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Zepp-LaRouche und Geraci sprechen in Mailand bei Konferenz über Italien und die Neue Seidenstraße

Am 13. März 2019 fand in Mailand eine wichtige Konferenz statt, die gemeinsam von der italienischen LaRouche-Bewegung MoviSol und der Regionalregierung der Lombardei organisiert wurde. Die Hauptredner waren die Präsidentin des Schiller-Instituts, Helga Zepp-LaRouche, die in China als „Seidenstraßenlady“ bekannt ist, und der Staatssekretär im Entwicklungsministerium, Prof. Michele Geraci, der geistige Vater der neuen Chinapolitik der italienischen Regierung.

Die Veranstaltung erregte viel Aufmerksamkeit in Politik und Medien, denn sie fiel zeitlich mitten in eine hitzige Debatte über den bevorstehenden Italienbesuch des chinesischen Präsidenten Xi Jinping (22.-23. März) und eine internationale Kampagne gegen das geplante Rahmenabkommen für die Zusammenarbeit beider Länder in der Gürtel- und Straßen-Initiative (BRI), dessen Vordenker Prof. Geraci ist.

Zu Beginn der Konferenz bat der Moderator, Claudio Celani, Prof. Geraci um eine Erläuterung, worum es bei der BRI eigentlich geht, welche Vorteile sie Italien und besonders den wirtschaftlichen unterentwickelten Gebieten des Mezzogiorno (Süditalien) bietet, sowie zu dem Vorstoß der chinafeindlichen Fraktion, chinesische Investitionen in Europa durch die EU zu „prüfen“, sprich zu erschweren.

Geraci antwortete auf die Kritik vieler Kreise, u.a. von internationalen Medien wie Financial Times, Reuters und Handelsblatt, die sich darüber ereifern, daß zum ersten Mal ein G7-Land offiziell der Gürtel- und Straßen-Initiative beitritt. „Eine Kritik an uns ist, daß Italien dabei das erste G7-Land ist, und daß es das Problem einer Schuldenfalle gibt. Das beides ist natürlich ein Widerspruch in sich, denn als G7-Land sind wir kein einkommensschwaches Land und deshalb ist das Risiko einer Schuldenfalle sehr begrenzt.“ Bei einem nationalen Wirtschaftsprodukt von 1,7 Bio. Euro sei es lächerlich, über mögliche Investitionen von 5-10 Mrd. Euro als „Schuldenfalle“ zu sprechen, sagte Geraci.

Mit der Unterzeichnung der Absichtserklärung mit China „wird sich an unseren internationalen Bündnissen nichts ändern“, sagte er. Die Erklärung sei ein Papier zur Förderung von Exporten und Investitionen italienischer Unternehmen im Rahmen von Gürtel und Straße.

„Wir versuchen, Süditalien zu entwickeln, indem wir eine geographische Lage, die uns bisher Nachteile gebracht hat, besser nutzen und zu einem Vorteil machen. Afrika hat uns bisher mehr Probleme als Möglichkeiten bereitet, und das wollen wir ins Gegenteil verkehren, unter der Mitarbeit Chinas, aber auch Japans, mit dem wir gesprochen haben – zwei asiatische Großmächte mit großen Investitionen in Afrika.“ Geraci erinnerte daran, daß China von allen Staaten der Welt am meisten in Afrika investiert. „Es ist vielleicht das erstemal in der Geschichte Afrikas, daß das Interesse des Investors – in dem Fall China, das natürlich auch seine kommerziellen Interessen hat – mit dem Interesse der Zielländer zusammenfällt, die zum erstenmal eine nachhaltige soziale und wirtschaftliche Entwicklung beginnen können.“

Süditalien, in der Mitte des Mittelmeers gelegen, „ist der ideale Ort für einen chinesischen oder japanischen Investor, der sich in Afrika engagieren möchte und der eine Absicherung in einem System innerhalb der Europäischen Union braucht“ – nur 40 Flugminuten von Afrika entfernt. Der Mezzogiorno, Sizilien und andere Teile Italiens könnten als Drehscheibe für „Transport, Infrastruktur, aber auch Forschung, technische Entwicklungszentren und Energie“ dienen.

Anderen Kritikern, die behaupten, Italien wolle seine Häfen an China verkaufen, antwortete Geraci, Italien verkaufe nichts. Vielmehr würden die Chinesen in den Häfen, für die sie sich interessieren, Docks bauen und somit Neues hinzufügen, was vorher nicht da war.

Zudem dürfe man nicht vergessen, daß die Chinesen ohnehin bereits 15% der europäischen Hafenkapazitäten besitzen. Sie haben 35% Anteil am Hafen von Rotterdam und im Mittelmeerraum Anteile in Ägypten (Said), Israel (Haifa), Marseille, Valencia, Bilbao und Piräus.

Zum Hochtechnologieplan „China Manufacturing 2025“, ein Thema, das Journalisten im Publikum ansprachen, sagte der Staatssekretär: Das sei „ein Tsunami“, denn es gebe viele Bereiche, die mit Italien im Wettbewerb stehen, aber: „Wenn der Wind weht, baut der eine Mauern und der andere Windmühlen. Ich baue lieber Windmühlen.“ Wenn der Wind weht, „werden sich meine Flügel drehen, Energie erzeugen und kooperieren statt blockieren“.

Das Neue Paradigma

Helga Zepp-LaRouche sprach direkt nach Geraci. Der Moderator Celani sagte bei ihrer Vorstellung, für viele Chinesen sei sie die „Neue Seidenstraßen-Lady“, dank ihrer Pionierarbeit in den letzten drei Jahrzehnten, als sie den großen eurasischen Infrastrukturplan ihres Ehemanns Lyndon LaRouche bekannt machte, der heute die Form von Xi Jinpings Initiative angenommen habe.

Am Vortag hatte der frühere italienische Finanzminister Giulio Tremonti persönlich in einem Interview mit Corriere della Sera daran erinnert, daß die Neue Seidenstraße ursprünglich von „dem amerikanischen Visionär Lyndon LaRouche“ propagiert worden war. Tremonti geht jedoch heute anscheinend auf Distanz zu diesen Ideen, 2007 hatte er in einer öffentlichen Veranstaltung mit LaRouche in Rom über dessen Projekt der Eurasischen Landbrücke noch deutlich freundlicher gesprochen.

Helga Zepp-LaRouche betonte, Italien werde wegen des BRI-Rahmenabkommens so stark angegriffen, „weil dieser italienische Schritt das Neue Paradigma möglich machen wird“. Doch dieses von den Briten und den amerikanischen Neocons so gefürchtete Neue Paradigma sei auch die einzige Alternative zu einem neuen Finanzkrach und zu einer Konfrontationspolitik gegenüber Rußland und China, die zum Weltkrieg führen könnte.

Es gebe im Westen viele falsche Berichte über die BRI, „aber wenn man die Regierungen der Länder in Afrika, Asien und Lateinamerika fragt, die der BRI beigetreten sind, dann erklären sie, daß sie zum erstenmal die Möglichkeit haben, Armut und Arbeitslosigkeit zu überwinden, und daß China ihr Freund ist“.

Sie hob die wirtschaftlichen wie auch die kulturellen positiven Aspekte der Neuen Seidenstraße hervor, wie z.B. Investitionen in europäische Häfen, die Maritime Seidenstraße, aber auch den „Dialog der Kulturen“, dem Präsident Xi auf allen seinen Reisen große Bedeutung beimißt – wie der italienischen Renaissance oder der deutschen Klassik. So habe Xi in Deutschland Heine zitiert und die ästhetische Erziehung der Bevölkerung und „die Schönheit des Geistes“ betont.

Zu dem Vorwurf, China werde „Europa spalten“, erinnerte Frau LaRouche das Publikum – darunter Journalisten und etliche wichtige italienische und chinesische Institutionen – an die Tatsache, daß Europa auch ohne China längst gespalten ist: „Es gibt den Nord-Süd-Konflikt wegen der Austeritätspolitik gegen Italien, Griechenland, Spanien und Portugal, und den Ost-West-Konflikt in der Frage der Migranten.“

Italiens Vereinbarung mit China sei von größter strategischer Bedeutung. „Italien kann ein Vorbild für andere europäische Länder werden, beispielsweise bei der Zusammenarbeit italienischer und chinesischer Unternehmen in Afrika.“

Europa dürfe nicht länger das Europa der Diktate der Europäischen Union oder das Europa von Präsident Macrons Militärpakt sein, sondern müsse wieder das „Europa der Vaterländer“ werden, das Präsident de Gaulle anstrebte.

Zepp-LaRouche befaßte sich auch mit einem Thema, über das in Italien heiß diskutiert wird und das der Moderator ansprach, nämlich die im Bau befindliche Schnellbahnstrecke Turin-Lyon („TAV“), die Teile der Regierung blockieren möchten. Mit einem 57 km langen Basistunnel unter den Alpen ist dies eine wichtige Verkehrsverbindung und ein wesentlicher Bestandteil des Transeuropäischen Korridors 5 Lissabon-Kiew, der sich bestens in die Gürtel- und Straßen-Initiative integrieren ließe.

Sie stellte fest, die deutschen Medien seien voller Schadenfreude darüber, daß die italienische Regierung die Entscheidung über den TAV verschoben hat, um eine Koalitionskrise zu vermeiden. Man müsse jedoch den größeren Zusammenhang betrachten. Zu Beginn der BRI hätten die zentralasiatischen Länder darüber debattiert, ob man lieber die Ost-West- oder die Nord-Süd-Verbindung bauen sollte. Sie habe aber schon damals betont, mit dem Fortschritt der BRI würden beide gebaut und der gesamte Kontinent integriert werden. Und genau das passiere nun.

„So muß man auch die Frage des Tunnels der Strecke Lyon-Turin sehen, denn das Infrastrukturdefizit in Europa ist gewaltig.“ Allein in Deutschland gebe es einen Rückstand von 1,7 Bio. Euro. Wenn Europa auch nur annähernd ein Niveau wie China erreichen wolle, wo alle großen Städte durch Schnellzüge verbunden und „langsame Magnetbahnen“ für den städtischen Nahverkehr gebaut werden, „dann müssen wir unsere Infrastruktur in Europa integrieren und modernisieren und unser Denken völlig umkrempeln“.

In diesem Zusammenhang verurteilte sie die grüne Ideologie, die nicht nur in Teilen Italiens, sondern in ganz Europa grassiert, der jede wissenschaftliche Grundlage fehle. „Am Freitag werden in 60 Ländern Schulkinder streiken“ – als Protest gegen den Klimawandel – „aber das basiert nicht auf Wissenschaft. Es ist eine Selbstmordbewegung. Viele dieser Kinder wissen noch viel zuwenig, um das Thema Klimawandel zu verstehen. Sie sagen: Es lohnt sich nicht, weiterzuleben. Warum soll ich noch etwas lernen, wenn in zwölf Jahren die Welt untergeht?“

Zepp-LaRouche betonte: „Wir brauchen eine Renaissance des wissenschaftlichen Denkens, und Infrastruktur ist die absolute Voraussetzung für jede industrielle Entwicklung.“

Das Transaqua-Projekt

Der Movisol-Aktivist Massimo Kolbe Massaron, der an der Organisation der Konferenz mitarbeitete, verlas dann die Rede von Senator Tony Iwobi, der aus Nigeria stammt und für die Lega gewählt wurde. Er betonte die Bedeutung des italienisch-chinesischen Abkommens über das Transaqua-Projekt im Tschad. „Das ist eine wichtige Errungenschaft, um den Tschadsee wieder aufzufüllen, und es stellt eine historische Phase in geopolitischer und sozialer Hinsicht dar, sowie für das Ziel, Migrationsphänomene aus Afrika südlich der Sahara zu reduzieren.“

Der Direktor von Bonifica, Dr. Franco Bocchetto, erläuterte anschließend dem Publikum anhand vieler Abbildungen, daß Transaqua mehr als nur ein Wasserleitungsprojekt ist, nämlich ein integriertes Verkehrs-, Energie- und Agrarindustrieprojekt für Zentralafrika, von dem alle beteiligten Länder profitieren. Bocchetto umriß die Geschichte des Projekts und ehrte dessen Erfinder, Dipl.-Ing. Marcello Vichi. Er beschrieb die jüngste Aktualisierung des Plans durch die Firma Bonifica. Die ursprüngliche Schätzung, daß 50 Mrd. m³ Wasser pro Jahr erforderlich sein werden, um den Tschadsee wieder aufzufüllen, habe sich als zu pessimistisch erwiesen, jüngste Untersuchungen zeigten, daß mit Hilfe moderner Techniken der Wassernutzung und -konservierung „nur“ 30 Mrd. m³ erforderlich wären. Dies mache die Bonifica-Ingenieure noch optimistischer, daß das Projekt, dessen Machbarkeitsstudie in einem Monat beginnen soll, realisiert werden kann.

Ein weiterer Grund für Optimismus sei, daß das chinesische Unternehmen PowerChina, das eine strategische Partnerschaft mit Bonifica eingegangen ist, bereits erfolgreich eine 1500 km lange Wassertransfer-Infrastruktur von Südchina nach Beijing gebaut und dabei viele geographische und technische Hindernisse überwunden hat. Bocchetto schloß, indem er die BRI unterstützte und wünschte, „daß Italien dem chinesischen Beispiel folgt, innerhalb kürzester Zeit Infrastruktur zu bauen“.

Nach einer langen und lebhaften Diskussion schloß die Movisol-Vorsitzende Liliana Gorini die Konferenz ab und widmete sie dem im Februar verstorbenen Lyndon LaRouche. Er war in Italien bekannt und geschätzt wegen seiner zutreffenden Wirtschaftsprognosen – wie viele Parlamentarier, die ihn 2007 im italienischen Parlament gehört hatten, nach dem Crash 2008 zugeben mußten – und besonders auch wegen seiner Kampagne für die Glass-Steagall-Bankentrennung, die Teil des Programms der heutigen italienischen Regierung ist.

(aus Neue Solidarität)