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Groko oder die „Reise nach Jerusalem“? Die Zukunft liegt in der Neuen Seidenstraße!

von Helga Zepp-LaRouche

Die nun schon fast vier Monate andauernden Sondierungsverhandlungen mit wechselnden Teilnehmern zeichnen sich vor allem durch eines aus: durch einen solch eklatanten Mangel an zukunftsweisenden Konzepten, daß man um das Schicksal Deutschlands ernstlich besorgt sein muß. Nach dem unsäglichen Satz Merkels angesichts des miserablen CDU-Wahlergebnisses - „Ich sehe nicht, was ich hätte anders machen können“ - merkt offensichtlich ein wachsender Prozentsatz der Bürger, daß Frau Merkel mit ihrem „marktkonformen“ Demokratieverständnis mit dringenden Aufgaben für das Gemeinwohl wenig am Hut hat. Nach einer jüngsten DIMAP-Umfrage ist sie auf der Beliebtheitsskala mit 52%, hinter Gabriel (62%) und Özdemir (53%) auf den dritten Platz zurückgefallen. 52% sprechen sich gegen eine erneute Groko aus, 75% wünschen sich eine Erneuerung der CDU-Spitze, 67% denken, daß Merkel ihre beste Zeit hinter sich hat.

Aber auch keiner der als potentielle Nachfolger Merkels genannten Personen ist durch irgendeine positive Vision für die Zukunft aufgefallen. Das gleiche gilt für die SPD, in der der Hahnenkampf zwischen Schulz und Gabriel ebenso hervorsticht wie die Angst vor einem weiteren Stimmenverlust in einer Neuwahl. Und bei der CSU hat Alexander Dobrindt zwar Recht damit, daß die 68er einen Marsch durch die Institutionen angetreten und sich Schlüsselpositionen in Kunst, Kultur, Medien und Politik gesichert hätten, das führt aber weder dazu, daß er sich als Repräsentant einer Partei, die das „C“ in ihrem Namen führt, etwa den Standpunkt von Papst Franziskus in der Flüchtlingsfrage zu eigen macht, noch daß er die CSU von der grünen Ideologie befreit, die eine der Folgen des langen Marsches der 68er ist.

Welch ein Kontrast zu der optimistischen Perspektive, die Präsident Xi Jinping China gegeben hat und die er in seiner Neujahrsbotschaft erneut anklingen ließ! Xi verwies darauf, daß im soeben vergangenen Jahr weitere 10 Millionen Menschen aus der Armut befreit, 13 Millionen Arbeitsplätze geschaffen und alle Chinesen in ein Renten- und Gesundheitssystem integriert wurden. Xi zitierte den chinesischen Dichter Du Fu: „Wenn ich doch nur zehntausende Villen bekommen könnte, so hätte ich Wohnung für alle armen Leute, die mit einem freudestrahlenden Lächeln antworten würden.“ Xi bekräftigte den Plan Chinas, bis 2020 alle Menschen in China aus der Armut befreit zu haben und mit der Seidenstraßen-Initiative dazu beizutragen, eine Welt voll Frieden und Entwicklung zu schaffen. Zusammen mit den anderen Staaten wolle China eine wunderschöne Zukunft für die ganze Menschheit bauen. Sie alle wollen eine Schicksalsgemeinschaft für die Menschheit gestalten, die allen Völkern auf der ganzen Welt zum Vorteil sein werde.

Und welch ein Kontrast auch zum Geist der Neujahrsbotschaft von Präsident Putin, der mit Herzenswärme an die Liebe zwischen Eltern und Kindern erinnerte, den Dank an alle Menschen, die am Neujahrstag ihren Dienst versehen, aussprach, und dazu aufrief, Fehler und allen Groll zu vergeben und statt dessen den Mitmenschen Liebe, Wärme, Fürsorge und Aufmerksamkeit zu schenken.

Natürlich entspricht das dank einer unermüdlichen Schmutzkampagne durch die westlichen Mainstream-Medien weder dem Bild, das die allermeisten Menschen in Deutschland vom Präsidenten Chinas noch dem von Rußland haben. Tatsache ist jedoch, daß die Staaten, die mit Chinas Perspektive des Wirtschaftsgürtels kooperieren, von einem beispiellosen Optimismus für die Zukunft der Menschheit erfüllt sind, dem „Geist der Neuen Seidenstraße“. Im Gegensatz dazu zieht sich der politische Prozeß in Berlin gleichsam in der sauerstoffarmen Atmosphäre einer Käseglocke hin - einer Käseglocke allerdings, wo die verschiedenen Käse schon extrem „gereift“ sind und eine dementsprechende Geruchsdichtigkeit aufweisen. Man könnte es auch weniger diplomatisch ausdrücken.

Präsident Xi Jinping hat wiederholt allen Staaten, darunter explizit sowohl den USA als auch Deutschland, die Kooperation mit der Neuen Seidenstraße auf der Basis einer Win-Win-Kooperation angeboten. Die Reaktion der EU war bisher eindeutig negativ, die in Berlin von veralteten geopolitischen Vorurteilen gekennzeichnet.

Der ehemalige deutsche Botschafter in Beijing, Michael Schäfer, stellte in einem Interview mit den Deutschen Wirtschaftsnachrichten soeben die Vermutung an, daß die ablehnende Haltung und die Unterstellung eines „hegemonialen Ansatzes“ bezüglich der Neuen Seidenstraße die Projektion des eigenen Verhaltens im letzten Jahrhundert sei. Als ehemaliger Diplomat mag er es als angemessen sehen, eine solche politisch nicht korrekte Ansicht auf das Verhalten im letzten Jahrhundert zu verschieben. Wir haben diese Verpflichtung nicht: Das Verhalten der EU und der immerhin nur noch geschäftsführenden deutschen Regierung ist kleinkariert, vollständig dem alten Denken der Geopolitik verhaftet, die im vergangenen Jahrhundert zu zwei Weltkriegen geführt hat, und fundamental gegen die deutschen Interessen gerichtet. Wenn Deutschland so weitermacht, wird es sich an den Rand der geschichtlichen Entwicklung katapultieren und in die Bedeutungslosigkeit versinken - zum großen Leidwesen der deutschen Bevölkerung.

Anstatt in einer Situation, wo viele EU-Mitgliedstaaten aus den verschiedensten Gründen ihre Interessen nicht mehr von der EU-Bürokratie repräsentiert sehen und ohnehin auseinanderdriften, wie Martin Schulz die Vereinigten Staaten von Europa zu fordern - was den Widerstand gegen das supranationale Konstrukt nur verstärken wird, weil es kein europäisches Volk gibt -, sollten in Berlin die wirklich wichtigen Themen auf die Tagesordnung.

Die Neue Seidenstraßen-Initiative Chinas ist das größte Infrastruktur- und Aufbauprogramm in der Geschichte, das mit einer beispiellosen Dynamik dabei ist, Unterentwicklung und Armut vor allem in den Entwicklungsländern zu überwinden. Es hat bereits für über 70 Staaten zu einer völlig neuen strategischen Ausrichtung geführt, die nicht nur ihren wirtschaftlichen Vorteil in der Win-Win-Kooperation mit China erkannt haben, sondern auch das neue Modell der Zusammenarbeit gleichberechtigter souveräner Staaten der alten Idee einer unipolaren Welt vorziehen. Alle diese Staaten - dazu gehören so unterschiedliche Länder wie die der ASEAN, Ost- und Mitteleuropas, der Balkanstaaten, Südeuropas, viele lateinamerikanische und afrikanische Staaten, aber auch Japan - haben die Chancen erkannt, die in diesem neuen Modell der internationalen Politik liegen. Japan z.B. hat jetzt China die Zusammenarbeit bei vier Megaprojekten in Afrika angeboten.

Bei den Koalitionsverhandlungen müssen deshalb die folgenden Themen als Priorität auf die Tagesordnung: Vor allem muß die neue Regierung sofort ihre Kooperationsbereitschaft mit China beim Ausbau der Neuen Seidenstrasse bekunden. Nur so kann das gefährliche Terrain der Geopolitik, wie sie u.a. im Ausbau einer EU-Streitmacht zum Ausdruck kommt, verlassen und durch die neue Ära einer Schicksalsgemeinschaft der Menschheit ersetzt werden. Und nur durch den Ausbau der Neuen Seidenstraße im Nahen und Mittleren Osten und in Afrika, d.h. durch wirkliche wirtschaftliche Entwicklung, kann die Flüchtlingskrise auf humane Weise gelöst werden.

Anstatt auf verantwortungslose Weise zugunsten der Kasinowirtschaft und auf Kosten des Gemeinwohls die Politik der Troika zu unterstützen, müssen sich die Groko-Unterhändler endlich der dringenden Notwendigkeit der Reorganisation des Finanzsystems stellen. Da absolut nichts unternommen wurde, um die Systemfehler zu beheben, die zum Crash von 2007/2008 geführt haben, droht nun unmittelbar ein neuer Finanzkrach, der aufgrund der massiv angewachsenen Verschuldung von Firmen und Staaten und der Derivat-Verstrickung der Banken viel dramatischer als der vorige zu werden droht. Es muß sofort das Trennbankensystem in der Tradition von Roosevelts Glass-Steagall-Gesetz auf die Tagesordnung, und ein Kreditsystem in der Tradition der Kreditanstalt für Wiederaufbau, wie sie in der Zeit des deutschen Wirtschaftswunders funktioniert hat, muß die jetzige Politik des Gelddruckens der EZB ersetzen.

Auf diese Weise kann ein nationales Infrastrukturprogramm finanziert werden, das den Investionsstau bei Straßen, Brücken, Wasserwirtschaft, Schulen etc. beendet, der durch Schäubles Politik der Schwarzen Null auf Kosten zukünftiger Generationen entstanden ist. Und so könnten auch die Mittel bereitgestellt werden, um kompetente Projektleiter und Ingenieure aus China anzuheuern, die den Berliner BER-Flughafen fertigstellen und ein Schnellbahnsystem in ganz Deutschland bauen, das diesen Namen verdient. Mit einem solchen Kreditsystem kann Deutschland dann gemeinsam mit der AIIB, dem Neuen-Seidenstraßen-Fonds und ähnlichen Institutionen bei gemeinsamen Projekten mit anderen Staaten bei den verschiedenen Aufbauprogrammen kooperieren.

China hat auf Initiative Xi Jinpings ein umfassendes Programm der nationalen Erneuerung in Gang gesetzt, bei dem die 5000 Jahre alte Kultur in allen Poren der Gesellschaft bewußt und die besten Phasen in Philosophie, Musik, Malerei und Dichtung lebendig gemacht werden. Wenn wir in Deutschland auch nur annähernd eine vergleichbare Revitalisierung unserer Kultur erreichen wollen, müssen wir uns von der Gegenkultur befreien, die das Resultat der Manipulationen des Kongresses für kulturelle Freiheit, der Frankfurter Schule und der 68er Bewegung ist und uns das heutige linksliberale, „politisch korrekte“ Denkschema beschert hat.

Das wäre eigentlich ganz einfach, weil wir in Deutschland das Glück haben, eine große Anzahl von universellen Dichtern, Denkern, Erfindern und Komponisten zu haben, von Nikolaus von Kues, Johannes Kepler, Gottfried Wilhelm Leibniz, den von Humboldts, Bernhard Riemann, Albert Einstein, Krafft Ehricke bis zu Bach, Beethoven, Schubert, Schumann, Brahms, Lessing und Schiller, um nur einige zu nennen. Deren Werke müssen im Bewußtsein der Zeitgenossen nur lebendig gemacht werden. Bislang gleichen die Sondierungs- und Koalitionsverhandlungen allerdings eher einer „Reise nach Jerusalem“, bei der es um Sitze und Posten geht, und die Bürgerrechtsbewegung Solidarität ist bisher die einzige Partei, die diese Lösungen anbietet.