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Die Illusion der unipolaren Welt ist zerplatzt

Die folgende Rede hielt Klaus Fimmen vom Bundesvorstand der BüSo bei der Kundgebung der Friedensglockengesellschaft, anlässlich des Weltfriedenstages, am 21.09.2023 in Berlin:

Liebe Friedensfreunde,

Wir haben uns hier heute versammelt, anlässlich des Weltfriedenstages, um für den Frieden zu demonstrieren und unsere Unterstützung für alle Anstrengungen kundzutun, die international laufen, um den mörderischen Konflikt in und um die Ukraine zu stoppen, bevor noch mehr Unheil über das Land, über die Jugend des Landes, aber auch potenziell über die ganze Welt gebracht wird.

Meine Rede ist vielleicht etwas speziell1, aber ich glaube sie ist doch für den Anlass angemessen.

Es ist wahr: nie war die Gefahr der Selbstvernichtung der Menschheit so groß wie heute.

Doch gleichzeitig ist die Dynamik hin zu einer gerechteren Weltordnung auch noch nie so stark gewesen.

Die Staaten des globalen Südens sind nicht mehr bereit, in Armut zu verharren, damit es einigen Wenigen im Norden gut geht. Sie sagen: Wir wollen uns nicht zwischen Blöcken entscheiden – nicht Partei ergreifen für die eine Seite und gegen die andere. Eure Probleme sind nicht die unsrigen. Wir wollen endlich raus aus der Armut!

Deshalb arbeiten inzwischen etwa 130 Staaten mit Chinas Neuer Seidenstraßen Initiative zusammen. Dort bekommen sie, was der Norden ihnen bisher verweigert hat: Moderne Infrastruktur, Kraftwerke, Häfen, Eisenbahnen und Hilfe für die Entwicklung von Gesundheits- und Bildungs- und Forschungseinrichtungen.

Mit einem Wort: Sie fordern ihre unveräußerlichen Rechte ein, so wie es vor 247 Jahren die amerikanischen Kolonien in der Unabhängigkeitserklärung getan haben.

Diese Haltung im Süden hat natürlich auch mit dem wirtschaftlichen und moralischen Niedergang bei uns zu tun. Wie soll man Vertreter der Bundesregierung oder der EU ernst nehmen, wenn sie der Welt in arrogantem Tonfall den Weg weisen wollen und zuhause ihre eigenen Volkswirtschaften gegen die Wand fahren?

Die Illusion einer unipolaren Welt, wie sie seit 1991 gepflegt wurde, ist am Zerplatzen. Die Mehrheit der Staaten, insbesondere repräsentiert durch die G77, das erweiterte BRICS-Bündnis, ASEAN, die Schanghaier Organisation für Zusammenarbeit – diese Staatenmehrheit will keine Welt der Blöcke – sondern eine Welt der gleichberechtigten Zusammenarbeit, der Überwindung von Armut, Hunger, Not. Wer ihnen dabei hilft, ist willkommen. Diejenigen, die seit Jahr und Tag groß von Hilfe sprechen aber ihre Versprechen nie einlösen, sind uninteressant.

Und an dieser Haltung können weder die USA, noch die EU oder die NATO etwas ändern. Was haben sie nicht alles versucht, um eine Allianz gegen Rußland und China zu schmieden. Ob Biden, Macron, von der Leyen, oder Scholz: Man hat sie empfangen oder auch nicht, es wurde gelächelt, meistens war man höflich - aber in der Sache haben sie immer wieder auf Granit gebissen.

All ihr Schwadronieren hilft nicht über die Tatsache hinweg, daß ihr System – vor allem das Dollar-basierte Finanzsystem – hoffnungslos bankrott ist. 50 Jahre Deregulierung der Finanzmärkte, die ausufernde Kasinowirtschaft auf Kosten der Realwirtschaft, fordern jetzt ihren Tribut.

Die einseitigen – und damit illegalen – Sanktionen gegen Rußland und eine ganze Reihe anderer Länder, die Beschlagnahmung von Staatsvermögen und der Mißbrauch des Dollars als Waffe, zusätzlich zu den langjährigen Erfahrungen mit unfairen Handels- und Kreditbedingungen, haben zu einem gigantischen Rückschlag in den Ländern des Globalen Südens geführt.

Das ist der Grund, warum immer mehr Staaten ihre Dollarbestände reduzieren und für ihre Handelsgeschäfte verstärkt die eigenen, nationalen Währungen nutzen. Die Neue Entwicklungsbank der BRICS bekommt unter der Führung von Dilma Rousseff, der ehemaligen brasilianischen Präsidentin, neue Bedeutung – zumal mit Saudi Arabien und den Vereinigten Arabischen Emiraten zwei finanzstarke Länder gerade in das erweiterte BRICS-Bündnis aufgenommen wurden.

Es ist an der Zeit, eine grundlegende strategische Neubewertung vorzunehmen. Liegt es jetzt nicht eher im Interesse der USA und der europäischen Nationen, die Initiative zu ergreifen, um mit allen Ländern des Globalen Südens zusammenzuarbeiten und eine wohlhabende Welt für alle Nationen aufzubauen, als das Risiko einzugehen, eine Politik zu verfolgen, die zum „Ende der Geschichte“ führen könnte, allerdings auf ganz andere Weise, als Francis Fukuyama es sich vorgestellt hat?

Wir stehen hier heute vor der amerikanischen Botschaft und deshalb möchte ich die Gelegenheit wahrnehmen unsere amerikanischen Freunde an ihre bessere Geschichte zu erinnern, die einmal eine antiimperiale war.

Am 4. Juli 1776 also vor 247 Jahren wurde die amerikanische Unabhängigkeitserklärung unterzeichnet. Ich zitiere:

„Folgende Wahrheiten erachten wir als selbstverständlich: daß alle Menschen gleich geschaffen sind; daß sie von ihrem Schöpfer mit gewissen unveräußerlichen Rechten ausgestattet sind; daß dazu Leben, Freiheit und das Streben nach Glückseligkeit gehören ...“

Eine Generation später hat John Quincy Adams 1821 seinen Landsleuten ins Stammbuch geschrieben:

„America does not go abroad in search of monsters to destroy“ - „Amerika geht nicht ins Ausland auf der Suche nach Monstern, die es zu vernichten gilt.“

Und John F. Kennedy resümierte einige Monate nach der Kubakrise 1963 in seiner berühmten Rede vor der Amerikanischen Universität, daß man eine Nuklearmacht nicht vor die Alternative, Selbstaufgabe oder Krieg, stellen dürfe.

Also liebe Amerikaner besinnt euch auf eure bessere Tradition. Und das gilt auch für uns Europäer.

Überwinden wir die menschenunwürdigen Axiome, die den anderen immer als Feind definieren. Und in diesem Sinne möchte ich zum Abschluß unseren Freiheitsdichter Friedrich Schiller zitieren:

Das ist nicht des Deutschen Größe,

obzusiegen mit dem Schwert,

in das Geisterreich zu dringen,

mannhaft mit dem Wahn zu ringen,

das ist seines Eifers wert.

Ich denke, dass diese Worte, diese alten Worte uns erinnern, dass es in unserer Hand liegt, die Geschichte zum Besseren zu verändern, dass wir die ausgestreckte Hand der südlichen Nationen ergreifen.

Sie sagen, wenn ihr uns helft, aus der Armut rauszukommen, dann sind wir bereit, mit euch zusammenzuarbeiten. Aber eure Predigten lasst bitte zu Hause.

Und das, das ist unsere Aufgabe. Frieden können wir nur gewinnen durch wirtschaftlichen Aufbau, Entwicklung und Überwindung der Armut, nur in Zusammenarbeit - auch mit anderen Systemen, mit anderen Menschen, anderen Religionen, anderen Kulturen - denn in der Vielfalt liegt der Reichtum der Menschheit. Danke.

 

  • 1. (da zwei Redner ausgefallen waren, die andere Aspekte des Ukrainekriegs beleuchtet hätten)
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