dann werten wir die Reaktionen aus, ziehen unsere Schlüsse und analysieren, was sie bedeuten.

Vom Produktiven Dreieck zur Weltlandbrücke

Wir kennen die Vorgeschichte des 23. Februar, denn wir sind Teil davon. Schon Jahre vor dem Fall der Berliner Mauer hatte LaRouche den Zusammenbruch der Sowjetunion völlig richtig vorausgesagt. 1984 sagte er: Wenn die Sowjetunion ihre damalige Politik der Ablehnung der Zusammenarbeit mit Reagan bei der SDI und des Festhaltens am Ogarkow-Plan fortsetze, dann werde sie in fünf Jahren zusammenbrechen. Genau das ist geschehen.

Wir haben die Antwort darauf gegeben: das Produktive Dreieck Paris-Berlin-Wien.  Und als die Sowjetunion zusammenbrach, schlugen wir vor, Europa und Asien durch wirtschaftliche Entwicklungskorridore zu verbinden, und nannten das die Eurasische Landbrücke (Abbildung 3). Das war unsere Vorstellung von einer Friedensordnung für das 21. Jahrhundert. Aus der Eurasischen Landbrücke wurde dann die Weltlandbrücke, die auch heute noch unsere Politik ist.

Es wäre im eigenen Interesse aller Länder gewesen, diesen Vorschlag zu verwirklichen. Wir wissen, daß er aus geopolitischen Gründen von Thatcher, Bush senior und Mitterrand abgelehnt wurde, weil es damals die Politik dieser Länder war, aus der ehemaligen Supermacht Sowjetunion ein Rußland zu machen, das zu einem bloßen rohstoffexportierenden Dritte-Welt-Land degradiert ist. Auf diese Weise sollte 1991 ein potentieller Konkurrent auf dem Weltmarkt ausgeschaltet werden, weil man davon ausging, daß Rußland über mehr ausgebildete Wissenschaftler und mehr Rohstoffe verfügen würde, und daß es, wenn man seine wirtschaftliche Entwicklung zuließe, stärker werden würde als die Vereinigten Staaten zu jener Zeit.

Aber obwohl diese Politik damals abgelehnt wurde, haben wir uns weiter auf fünf Kontinenten für die Eurasische Landbrücke eingesetzt. Wir hielten Hunderte von Konferenzen und Seminaren ab und erlebten und beobachteten so aus erster Hand, wie die historische Chance von 1989 vertan wurde - darüber haben wir ein Buch veröffentlicht, und wie die Versprechen, die NATO nicht nach Osten zu erweitern, gebrochen wurden. Wir haben durch die Arbeit am Produktiven Dreieck und der Eurasischen Landbrücke hautnah miterlebt, wie in den Jelzin-Jahren Rußlands industrielles Potential durch die Schocktherapie zwischen 1991 und 1994 auf nur noch 30% reduziert wurde. Die Absicht, Rußland zu ruinieren, war bereits vorhanden, und Jelzin war das willige Werkzeug einer solchen Politik.

Nachdem Putin an die Macht gekommen war, wurde die Strategie der Farbrevolutionen umgesetzt: die Orangene Revolution in der Ukraine im Jahr 2004, die Rosenrevolution in Georgien, die versuchte Weiße Revolution in Rußland und die versuchte Gelbe Revolution in Hongkong gegen China. 1999 initiierte Tony Blair die Politik der „Schutzverantwortung“, die Idee, die Ordnung des Westfälischen Friedens und die UN-Charta durch eine „regelbasierte Ordnung“ zu ersetzen, um die Grundlage für Interventionskriege in Südwestasien und Libyen zu schaffen.

Nein, wir wiederholen nicht die russische Propaganda. Wir versuchen, der Geschichte eine bessere Richtung zu geben, und wir haben gesehen, wer diesen Vorschlag unterstützt und wer ihn ablehnt. Am wichtigsten ist, daß wir nicht denkfaul sind. Wir haben eine andere Denkmethode, die sich auf das reale physikalische Universum der Ideen bezieht, statt auf Meinungen, die auf Sinneswahrnehmungen beruhen. Deshalb kann man uns auch nicht durch entsprechendes „Anstupsen“ (engl. „nudge“) - um es mit Cass Sunstein zu sagen - dazu bringen, das einzig erlaubte Narrativ zu glauben.

LaRouches Vorhersage von 1971

Ich habe eingangs gesagt, daß wir die schlimmste Krise in der Geschichte haben, die das Ergebnis einer falschen Politik ist, und daß sie deshalb korrigiert werden kann. LaRouche prognostizierte 1971, und das ist wahrscheinlich die wichtigste Prognose, die je in der Geschichte gemacht wurde, als Nixon die freien Wechselkurse einführte und den Dollar aus dem Goldstandard löste: Wenn die Länder mit dieser monetaristischen Politik weitermachen würden, dann würde dies zu einer neuen Depression, Faschismus und einem neuen Weltkrieg führen. Oder wir bräuchten ein völlig neues Wirtschaftssystem. Das war vor 51 Jahren. LaRouche hat neun große Vorhersagen gemacht, und viele weitere an jedem historischen Verzweigungspunkt.

Als die Trilaterale Kommission den Plan für eine „kontrollierte Desintegration der Weltwirtschaft“ vorstellte und die Autoren davon alle Mitglieder der Carter-Administration wurden, handelte es sich dabei um die bösartige Idee, niemals das Entstehen merkantilistischer Volkswirtschaften im Entwicklungssektor, niemals ein „zweites Japan“ in der südlichen Hemisphäre zuzulassen. Denn Japan hatte, nachdem es viele Jahrhunderte lang unterentwickelt war, in der Meiji-Restauration plötzlich innerhalb weniger Jahren eine industrielle Revolution vollzogen, die natürlich von jedem Entwicklungsland nachgeahmt werden konnte, und das sollte ausgeschlossen werden.

Es folgten die Volckersche Hochzinspolitik, eine brutale Austeritätspolitik, Reaganomics, Thatcherismus, Fusionen und Übernahmen, Outsourcing in Billiglohnländer, Just-in-time-Produktion, Shareholder-Value-Gesellschaft, Börsengänge von mittelständischen Unternehmen, Deregulierung der Märkte, Derivatspekulation, quantitative Lockerung, Negativzinsen usw.

Bei jedem Schritt legte LaRouche nicht nur eine brillante Analyse vor, sondern präsentierte auch politische Initiativen (Video). 1975 schlug er die Internationale Entwicklungsbank (IDB) vor, die den IWF durch eine Entwicklungsbank ersetzen sollte, die die massive Entwicklung des Entwicklungssektors ermöglichen würde. Für den mexikanischen Präsidenten José López Portillo und gemeinsam mit ihm schlug er 1982 die Operation Juárez vor. Er schlug die Strategische Verteidigungsinitiative (SDI) vor, die von Präsident Reagan am 23. März 1983 umgesetzt wurde. Wir haben im Laufe der Zeit Programme für Afrika, Lateinamerika, Eurasien, den Nahen Osten und die USA entwickelt. LaRouche hat immer an der Idee gearbeitet, daß man die Institutionen dazu bringen muß, die falschen Annahmen des Monetarismus zu verwerfen und zu überwinden, um nicht in ein langes finsteres Zeitalter zu stürzen.

Eine andere Denkmethode

Es geht hier um einen grundlegenden Unterschied in der Denkmethode. Wenn man den langen Bogen der Weltgeschichte betrachtet, hat die Menschheit enorme Fortschritte gemacht. Von der Jäger- und Sammlergesellschaft, in der die Bevölkerung auf der Erde nicht mehr als 10 Millionen Menschen zählte, gab es allein in den letzten 10.000 Jahren ein enormes Bevölkerungswachstum auf heute etwa 8 Milliarden Menschen.

Wir sehen dabei in der Geschichte ein wiederkehrendes Phänomen: Tatsächliche Sprünge nach vorn erfolgten durch Renaissance-Perioden. Ich kann als Beispiele die klassischen Griechen nennen, die Abbasiden-Dynastie, die Song-Dynastie in China, die italienische Renaissance, die deutsche Klassik. All dies sind Hochphasen der Geschichte, und sie wurden immer von einer relativ kleinen Anzahl von Individuen katalysiert, die als Ergebnis angemessener Hypothesen in Wissenschaft und Kunst originale Entdeckungen machten, die zu neuen Ebenen des Verständnisses über gültige Prinzipien des physikalischen Universums führten.

Bisher wurden diese Aufschwünge jedesmal von den Feinden des Fortschritts unterbrochen, denen es gelang, die Gesellschaft von der Führungsschicht bis hinunter zur leichtgläubigen Bevölkerungsmehrheit zu Ansichten zu bewegen, die den Bereich der gerade neu entdeckten Ideen ignorierten und an ihre Stelle Ideologien setzten, die den Interessen dieser Feinde, d.h. der herrschenden Oligarchie, entsprachen.

Das Geheimnis, warum LaRouche der erfolgreichste Prognostiker wirtschaftlicher und gesellschaftlicher Tendenzen ist und alle seine Kritiker völlig versagt haben, liegt darin, daß er sich im Laufe seines Lebens ein unvergleichliches Wissen über die Ideen angeeignet hat, die im Laufe von Jahrtausenden zu einem qualitativen Fortschritt der Menschheitsgeschichte geführt haben - im Gegensatz zu den Ideen, die das Universum von dem, was Gauß später den komplexen Bereich nannte, auf eine reduktionistische euklidische Auffassung der Dinge und Ereignisse herunterbrechen würden.

Platon beschreibt diesen Unterschied im Höhlengleichnis: Während die reale Welt der Ideen außerhalb der Höhle existiert, nehmen die Menschen, die sich auf ihren biologischen Sinnesapparat verlassen, die Wirklichkeit nur als Schatten wahr, wie an den Wänden einer schwach beleuchteten Höhle. Ein entscheidendes Beispiel für diesen Unterschied sind die Paradoxien in der Geometrie, die keine reduktionistischen Lösungen zulassen, etwa die Konstruktion der fünf platonischen Körper und die Verdoppelung von Gerade, Quadrat und Würfel.

Diese Paradoxien bildeten die Grundlage für das Denken einer ganzen Klasse von Denkern, die im komplexen Bereich und in der platonischen Tradition dachten und Entdeckungen machten: Brunelleschi, Nikolaus von Kues, Pacioli, Leonardo da Vinci, Kepler, Gilbert, Fermat, Huyghens, Leibniz, Bernoulli, Kästner, Gauß, Lazare Carnot, Dirichlet und Riemann - und natürlich Einstein und Wernadskij. Alle Fortschritte in der Geschichte der Menschheit sind aus dieser Tradition hervorgegangen, wie LaRouche in zahlreichen Abhandlungen gezeigt hat.

Dagegen haben die Ideologen der reduktionistischen Tradition absolut nichts zu diesem Fortschritt beigetragen, aber viel dazu, die Einsicht in wirkliches Wissen zu verdunkeln, wie die aristotelische Tradition von Descartes, Newton - man erinnere sich an sein berühmtes „hypotheses non fingo“, man braucht keine Hypothese und nimmt keine an -, Boyle, Euler, Lagrange, Laplace, Cauchy, Clausius, Grassmann, Helmholtz, Maxwell, Lindemann, Felix Klein, Bertrand Russell und deren Schüler.

Dasselbe gilt im wesentlichen für die Ideen in der Kunst, wo es einen fundamentalen, axiomatischen Unterschied gibt zwischen der klassischen Kunst, die auf die Steigerung der schöpferischen Kraft des Publikums abzielt, und jenen Kunstformen, die nur der Banalisierung oder, noch schlimmer, der Verrohung der Sinne dienen - die bevorzugte Methode der Oligarchie zur Kontrolle der Bevölkerung. In dieser Hinsicht gibt es keinen Unterschied zwischen dem Römischen Reich, wo man das Publikum im Amphitheater zum Mitschuldigen am Tod des Gladiators machte, indem es den Daumen hoch oder herunter hielt, um zu entscheiden, ob der Gladiator lebt oder stirbt, und dem Gewaltkult, der in der heutigen Unterhaltungsindustrie dargestellt wird.

Das Konzept der potentiellen relativen Bevölkerungsdichte

LaRouche verfügte über ein profundes Wissen über die unterschiedlichen axiomatischen Anschauungen dieser gegensätzlichen Traditionen und lieferte zahlreiche Beweise dafür, daß das physikalische Universum nicht dem Weg der euklidischen Geometrie folgt, wie z.B. den Unterschied zwischen der kürzesten Entfernung und dem eigentlichen Leibnizschen Prinzip der kleinsten Wirkung.

Ähnlich kann die physische Wirtschaft nicht durch mathematische und statistische Methoden angemessen beschrieben werden. LaRouche entwickelte seine gesamte wirtschaftswissenschaftliche Methode ausdrücklich mit einer Polemik gegen die Informationstheorie und die Systemanalyse von Norbert Wiener und John von Neumann. Auch Algorithmen erfassen nicht die reale Wirtschaft, sondern nur Methoden der Riemannschen Raumzeit der Allgemeinen Relativitätstheorie. Nur dieses Denken in Begriffen des komplexen Bereichs kann die Auswirkungen einer unendlichen Reihe von Entdeckungen qualitativ neuer Prinzipien des physikalischen Universums erfassen, die jeweils eine völlig neue wirtschaftliche Plattform definieren, wobei das neu entdeckte Prinzip die relative Produktivität jedes Aspekts der gesamten Wirtschaft neu definiert.

Aus diesem methodischen Ansatz heraus kam LaRouche zu dem einzigartigen Konzept der „relativen potentiellen Bevölkerungsdichte“ und dem damit verbundenen Konzept der „Energieflußdichte“ im Produktionsprozeß, die beide aufgrund der relativen Endlichkeit der Ressourcen auf jeder Entwicklungsstufe ständig pro Kopf und pro Quadratkilometer zunehmen müssen (Abbildung 9). Auf jeder Entwicklungsstufe steigen die Kosten für die Erschließung der Ressourcen tendenziell an und senken somit die Arbeitsproduktivität. Mit der Stagnation des technologischen Niveaus steigen der Aufwand und die Kosten, um die gleiche Anzahl von Menschen zu erhalten, und die relative potentielle Bevölkerungsdichte nimmt ab.

Aber die Schlußfolgerung aus dieser Tatsache ist, wie LaRouche feststellt, genau das Gegenteil von dem, was der bösartige Club of Rome in seinem oligarchischen Propagandapamphlet Die Grenzen des Wachstums behauptet, nämlich daß man von nun an Nullwachstum und sogar Negativwachstum bräuchte.

LaRouche schrieb dagegen sein Buch Es gibt keine Grenzen des Wachstums, eines seiner wichtigsten Bücher (Abbildung 10), und zeigte darin, daß ein ständiger wissenschaftlicher und technologischer Fortschritt notwendig ist und daß durch den ständigen Einsatz menschlicher Kreativität höhere Grade der Anti-Entropie erreicht werden. Das entspricht den Gesetzen des realen physikalischen Universums und ist somit die Voraussetzung für das dauerhafte Überleben der Menschheit.

Das relative Bevölkerungspotential in der Urgesellschaft betrug etwa 0,06 bis 0,1 Personen pro Quadratkilometer, und das Gesamtpotential der Welt war nicht höher als zehn Millionen Menschen. Heute, mit acht Milliarden Menschen, sind es mehr als zwei Größenordnungen mehr, und mit der in Reichweite liegenden kommerziellen Nutzung der Fusionstechnologie und den bestehenden Technologien zur Erzeugung von praktisch unbegrenzten Mengen an neuem frischem und sauberem Wasser kann sich das Bevölkerungspotential in sehr kurzer Zeit verdoppeln und dazu einen Lebensstandard für jeden Menschen schaffen, der mit dem einer durchschnittlichen Familie in der heutigen Schweiz vergleichbar ist.

Von der Sonnen- und Windenergie mit einer sehr geringen Energieflußdichte über fossile Brennstoffe bis hin zur Kernenergie stieg diese Messung von 0,2 Kilowatt pro Quadratmeile auf 70.000 Kilowatt pro Quadratmeile und hat das Potential, mit der zweiten Generation der Fusionsenergie auf 1015 kW pro Quadratmeile zu steigen.

Angesichts dieser Realität bedeutet der Ausstieg aus der Kernenergie in Deutschland und die EU-Politik des Green Deal nicht nur das Ende Deutschlands als Industriestaat - und das ist die Absicht der Grünen -, sondern auch die Verringerung der relativen potentiellen Bevölkerungsdichte der Welt, weil die Produktionskapazität der viertgrößten Volkswirtschaft der Welt, Deutschland, entfällt, was zwangsläufig zu einer Zunahme von Hungersnöten, Epidemien und sozialen Unruhen führen wird. Und das ist auch die Absicht der malthusianischen Oligarchie.

LaRouche kannte alle wesentlichen Vertreter der beiden gegensätzlichen Auffassungen, und er machte jedem, der es wissen wollte, absolut transparent, warum die Ausschaltung von Kreativität und Geniepotential in den Augen der oligarchischen Klasse, für die der bösartige Malthus nur ein bezahlter Schreiberling war, so absolut notwendig war. Somit war klar, daß der gemeinsame Nenner zwischen der Weltanschauung der Britischen Ostindiengesellschaft,  der kontrollierten Desintegration der Weltwirtschaft durch die Trilaterale Kommission, der Großen Transformation von Hans Joachim Schellnhuber und dem Great Reset des Weltwirtschaftsforums dieselbe reduktionistische, empiristische, malthusianische Ideologie ist.

Als China seinen Irrtum erkannte - daß die Annahme begrenzter Ressourcen des Planeten falsch war -, änderte es die Ein-Kind-Politik, weil es erkannte, daß jedes zusätzliche Kind das Potential neuer kreativer Entdeckungen einbringen würde, und es betont seither an die ständige Notwendigkeit von Innovationen in der Wirtschaft. Auf diese Weise vollbrachte die chinesische Wirtschaft ein Wunder, das keine Konjunkturzyklen kannte, weil die kontinuierliche Steigerung der Produktivität die Gründe dafür beseitigte.

Der Aufstieg Chinas ist also das Ergebnis einer korrekten Wirtschaftspolitik, die LaRouches Theorie widerspiegelt, und die Vereinigten Staaten und Europa brechen zusammen, weil sie Malthus statt LaRouche bevorzugen. Die Krise im Westen ist völlig selbstverschuldet und nicht das Ergebnis einer „bösen“ Politik Rußlands oder Chinas.

Die BRICS-Staaten, die Shanghaier Organisation für Zusammenarbeit (SOZ), die in wenigen Tagen, am 15. und 16. September, ihren großen Gipfel in der alten Seidenstraßenstadt Samarkand in Usbekistan abhält, viele Organisationen des globalen Südens, die an einer neuen Weltwirtschaftsordnung arbeiten und die Tradition der Blockfreien-Bewegung wiederbeleben, sie alle wollen den Kolonialismus beenden und Armut und Unterentwicklung überwinden. Und die Gürtel- und Straßeninitiative, die Globale Entwicklungsinitiative und die Globale Sicherheitsinitiative, die China vorschlägt, sind allesamt Konzepte zur Überwindung der geopolitischen Konfrontation und zur Schaffung einer Plattform für eine gemeinsame Zukunft der Menschheit.

Anstatt zu versuchen, diese Entwicklungen einzudämmen, sollten die Vereinigten Staaten und Europa die Gründe überdenken, warum wir uns in diesem Schlamassel befinden, und wir sollten uns mit diesen Ländern auf ein neues Paradigma der internationalen Beziehungen einigen, das auf den fünf Grundsätzen der friedlichen Koexistenz und der UN-Charta beruht. Wir stehen nicht nur vor einem heißen Herbst und Winter, sondern höchstwahrscheinlich vor dem Zusammenbruch des gesamten Systems. Deshalb hat das Schiller-Institut die Notwendigkeit eines neuen Paradigmas, einer neuen Sicherheits- und Entwicklungsarchitektur, auf die Tagesordnung gebracht.

Mit Friedrich Schiller können wir also sagen: „Der Mensch ist größer als sein Schicksal“, vorausgesetzt, wir folgen dem Rat von López Portillo und „hören auf die weisen Worte von Lyndon LaRouche“. Ich danke Ihnen.

Hier finden Sie das Video der Rede; hier die links zu den ins Deutsche übersetzten Beiträge der Panels 1-3 der Konferenz des Schiller-Instituts am 10. und 11. September.