[i]Von Helga Zepp-LaRouche[/i]
Spät, aber besser als nie, kamen dieser Tage ungewöhnliche Warnungen von Altkanzler Helmut Schmidt, der in einem Artikel in [i]Die Zeit[/i] vor dem Verlust von ?Anstand und Moral? seitens der Finanzmanager privater Beteiligungsgesellschaften warnte, und vor einem ?Raubtierkapitalismus?, der ?globale Risiken? mit sich bringe: ?Unter den transnational vernetzten Finanzmanagern können Psychosen und Dominoreaktionen entstehen, welche jeden einzelnen Fehlschlag ausbreiten und vervielfachen. Jedoch können nur die wenigsten Finanzminister der Welt heutzutage das finanzielle Risiko beurteilen und eingrenzen, das ihre eigene Volkswirtschaft betrifft.? Schmidt warnt in deutlichen Worten vor einem aus vielfältigen Gründen möglichen Systemkrach, und davor, daß es derzeit keine einzige Institution gibt, die Deutschland gegen diese Gefahr verteidigen kann.
In der Tat befindet sich Deutschland angesichts des unaufhaltsam näherrückenden Finanzkollapses in tödlicher Gefahr, weil weder die Große Koalition noch die Oppositionsparteien etwas gegen die Plünderung Deutschlands durch die ?Heuschrecken? tun. Bundeskanzlerin Merkel kündigte kürzlich in Frankfurt auf dem Neujahrsempfang der Frankfurter Börse an, es werde keine ?staatliche Orgie? der Regulierung von Hedgefonds und Beteiligungsgesellschaften geben. Die jüngere Generation in der SPD um Leute wie Heil und Nahles hat gewissermaßen einen Coup gegen Müntefering gemacht, der es nur ein einziges Mal gewagt hatte, von ?Heuschrecken? zu sprechen, und sie laden diese sogar noch als Investoren in Umwelttechnologien nach Deutschland ein. Die Grünen haben die FDP längst als Partei der ?Besserverdienenden? überholt und wollen dies auch in Richtung marktwirtschaftlicher Reformen. Und Herr Heuschrecke persönlich, alias Friedrich Merz, wird neuerdings nachgesagt, gleich eine direkte Heuschreckenpartei gründen zu wollen.
Derzeit gibt es nur eine politische Kraft, die Konzepte in die Diskussion bringt und eine realistische Perpektive hat, wie Deutschland gegen die feindliche Übernahme durch gewissenlose Spekulanten verteidigt werden kann - und das ist die BüSo. Denn selbst wenn Steinbrück es erreichen sollte, daß auf dem kommenden G8-Gipfel mehr Transparenz über die Aktivitäten der Hedgefonds und Beteiligungsgesellschaften beschlossen wird - was soll dann mit den in Erfahrung gebrachten Daten geschehen?
Es gibt nur eine Chance, die Welt vor den Folgen eines unkontrollierbaren Systemkrachs zu retten, und das ist die sich in den USA abzeichnende Rückkehr der Demokratischen Partei zur Tradition von Franklin D. Roosevelt. Roosevelt gelang es nicht nur, Amerika mit seiner Politik des [i]New Deal [/i]aus der Depression herauszuführen, er setzte auch wiederholt und nachhaltig das nationale Interesse und das Gemeinwohl gegen die Übergriffe der Wall Street durch. Es war Roosevelts feste Absicht, nach Beendigung des Zweiten Weltkrieges das System des Kolonialismus zu beenden und durch eine Allianz souveräner Nationalstaaten zu ersetzen - ein Plan, der durch seinen allzu frühen Tod nicht verwirklicht werden konnte.
Roosevelts Geburtstag jährte sich am 30. Januar zum 125sten Mal. Es sollte uns in Deutschland zu denken geben, daß eine beeindruckende Repräsentanz der russischen Elite diesen Jahrestag mit einer Konferenz beging, die den Titel ?Die Lehren aus dem [i]New Deal [/i]für das heutige Rußland und die ganze Welt? hatte. Ort der Tagung war das mit dem Außenministerium verbundene Institut für Außenpolitische Beziehungen.
Die sensationellste Rede hielt Wladislaw Surkow, der stellvertretenden Stabschef des Kreml, der die Aufgabe Präsident Putins heute mit der von Roosevelt verglich, der die größtmögliche präsidiale Macht einsetzen müsse, um die Krise zu überwinden. Auch Roosevelt habe die politische Führung zu einem Zeitpunkt übernommen, an dem die Bevölkerung sich hoffnungslos gefühlt habe und die Medien und der Finanzsektor von oligarchischen Gruppierungen kontrolliert gewesen sei. Roosevelt inspiriere Rußland noch heute, und für die Mehrheit aller Russen bleibe er der größte der großen Amerikaner.
Andere Sprecher wie Boris Titow, Vorsitzender von ?Business Russia?, beschrieben den [i]New Deal [/i]als das erfolgreichste Wirtschaftsprogramm in der Geschichte der Menschheit. Die Erfahrung in Rußland in der Zeit nach 1991, als man alles dem sogenannten freien Markt überlassen habe, hätte gezeigt, daß dies nicht zu einem Markt, sondern zu wildem Kapitalismus und zur Krise von 1998 führte.
Diese Diskussion fehlt in Deutschland in den offiziellen Gremien vollständig. Deutschland wird derzeit zerfleddert von verantwortungslosen Profithaien, denen das Schicksal ihrer Opfer so egal ist wie das Papiertaschentuch, das sie gerade benutzt und weggeworfen haben.
Das bringt die Ideen des zweiten Geburtstagskindes auf die Tagesordnung, dessen 250. Geburtstag am 11. Januar war: Alexander Hamilton. Der Vater der Nationalbank des Amerikanischen Systems schuf nicht nur die Grundlage, auf der eine Nation die Souveränität über die eigene Währung und die Kreditschöpfung erlangen kann, er war auch der führende Kopf der in den [i]Federalist Papers [/i]abgedruckten Diskussion, die in der jungen amerikanischen Republik geführt wurde über die Frage, welche Voraussetzungen erfüllt sein müssen, damit sich eine Gesellschaft selber regieren kann.
Genau das ist es, was wir in Deutschland dringend brauchen. Wie können wir unsere nationalen Interessen verteidigen zu einem Zeitpunkt, an dem Deutschland in existentieller Gefahr ist? Was müssen wir tun, damit wir mehr Staatsbürger entwickeln, die verantwortungsbewußt die Grundlagen für zukünftige Generationen legen? Können wir uns selbst regieren? Wir brauchen uns nicht zu schämen, zur Beantwortung dieser Fragen bei Roosevelt und Hamilton um Rat nachzufragen.