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Hintergrundbericht: Was führte zum Fall von Kundus?

[h3]von Ramtanu Maitra[/h3]

Die Eroberung der Stadt Kundus in Nordafghanistan durch die sog. Taliban am 29. September hat in den angrenzenden zentralasiatischen Nationen große Sorge ausgelöst. Kundus ist die erste größere Stadt oder Garnison, die in den 14 Kriegsjahren seit dem Sturz der Taliban den Dschihadisten in die Hände fiel. Kundus liegt relativ nahe an der Grenze zu Tadschikistan, der vermutlich schwächsten und unsichersten unter den zentralasiatischen Nationen. Der Zentralasien-Spezialist Bruce Pannier erklärte gegenüber [i]Radio Free Europe[/i] (RFE/RL), der Fall von Kundus werde mit Sicherheit insbesondere den Behörden in Tadschikistan und Usbekistan Sorge bereiten, weil die Stadt in den 90er Jahren die Basis der Terrorgruppe [i]Islamische Bewegung Usbekistans[/i] (IMU) bildete, die in ganz Zentralasien aktiv war. Berichten aus Kundus zufolge waren dort zusammen mit den Taliban auch zahlreiche ausländische Kämpfer aktiv - was im afghanischen Kontext Usbeken, Tschetschenen, Uiguren und andere bedeuten kann.

Der tadschikische Präsident Emomali Rahmon sagte [i]RFE/RL[/i] zufolge am 6. Oktober bei einem Treffen mit dem russischen Präsidenten Putin in Sotschi, die Lage in Afghanistan werde „von Tag zu Tag schlimmer. Praktisch wird an mehr als 60% der Grenze Tadschikistans zu Afghanistan gekämpft.“ Nikolai Bordjuscha, der Vorsitzende der [i]Organisation des Vertrags über kollektive Sicherheit[/i] (CSTO, ein Militärbündnis, dem Rußland und Weißrußland sowie Armenien, Kasachstan, Kirgisistan und Tadschikistan angehören), nannte den Fall von Kundus eine „gefährliche“ Entwicklung. „Kundus liegt dicht an den Grenzen der CSTO, nur 70 km vor der Grenze Tadschikistans. Wir sehen in diesen Ereignissen eine reale Bedrohung für die Stabilität und Sicherheit der Region“, erklärte er am 1. Oktober gegenüber der russischen Nachrichtenagentur [i]Interfax[/i].

Die Stadt und Provinz Kundus liegt im Norden Afghanistans, wo die mehrheitlich paschtunischen Taliban eigentlich kaum präsent sind. In der Region leben hauptsächlich Usbeken und Tadschiken, die gegenüber den Taliban eher feindselig eingestellt sind. Der von Washington unterstützte afghanische Präsident Aschraf Ghani, ein Paschtune, hat mit Mohammad Omar Safi einen Paschtunen als Gouverneur der Provinz eingesetzt, was in der Provinz großen Unmut ausgelöst hat. Immer wieder wurde von Gefechten örtlicher ethnischer Gruppen mit der mehrheitlich aus Paschtunen bestehenden afghanischen Armee in der Stadt berichtet. Zum Zeitpunkt des jüngsten Angriffs der Taliban befand sich Gouverneur Safi offenbar in Tadschikistan, wo er auf seinen Abberufungsbescheid aus Kabul wartete. Später wurde er in London gesehen.

Warum wurde Kundus in die Knie gezwungen? Zwei Gründe sind denkbar. Erstens kann es ein Versuch von Präsident Ghani sein, die nicht-paschtunischen Bevölkerungsgruppen, die 60% der Bevölkerung Afghanistans ausmachen, im Interesse von Washington und London zu schwächen. Washington und London halten sich, ebenso wie Pakistan, an die Paschtunen und bemühen sich seit Jahren um eine Absprache mit den mehrheitlich paschtunischen Taliban, um die Kontrolle über Afghanistan zu behalten.

Der zweite Grund könnte sein, daß die Regierung Obama insgeheim vorhat, auf unbestimmte Zeit eine größere Truppenpräsenz in Afghanistan aufrechtzuerhalten, um zu verhindern, daß Zentralasien wirtschaftlich und politisch unter den Einfluß Chinas, Irans und vor allem Rußlands gerät. Der Westen hat heute nicht mehr viele Möglichkeiten, das Geschehen in Zentralasien zu beeinflussen, er hat dort keine Militärstützpunkte mehr. Aber im Zuge des Afghanistankrieges haben die Vereinigten Staaten und die NATO eine Reihe von Stützpunkten in Afghanistan aufgebaut, wo sie immer noch „legitime“ Ansprüche anmelden können, bis zu 10.000 Soldaten einzusetzen.

Der Fall von Kundus ist zweifellos ein Warnsignal, das Washington und Brüssel als Argument für die Forderung dienen wird, weitere Truppen nach Afghanistan zu entsenden. Im April berichtete Salman Rafi Sheikh in der [i]Asia Times[/i]: „Das Bilaterale Sicherheitsabkommen (BSA), das die USA und Afghanistan 2014 geschlossen hatten, nachdem Präsident Ghani in Kabul an die Macht gekommen war, sieht auch die Möglichkeit vor, die Truppenstärke in Afghanistan zu erhöhen, wie und wenn es notwendig ist.“ Der frühere Präsident Karzai hatte sich geweigert, dieses Abkommen zu unterzeichnen. „Es ist daher durchaus möglich, daß die USA beschließen könnten, die Zahl ihrer Soldaten auf afghanischem Boden zu erhöhen, um ihre Position gegenüber Rußland in der Ukraine zu verbessern“, so Salman Rafi Sheikh.

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