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Wettlauf mit der Zeit: Vakzine für alle Nationen

von Dr. Wolfgang Lillge

Wir befinden uns an einem absolut kritischen Punkt in der COVID-19-Pandemie. Entweder gelingt es uns, das Virus mit allen verfügbaren Mitteln – Schnelltests, Quarantäne, digitale Nachverfolgung, Impfungen – schnell unter Kontrolle zu bekommen, oder es wird sich eine dritte oder vierte Welle mit mutierten Viren entwickeln, die dann nur noch sehr schwer unter Kontrolle zu bringen ist.

Dabei weiß man gar nicht, wo man mit der Kritik an der westlichen Strategie gegen COVID-19 anfangen soll. Es funktioniert praktisch nichts: von den Lockdown-Maßnahmen bis hin zur Impfstoffbeschaffung und -verteilung und dem Einsatz von Schnelltests. In den Vereinigten Staaten werden zwar inzwischen 3 Millionen Dosen pro Tag produziert, was etwa doppelt so viele Dosen sind, wie dort logistisch verimpft werden können, doch gleichzeitig sind bisher nur ein Bruchteil von Impfstoffen in den Entwicklungsländern angekommen. Dieses riesige Mißverhältnis muß sofort aufgehoben werden, ansonsten wird sich die Pandemie in immer weiteren Wellen fortsetzen.

Was Deutschland selbst betrifft, so ist abgesehen von den widersprüchlichen Lockdown-Maßnahmen und voreiligen Forderungen nach Lockerungen absolut unverständlich, warum die Impfungen gegen COVID-19 bei uns nur derart langsam vorankommen. Anfang des Jahres war nur der Impfstoff von BionTech-Pfizer in relativ geringen Mengen verfügbar, doch inzwischen sind die Impfstoffe von Moderna und jetzt auch Astra-Zeneca hinzugekommen, so daß die Impfquote erheblich höher sein könnte. Der größte Hemmschuh ist dabei wohl das hochbürokratische, intransparente Verfahren, mit dem die Bürger nach Priorisierungskriterien zu den Impfzentren eingeladen werden. Hinzu kommt noch, daß eine mediale Propagandakampagne gegen den Astra-Zeneca-Impfstoff in Gang gesetzt wurde, so daß viele von einer Impfung mit diesem Präparat Abstand nehmen, obwohl dessen Wirksamkeit und Sicherheit zweifelsfrei festgestellt wurde.

Im übrigen Europa sieht die Lage nicht sehr anders aus. Impfungen in Ländern wie Tschechien, der Slowakei, Polen und Ungarn, wo die Gesundheitssysteme wegen hoher Infektionszahlen überlastet sind, sind besonders niedrig.

Das Hauptproblem für eine flächendeckende Impfstoffversorgung ist nach übereinstimmender Einschätzung die zentrale Beschaffung von Impfstoffen durch die EU-Kommission. Es wurde nicht nur viel zu spät und zu wenig bei den Herstellern bestellt, vor allem verzettelte sich die EU-Bürokratie mit kleinlichen Feilschereien um Preisrabatte und Liefermengen, was die Belieferung innerhalb der EU um Monate verzögerte. Maßgeblich verantwortlich dafür ist die EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen, die aufgrund dieses Versagens – und nicht nur dieser – längst hätte entlassen werden müssen.

Die Rücktrittsforderungen an die Adresse von der Leyens gehen einher mit immer lauterer Kritik an der Entscheidung, Brüssel die Beschaffung von Impfstoffen für die ganze EU zu übertragen. Das Scheitern dieser Entscheidung ist zwar offensichtlich, aber ob die Bundesregierung ihrerseits in der Lage gewesen wäre, es besser zu machen, ist mehr als zweifelhaft, denn Gesundheitsminister Spahn hat sich als zumindest genauso unfähig erwiesen. Er hat noch Anfang 2020 nach dem Ausbruch von COVID-19 in China behauptet, das Virus werde nie nach Deutschland kommen, und beschäftigt sich jetzt inmitten der kritischen Pandemiesituation lieber mit dem Kauf einer superteuren Villa in Berlin, fängt sich selbst das Virus ein und besucht dann trotz Kontaktbeschränkungen ein Spendendinner.

Aus rein politischen Gründen wurde in der EU auch die Zulassung des russischen Sputnik-V-Impfstoffs und der verfügbaren chinesischen Impfstoffe auf die lange Bank geschoben. Immerhin war der russische Sputnik-V-Impfstoff nicht nur der erste zugelassene Impfstoff gegen COVID-19 überhaupt, sondern er hat außerdem den Vorteil, wenig Nebenwirkungen zu zeigen und im normalen Kühlschrank bei zwei bis acht Grad Celsius gelagert zu werden. Und zwei Impfdosen kosten zusammen nur 20 US-Dollar.

Vor allem osteuropäische Länder wie Ungarn, Polen und Serbien scheren sich mittlerweile nicht mehr um irgendwelche EU-Vorgaben und haben den russischen und chinesischen Impfstoff bestellt und werden ihn verimpfen, um nicht noch mehr Zeit zu verlieren.

Bei den Tests, einer anderen Säule im Kampf gegen COVID-19, gibt es bei uns ebenfalls große Probleme. Obwohl preiswerte Schnelltests verfügbar sind, ist die organisatorische Umsetzung von Massentests nach wie vor mangelhaft. Es ist immer noch nicht sichergestellt, daß in Pflegeheimen, Schulen und Kitas Schnelltests kostenlos und flächendeckend eingesetzt werden. Auch dem Einzelhandel und anderen gesellschaftliche Bereichen könnten sich Lockerungsperspektiven eröffnen, wenn Schnelltests ausreichend zur Verfügung stünden und die Impfungen schneller vorankämen. Der wirtschaftliche Schaden ließe sich so deutlich begrenzen.

Ein anderer Aspekt scheint mir sehr wichtig zu sein, der das Potential zeigt, was eigentlich möglich wäre: Die Covid-19-Pandemie hat weltweit zu einer beispiellosen Mobilisierung der Forschung und zu großen Fortschritten in der Biotechnologie geführt. Die Entwicklung, Erprobung und der Einsatz von Impfstoffen hat sich in atemberaubendem Tempo vollzogen. Kaum mehr als ein Jahr nach Ausbruch der Pandemie können Millionen von Menschen mit einer Vielzahl neu entwickelter Impfstoffe geimpft werden, deren Wirksamkeit gegen das Covid-19-Virus nachgewiesen ist. Wissenschaftlich und technisch ist es außerdem möglich, mit umgestellten Impfstoffen schnell auf Mutanten von COVID-19 sowie auf zukünftige pandemische Bedrohungen zu reagieren. Auch die Behandlung von Tumoren bekommen mit den neuartigen mRNA-Impfstoffen eine ganz neue Dimension.

Doch diese Fortschritte sind in der Realität nicht angekommen.

Bei den derzeitigen Impfraten könnte es nach einfachen Berechnungen bis zu sieben Jahre dauern, bis weltweit eine Art induzierte „Herdenimmunität“ erreicht ist, um die Ausbreitung des SARS-Cov-2-Virus vollständig zu unterbinden. Doch der Löwenanteil der Impfstoffe geht nach wie vor an die reichen Länder, obwohl die Entwicklungsländer sie viel nötiger hätten, weil dort die Menschen der Pandemie weitaus schutzloser ausgesetzt sind und dort offenbar die Virusmutationen viel schneller auftreten und zu uns zurückkehren könnten.

Nur Russland und China – und begrenzt auch das UNO-Programm COVAX – stellen sich der Aufgabe, dringend benötigte Impfstoffe an Nationen zu liefern, die sonst weit unten auf der globalen Liste stehen würden. So wurden die beiden führenden chinesischen Impfstoffe von den Firmen Sinovac und Sinopharm bereits vielen Millionen Menschen in den Entwicklungsländern im Rahmen von Notimpfungskampagnen verabreicht. Auch der russische Impfstoff Sputnik V wird gezielt an Entwicklungsländer geliefert.

So hat die Afrikanische Union Ende Februar bekanntgegeben, dass sie ein Angebot des Russia Direct Investment Fund für 300 Millionen Dosen des Impfstoffs Sputnik V erhalten hat, zusammen mit vorteilhaften Finanzierungsbedingungen. Die Lieferung der Sputnik-V-Dosen würden im Mai beginnen und über einen Zeitraum von bis zu 12 Monaten abgegeben werden.

Zudem kooperieren Rußland und China eng bei der Weiterentwicklung ihrer COVID-19-Impfstoffe.

Diese Kooperation muß massiv ausgeweitet werden. Vor allem um in Zukunft gegen weitere Pandemien und Gesundheitsbedrohungen gewappnet zu sein, müssen wir dringend die große Lösung anstreben, nämlich den Aufbau eines Weltgesundheitssystem, eines modernen Gesundheitssystems in jedem Land, das zudem als Motor für unser Programm zur Schaffung von 1,5 Milliarden neuen, produktiven Arbeitsplätzen dient. Das muss sofort auf die Tagesordnung gesetzt werden.

China Zielscheibe der Neocons

Abschließend einige Bemerkungen über China. Regelmäßig tauchen immer wieder Behauptungen auf, das neue Coronavirus sei ein gentechnologisches Kunstprodukt, hergestellt in einem chinesischen Hochsicherheits-Biolabor. Gezielt richten sich diese Gerüchte gegen China, aber bei genauerem Hinsehen sind sie eher Teil des Versuchs, China die Schuld am eigenen Versagen des Westens zu geben, die Pandemie einzudämmen.

Die neueste Version dieser Kampagne erschien im {Wall Street Journal} vom 23. Februar in Form eines Kommentars von Ex-US-Außenminister Mike Pompeo, dem Haupt-Chinahasser in der Trump-Regierung, und seinem damaligen Chinaberater Miles Yu. Sie schreiben: "Chinas unverantwortliche Labore bringen die Welt in Gefahr", wodurch ein neuartiges Coronavirus entstanden sei, das aus dem Biolabor in Wuhan entwichen sei.

Es gebe angeblich "starke" Beweise für diese Anschuldigung, obgleich unverblümt zugegeben wird, dass die Beweise "größtenteils Indizien" sind. Weiter heißt es in dem Kommentar: "Die meisten Anzeichen deuten auf das Wuhan Institute of Virology als die Quelle von Covid-19 hin... Die chinesische kommunistische Partei hat die Welt bereits zu viel gekostet, und ihre Verschleierungstaktik garantiert, dass dies nicht die letzte derartige Tragödie sein wird... Wir alle haben die Verantwortung, dafür zu sorgen, dass die Kommunistische Partei Chinas keinen Freifahrtschein erhält." – so Pompeo.

Ich glaube, klarer läßt sich das Motiv hinter den Behauptungen eines künstlichen Ursprungs von COVID-19 nicht ausdrücken, nämlich einen Regime change in China herbeizuführen. Wer solche Behauptungen wiederholen zu müssen glaubt, sollte wissen, daß er sich damit direkt vor den Karren radikaler Chinahasser vom Schlage Pompeios spannen läßt.

Wir sollten vielmehr von China lernen, mit welchen Mitteln dort die Pandemie weitgehend unter Kontrolle gebracht wurde. Ich will nur einen Aspekt davon herausgreifen, und das ist die elektronische Aufspürung und Nachverfolgung von Infizierten mit einer einfachen Warn-App auf dem Smartphone. In China hat praktisch jeder eine solche Corona-App, die seit langem weitgehend über die Bewegungsfreiheit der Bürger bestimmt, den Zutritt zu Wohngebäuden, Arbeitsstätten, Verkehrsmitteln gewährt oder den Zugang dazu eben wegen einer möglichen Infektionsgefahr verwehrt. Diese App wurde in wenigen Tagen für wenig Geld entwickelt. Was haben wir stattdessen in Deutschland? Eine aus Datenschutzgründen völlig anonymisierte Corona-Warn-App, deren Entwicklung mehr als drei Monate brauchte und Millionen kostete und eine nur sehr eingeschränkte bis kaum feststellbare Wirksamkeit hat. Eine effektive App wie in China, die in Persönlichkeitsrechte eingreift, sei in Deutschland politisch nicht durchsetzbar gewesen – im übrigen genau die gleiche Begründung, warum die Kernenergie in Deutschland aufgegeben wurde.

Ich weiß, daß sich viele in Deutschland über die Unfähigkeit und Inkompetenz der staatlichen Anti-Corona-Maßnahmen ärgern und am liebsten Herrn Spahn und andere zum Teufel wünschen. Aber bloße Wut ist nicht sehr produktiv, sondern führt nur dazu, daß wir uns als Opfer fühlen. Wir sollten erkennen, daß es das ganze bankrotte neoliberale System ist, das es verhindert, daß wir die Corona-Pandemie in den Griff bekommen. Das gleiche imperiale System ist auch für das grüne Desaster mit dem Great Reset und der katastrophalen Energiewende verantwortlich. Setzen wir uns mit aller Kraft dafür ein, ein neues Paradigma zum Aufbau der Zivilisation durchzusetzen. Nur mit einer solchen Perspektive können wir Wut und Haß in eine neue Kraft für die Zukunft umwandeln.

Dr. Lillge ist Spitzenkandidat der BüSo für die Wahlen zum Berliner Abgeordnetenhaus am 26. September 2021.  Er ist auch Chefredakteur der Wissenschaftszeitschrift FUSION. Diesen Vortrag hielt er am 3.März im Rahmen eines Internetseminars des Schiller-Instituts.

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