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Millionen Menschen in Gaza bedroht: Wie lange sieht der Werte-Westen noch zu?

Die britische Tageszeitung Guardian hat am 1. Februar 2024 eine schockierende Dokumentation über die Zerstörung von Gebäuden im Gazastreifen veröffentlicht, bei der Satellitendaten verwendet wurden, um Bereiche der Zerstörung oder Beschädigung von Gebäuden zu identifizieren. Die Ermittler dokumentierten Schäden an über 250 Wohngebäuden, mehr als einem Dutzend Schulen und Universitäten, 16 Moscheen, 3 Krankenhäusern, 3 Friedhöfen und über 100 landwirtschaftlich genutzten Gewächshäusern.

„Im Zuge des israelischen Krieges gegen die Hamas im Gazastreifen wurden ganze Gebäude dem Erdboden gleichgemacht, Felder eingeebnet und Gotteshäuser von der Landkarte getilgt“, heißt es in dem Bericht. „Die Zerstörungen haben nicht nur 1,9 Millionen Menschen gezwungen, ihre Häuser zu verlassen, sondern es vielen auch unmöglich gemacht, zurückzukehren. Dies hat einige Experten dazu veranlasst, die Geschehnisse im Gazastreifen als ,Domizid’ zu bezeichnen, d.h. als die weit verbreitete, vorsätzliche Zerstörung von Häusern, um sie unbewohnbar zu machen und die Rückkehr der Vertriebenen zu verhindern.“ Eine frühere UN-Satellitenstudie vom Dezember ergab, dass 39 Prozent aller landwirtschaftlichen Flächen in Gaza betroffen sind. Der Bericht legt besonderes Augenmerk auf die landwirtschaftlich geprägte Stadt Beit Hanoun, die Stadtteile al-Zahra und al-Mughraqa (wo die Israa-Universität durch platzierte Sprengladungen zerstört wurde) und die südliche Stadt Chan Junis.

In dem Bericht wird Balakrishnan Rajagopal, der UN-Sonderberichterstatter für das Recht auf angemessenen Wohnraum, mit Daten der Vereinten Nationen zitiert, die zeigen, dass von 2013-2016 40 Prozent der Gebäude im syrischen Aleppo beschädigt wurden. In weniger als drei Monaten des Konflikts im Gazastreifen wurden nach Schätzungen von Rajagopal 60 Prozent aller Gebäude beschädigt oder zerstört. „Die völlige Vernichtung von Beit Hanoun und die Zerstörung von al-Zahra und Chan Junis sind Beweise dafür, dass die israelische Gewaltanwendung das Leben unmöglich gemacht hat, indem sie die Gebiete unbewohnbar gemacht hat“, sagte Rajagopal dem Guardian. Hier ist der Link zu dem (englischsprachigen) Bericht "How the War Destroyed Gaza‘s Neighborhoods – Visual Investigation".

Aber das ist längst nicht alles an Schrecklichkeiten. Am 30. Januar, also vier Tage nach der Entscheidung des  Internationalen Gerichtshofes (IGH) vom 26.2., dass Südafrika in seiner Klage gegen Israel einen "plausiblen Fall" von Völkermord vorgelegt habe, kündigten die israelischen Verteidigungsstreitkräfte (IDF) öffentlich an, die Hamas-Tunnel im Gazastreifen mit Meerwasser zu fluten. Man erinnere sich: der Gerichtshof hatte angeordnet,  dass Israel bis zu einer vollständigen Untersuchung alle derartigen Aktionen im Gazastreifen sofort einstellen müsse. Der IGH hatte Israel ferner aufgefordert, innerhalb von 30 Tagen einen Bericht über die erzielten Fortschritte vorzulegen.  Das genaue Gegenteil geschieht, wo bleiben die Proteste? 

Mit der Meerwasser-Flutung der Tunnel würden nicht nur alle Menschen in den Tunneln, sowohl die Hamas als auch die Geiseln, getötet, sondern auch die gesamte Region für Jahrzehnte für Menschen, Tiere und Pflanzen unbewohnbar gemacht. Am 23. Dezember 2023 hatte der Guardian die Kommentare eines Experten für Hydrologie, der für die UNO in Palästina gearbeitet hat, Mark Zeitoun, Direktor des Geneva Water Hub und Professor am Geneva Graduate Institute, veröffentlicht. Wenn Meerwasser in den porösen Sandboden des Gazastreifens gepumpt würde, so Zeitoun, würde es unweigerlich in die Grundwasservorkommen sickern, von denen die 2,3 Millionen Einwohner des Landes etwa 85 Prozent ihres Wassers beziehen. „Die Überflutung des Süßwasser-Aquifers mit Meerwasser würde gegen alle Normen verstoßen, die die Menschheit je entwickelt hat, einschließlich der Umweltaspekte des humanitären Völkerrechts und der jüngsten Prinzipien zum Schutz der Umwelt in bewaffneten Konflikten, sowie gegen alle Fortschritte, die bei der Kriminalisierung von Schäden an der Natur gemacht wurden: es wäre ein Ökozid.“

„Es würde die Lebensbedingungen aller Menschen in Gaza zerstören“, sagte Zeitoun. „Ich sage Lebensbedingungen, weil ich glaube, dass dies eines der Elemente von Völkermord im Sinne der UN-Konvention ist, nämlich die teilweise oder vollständige physische Zerstörung der Bedingungen, die für das Leben eines Volkes notwendig sind.“

Bei diesen unglaublichen Vorgängen sprechen wir über das Schicksal von über 2,3 Millionen Menschen im Gaza-Streifen, deren Existenz durch diese und andere Massnahmen akut und fundamental bedroht ist. Welche Werte vertreten Deutschland, Frankreich, die USA? Mit Gedenkveranstaltungen zum Holocaust oder Aufrufen zum allgemeinen Schulterschluss der "Anständigen" gegen rechts kann man sich nicht von der Verantwortung für das Leben von Millionen schutzlosen Menschen freikaufen, die jetzt bedroht sind.

https://www.bueso.de/keine-kollektive-bestrafung-rettet-menschen-gaza

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